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Großbritannen

Große Reform im Gesundheitswesen

29.03.2011  17:57 Uhr

Von Arndt Striegler, London / Großbritannien steht vor einer Gesundheitsreform. Rund 20 Milliarden Britische Pfund will die Regierung allein durch eine verschlankte Verwaltung im Gesundheitsbereich einsparen. Die Hausärzte sollen zudem mehr Kompetenzen bekommen.

Premierminister David Cameron hat die Reform des staatlichen Gesundheitswesens (National Health Service, NHS) längst zur Chefsache erklärt. »Der NHS arbeitet zu bürokratisch, zu langsam und ist zu patientenunfreundlich«, sagte Cameron, der seit 2010 an der Spitze einer Koalitionsregierung aus Konservativen und Liberalen steht. »Wir werden das Gesundheitswesen radikal modernisieren.«

 

Der erste Schritt wird die Abschaffung Hunderter lokaler Gesundheitsverwaltungen und regionaler Gesundheitsbehörden sein. Diese Stellen sind bislang dafür verantwortlich, Versorgungsangebote in den Regionen zu schaffen und den zukünftigen Bedarf zu errechnen. Sie sorgen außerdem dafür, dass die notwendigen Mittel aus dem Gesundheitsetat an die richtigen Stellen fließen. Diese Form der Verwaltung ist jedoch sehr bürokratisch.

Der 1948 gegründete NHS wird zu mehr als 90 Prozent aus Steuermitteln finanziert. Die Versicherten müssen bei einem Arztbesuch nichts zahlen, da sie über die staatliche Krankenversicherung abgesichert sind. Dabei gilt das sogenannte Primärarztsystem: Der Zugang zu Krankenhäusern beziehungsweise zu Fachärzten erfolgt stets über den Hausarzt. Fachärzte arbeiten in der Regel an Kliniken und nicht in freier Praxis.

 

Cameron möchte die rund 75 000 NHS-Hausärzte nun weiter stärken und dafür sorgen, dass sie künftig neue Kompetenzen erhalten. Sie sollen noch mehr als bislang in die Budgetverwaltung eingebunden werden. So sollen Hausärzte beispielsweise direkt bei den Kliniken oder bei ambulanten Versorgungsdiensten Leistungen für ihre Patienten einkaufen können. Das gilt auch für Pflegedienste. Zahlreiche Pilotversuche hierzu laufen bereits, ab 2013 sollen Hausärzte diese Aufgaben dann landesweit übernehmen.

 

Ärztliche Berufsverbände und Patientenverbände laufen Sturm gegen die Vorhaben der Regierung. Der britische Ärztebund (British Medical Association, BMA) kritisierte die Reformpläne als »potentiell sehr schädlich für die Zukunft der staatlichen Gesundheitsfürsorge«. Der BMA-Vorsitzende Hamish Meldrum sagte in London: »Die Regierung Cameron ignoriert fast alle Bedenken der Ärzteschaft und anderer Gesundheitsberufe, die gegen die Reformen vorgetragen wurden.« Die Reformen seien zu umfangreich, zu radikal, zu undurchdacht und zu schnell, so Meldrum. Ähnlich äußerte sich die britische Krankenpflegergewerkschaft. »Wir rechnen mit der Streichung von bis zu 27 000 Pflegestellen im NHS. Das sind schlechte Nachrichten für alle Patienten«, sagte ein RCN-Sprecher gegenüber der Pharmazeutischen Zeitung.

 

Das Londoner Gesundheitsministerium bestreitet, dass als Folge der Reformen Ärzte- beziehungsweise Krankenpflegerstellen gestrichen werden sollen. Der Premierminister hatte in der Vergangenheit mehrfach betont, »therapeutische und diagnostische medizinische Versorgungsangebote werden nicht gekürzt«. Allerdings sollen bis 2015 rund 20 Milliarden Pfund (umgerechnet rund 23 Milliarden Euro) allein durch effizienteres Arbeiten im NHS eingespart werden.

 

Auch die britische Apothekerschaft beobachtet die Reformen mit großem Interesse. »Alle gesundheitspolitischen Reformen des NHS haben direkte Auswirkungen auf die Apotheker und deren Arbeit«, sagte ein Sprecher des Berufsverbandes Royal Pharmaceutical Society (RPS) in London. Die NHS-Reformen könnten negative Auswirkungen auf die Arzneimittelversorgung nehmen. Täglich würden rund 1,8 Millionen Patienten in die knapp 13 000 britischen Apotheken gehen, um Rat oder Medikamente einzuholen, hieß es beim RPS. Der Apothekerverband warnte davor, die Rolle des Apothekers im britischen Gesundheitswesen aus Geldmangel zu schwächen.

 

Die Gesundheitsreform stößt auch in der Bevölkerung auf Kritik. Nach aktuellen Umfragen sorgen sich viele Patienten, als Folge der Reformpläne nicht länger schnell genug medizinisch versorgt zu werden. Am vergangenen Wochenende gingen mehr als 200 000 Menschen in London auf die Straße, um gegen den rigiden Sparkurs der Regierung zu protestieren. Dieser trifft neben dem Gesundheitssystem auch andere Sozialleistungen des Staates.

 

Von der Entwicklung profitieren könnten hingegen die privaten Krankenversicherer. Sie haben die Gunst der Stunde schnell erkannt und brachten zu Jahresbeginn neue Policen auf den Markt, die darauf abzielen, Versorgungslücken im staatlichen Gesundheitssektor zu stopfen. / 

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