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Arztinformationssystem

Die Erwartungen sind hoch

29.03.2017  09:37 Uhr

Von Jennifer Evans, Berlin / Kaum ein Thema hat seit dem ersten Tag des sogenannten Pharmadialogs für solchen Diskussionsstoff gesorgt wie das Arztinformationssystem (AIS). Davon ist Lutz Stroppe, Staatssekretär beim Bundesgesundheitsministerium (BMG), überzeugt. Über den zeitlichen und inhaltlichen Fahrplan der Software informierte er vergangenen Mittwoch in Berlin.

Die Erwartungen an das AIS seien hoch, betonte Stroppe. Diese Einschätzung sah er bestätigt, als rund 200 Besucher aus allen Bereichen des Gesundheitswesens der Einladung des Pharmakonzerns Boehringer Ingelheim zur AIS-Fachveranstaltung folgten.

 

Kaum Therapiefreiheit

 

Gegner des AIS, das im kürzlich verabschiedeten Arzneimittel-Versorgungsstärkungsgesetz verankert ist, kritisieren eine Einschränkung der ärztlichen Therapiefreiheit. Ärzte sollen laut Gesetz künftig über das neue System Hinwei­se zur Zweckmäßigkeit und Wirtschaft­lichkeit ihrer Arzneimittel-Verordnung bekommen. Stroppe verteidigt das AIS als »elementares Werkzeug für die Medizin«. Es unterstütze Ärzte dabei, anhand der Zusatznutzen-Information bei den derzeit etwa 47 000 verschreibungspflichtigen Medikamenten auf dem Markt die Spreu vom Weizen zu trennen. Dieses Wissen könne der Mediziner dann direkt im Versorgungsalltag anwenden. Außerdem wird die Software Stroppe zufolge dem Arzt künftig auch jene Therapiealternativen aufzeigen, die zwar keinen Zusatznutzen vom Gemeinsamen Bundesauschuss (G-BA) bescheinigt bekommen haben, aber für eine bestimmte Patientengruppe Vorteile bringen. Die Therapieentscheidung bleibe demnach auch weiterhin beim Arzt.

 

Grundsätzlich entscheidet der G-BA über den Zusatznutzen eines Medikaments gegenüber der bisherigen Standardtherapie auf Basis der Nutzenbewertungsergebnisse des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen. Das Resultat ist auch ausschlaggebend für die Höhe des Erstattungspreises der Kassen.

 

Große Erwartungen in das AIS setzt auch der Arzneimittelexperte der Union, Michael Hennrich (CDU). Der PZ sagte er: »Nun können Innovationen endlich viel breiter gestreut werden«. Zudem stecke in diesem System viel Entwicklungspotenial, auch in Hinblick auf die Versorgungsforschung. Die Hauptsache aber bleibe, dass die Software leicht zu bedienen sei und die nötigen Aktualisierungen künftig keine zu hohen Kosten verursachten.

 

Gleicher Wissensstand

 

Ein weiteres Ziel des AIS ist es Stroppe zufolge, Mediziner deutschlandweit auf einen gemeinsamen Wissensstand zu bringen. »Das ist in der Vergangenheit nicht der Fall gewesen«, betonte er. Insgesamt setze das BMG den rechtlichen Rahmen für das System, die inhaltliche Ausgestaltung obliege dem G-BA. Nach Stroppes Angaben soll der Ausschuss innerhalb von sechs Monaten alle bisherigen Bewertungen in das AIS einschleusen. Bis Ende 2017 sollen dann die entsprechenden Rechtsgrundlagen stehen, damit die Ärzte auf die Arzneimittel-Informationen zugreifen können. Vorgesehen ist, dass das AIS auch interoperabel mit anderen Systemen wie etwa der geplanten Telematik-Infrastruktur ist. Für die nächsten Schritte werde das BMG »wieder auf die Expertise aller Beteiligen des Pharmadialogs zugrückgreifen«, so der Staatssekretär. Das sind neben Politikern auch Vertreter aus der pharmazeutischen Industrie sowie aus Forschung und Wissenschaft.

 

»Der Bedarf an rationalen Informationen in der Medizin ist sehr hoch«, sagte Thomas Müller, Leiter der Abteilung Arzneimittel beim G-BA. Derzeit seien die Dokumente des Gremiums allerdings lediglich für ein Fachpublikum sowie für die Berechnung des Erstattungsbeitrags geeignet. Für ein Arzt-Patienten-Gespräch etwa seien sie nicht verständlich genug aufbereitet, so Müller. »Es ist ein Jammer, dass die Beschlüsse daher bislang kaum Einzug in den Versorgungsalltag gefunden haben.« Auch die Apotheken nutzten diese nur spärlich. Dabei sei es von Anfang an Ziel des G-BA gewesen, individuelle Therapieentscheidungen von Arzt und Patient durch diese evidenzbasierten Daten zu unterstützen.

 

Müller zeigte sich jedoch skeptischer als Stroppe, dass die Datenaufbereitung innerhalb weniger Monate umsetzbar ist. Schließlich müssten die Daten nicht nur maschinell lesbar sein, damit alle Ärzte Zugriff haben. Sondern das AIS solle zudem auch Informationen über möglicherweise nötige Patientenpässe, Qualifikationen des Arztes, Neben- und Wechselwirkungen sowie Aufklärungsspezifikationen liefern, so Müller. Vorgesehen ist demnach künftig auch, den Feinheiten unterschiedlicher Patientengruppen in der Arzneimitteltherapie Rechnung zu tragen, etwa durch eine Kodierung genetischer Prädispositionen. Damit soll dann auch klar sein, für welche Patientengruppen eine Verordnung wirtschaftlich ist.

 

Problem Mischpreise

 

Abbilden soll das AIS auch, ob ein Medikament unter bestimmten Voraussetzungen wie einer Vortherapie oder Therapieversagen überhaupt eine Option für den Patienten ist. Es sei der Erfolg der deutschen Selbstverwaltung, dass Ärzte und Patienten Mitverantwortung an der Wirtschaftlichkeit des Systems hätten, betonte Müller. Die derzeitige Mischpreiskalkulation sei aber immer noch kein Garant für eine wirtschaftliche Verordnung. Das sieht auch Hennrich so. Seiner Ansicht nach ist die eleganteste Lösung, die Wirtschaftlichkeit für die Verhandlungen zwischen Kassen und Herstellern gesetzlich zu verankern. Für die Zukunft kann er sich außerdem vorstellen, dass es indikations- beziehungsweise nutzenorientierte Preise geben wird, sagte er.

 

Klare Preisgrenzen forderte Müller vom Gesetzgeber vor allem für Medikamente aus dem Bereich der Orphan Drugs. Derzeit neige die Industrie dazu, die vom G-BA bescheinigte relevante Therapieoption bei den Arzneimitteln für seltene Erkrankungen »als Steilvorlage für hohe Preise zu betrachten«, kritisierte er. /

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