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Fehlendes Glykoprotein substituieren

04.04.2006  14:45 Uhr

AAT-Mangel

<typohead type="3">Fehlendes Glykoprotein substituieren

von Brigitte M. Gensthaler, Nürnberg

 

Leiden junge Menschen ohne erkennbare Ursache bei Belastung an Atemnot oder einem Lungenemphysem, könnte ein angeborener Alpha-1-Antitrypsin-(AAT)-Mangel zu Grunde liegen. Neben der symptomatischen Behandlung ist eine Substitution des fehlenden Enzymhemmers möglich. Mitte des Jahres soll ein neues Präparat auf den Markt kommen.

 

Neben der Mukoviszidose ist der Alpha-1-Antitrypsin-(AAT)-Mangel bei Angehörigen der weißen Rasse der häufigste Gendefekt, der zu Lungenerkrankungen führt. Etwa eines von 4000 Neugeborenen trägt einen entsprechenden Gendefekt auf Chromosom 14. Bei homozygoten Trägern der PiZZ-Mutation liegen die AAT-Spiegel im Blutplasma nur bei 15 Prozent des Normwerts; die Patienten haben ein hohes Emphysem-Risiko. Als normal gelten Plasmaspiegel zwischen 150 und 350 mg/dl, berichtete Professor Dr. Michael Pfeifer, Donaustauf, bei einem Symposium der ZLB Behring GmbH Ende März beim Pneumologen-Kongress in Nürnberg. Pathologisch sind Werte unter 50 bis 80 mg/dl (je nach Messmethode).

 

Schon bei 30- bis 40-Jährigen machen sich erste Anzeichen der Lungenerkrankung bemerkbar. Wichtigster Risiko- und Progressionsfaktor ist das Rauchen. Fast alle Patienten klagen über Atemnot und Kurzatmigkeit (Dyspnoe) bei Belastung, mehr als die Hälfte über Husten, 10 bis 20 Prozent haben Auswurf. »Die Patienten zeigen alle Symptome der klassischen chronisch-obstruktiven Bronchitis«, fasste der Pneumologe zusammen. Das forcierte Ausatemvolumen in einer Sekunde (FEV1; Einsekundenkapazität) nimmt stetig ab; Männer scheinen davon stärker betroffen zu sein als Frauen. Rauchen beschleunigt die Abnahme der Lungenfunktion massiv.

 

Wie COPD-Patienten behandeln

 

Im Schnitt dauert es fünfeinhalb Jahre, bis die genetische Erkrankung erkannt wird, machte Professor Dr. Felix Herth aus Heidelberg deutlich. Vermutlich haben 3000 bis 5000 Menschen in Deutschland die homozygote Form, aber nur 1000 bis 1500 seien in Behandlung, schätzt er.

 

Europäische und amerikanische Fachgesellschaften empfehlen, bei allen Patienten mit chronisch-obstruktiver Bronchitis (COPD), mit Bronchiektasen unklarer Ätiologie oder Asthma, das auf Bronchodilatatoren nicht anspricht, den Enzymstatus zu untersuchen. Gleiches gelte, wenn ein Emphysem bei jungen Menschen auftritt, eine familiäre Belastung bekannt ist, mehrere Familienmitglieder über Dyspnoe und Husten klagen oder eine Zirrhose ohne Risikofaktoren entsteht.

 

Da die Patienten vorrangig an obstruktiven Beschwerden leiden, werden sie konsequent wie COPD-Patienten behandelt, erklärte Herth. Anticholinergika wie Tiotropium wirken der Obstruktion entgegen und reduzieren den Luftstau in der Lunge. In schwereren Stadien braucht der Patient mindestens 16 Stunden täglich Sauerstoff. Operativ kann eine Lungenvolumenreduktion oder der Verschluss kompletter Lungenlappen nützlich sein, weil das restliche Parenchym danach besser belüftet wird. In Einzelfällen kann eine Lungentransplantation helfen. 

 

Infusionen mit humaner AAT

 

Die Substitution des defekten Enzymhemmers kann die Progression des Emphysems und den Rückgang der Lungenfunktion aufhalten. Der Nutzen ist bei Patienten mit mittelgradig eingeschränkter Lungenfunktion (FEV1 30 bis 65 Prozent vom Sollwert) gut belegt, bei noch normaler oder bereits stark eingeschränkter Organfunktion aber nicht eindeutig. Seit Jahren steht ein Plasmapräparat mit humanem AAT für die Substitution zur Verfügung (Prolastin® HS, Bayer). Die Trockensubstanz wird aufgelöst und infundiert.

 

Ein neues Lyophilisat aus Humanplasma habe einen besonders hohen Anteil an therapeutisch wirksamen Proteinen, betonte Dr. Otto-Erich Girgsdies von der Klinischen Forschung bei ZLB Behring in Marburg. Das neue Lyophilisat löse sich in nur einer Minute auf. Da das Infusionsvolumen nur halb so groß ist wie bei dem älteren Präparat, halbiere sich die Infusionszeit auf 15 Minuten. Die FDA hat das Plasmapräparat im Juli 2003 zugelassen (Zemaira®), aber eine neue Studie gefordert. In die randomisierte doppelblinde Studie sollen weltweit 100 Patienten einbezogen werden, die wöchentlich entweder Zemaira® 60 mg/kg Körpergewicht oder Placebo erhalten. Primärer Endpunkt ist die Lungendichte.

 

Nach Angaben der Firma hat auch das Paul-Ehrlich-Institut Zustimmung zur Studie signalisiert. Mit der Zulassung des Präparats in Deutschland rechne man Mitte 2006. In den USA würden bereits »mehrere Hundert« Patienten damit behandelt; die Verträglichkeit sei gut.

AAT in Lunge und Leber

Alpha-1-Antitrypsin (AAT), auch Alpha-1-Protease-Inhibitor (API) genannt, ist die wichtigste Antiprotease in den Atemwegen und Gegenspieler der neutrophilen Elastase (NE) und anderer Serinproteasen. AAT ist ein Glykoprotein aus 394 Aminosäuren und wird vorwiegend von Hepatozyten und in geringem Maß auch von Makrophagen gebildet. Die Elastase wird von Leukozyten freigesetzt, um Fremdpartikel wie Keime, Rauchpartikel und Staub abzubauen. In einer feinen Balance begrenzt AAT die Aktivität dieses Enzyms. Beim angeborenen AAT-Mangel fehlt die Hemmwirkung und Elastase und andere Proteasen lysieren nicht nur Schadstoffe, sondern auch Proteine der Lungenmatrix. Dadurch wird Lungengewebe zerstört und die elastischen Rückstellkräfte des Organs nehmen ab. Außerdem kann geschädigtes AAT polymerisieren und selbst chemotaktisch und proinflammatorisch wirken.

 

Bei ausgeprägtem AAT-Mangel kommt es zum Lungenemphysem, einer irreversiblen Erweiterung und Destruktion der Lufträume, vor allem in den unteren Lungenbereichen. Häufig ist der Ausatemfluss vermindert. Rauchen beschleunigt den Schadprozess enorm. Auch die Leber kann betroffen sein. Schon Kleinkinder erleiden einen Gallenstau (Cholestase), der bei einem Viertel zu einer Hepatitis fortschreitet. Etwa fünf Prozent der Erwachsenen entwickeln eine Leberzirrhose mit Organversagen oder Leberkrebs.

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