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Einnahmetreue

Apotheker können viel bewirken

30.03.2010  10:44 Uhr

Von Bettina Sauer, Berlin / Durch gezielte Maßnahmen können Apotheker die Einnahmetreue ihrer Patienten verbessern – und damit den Krankheitsverlauf. Darauf deuten Studien hin, die die Arzneimittelkommission Deutscher Apotheker (AMK) bei ihrer letzten Sitzung diskutierte.

»Die beste Medizin ist wirkungslos, wenn sie nicht eingenommen wird.« Das betonte Professor Dr. Ulrich Laufs, Kardiologe am Universitätsklinikum des Saarlands, in seinem Vortrag bei der Sitzung der Arzneimittelkommission Deutscher Apotheker (AMK) im März in Berlin. Doch allzu viele Patienten zeigten nur eine unzureichende Einnahmetreue (»Adhärenz« – der Begriff ersetzt zunehmend den der »Compliance«), und das wiederum senke die Wirksamkeit der Therapie, erhöhe also das Risiko für Krankheitskomplikationen und Tod.

»Mehrere groß angelegte klinische Studien und Register bestätigen diese Zusammenhänge«, sagte Laufs. Eine davon veröffentlichten israelische Forscher um Dr. Varda Shalev von der Universität in Tel Aviv 2009 in den »Archivs of Internal Medicine«. Sie umfasst fast 230 000 Erwachsene, die alle mehrere Jahre lang cholesterol­senkende Statine verordnet bekamen, um dem erstmaligen oder erneuten Auftreten einer koronaren Herzkrankheit vorzubeugen. Die statistische Auswertung der Forscher belegt einen engen Zusammenhang zwischen Einnahmetreue und Überleben. So lag die Sterblichkeit der Patienten mit der geringsten gemessenen Adhärenz (die ihre Medikamente in weniger als 10 Prozent des Untersuchungszeitraums einnahmen) ungefähr doppelt so hoch wie bei den Patienten mit der höchsten Adhärenz (Einnahme an mehr als 90 Prozent des Zeitraums).

 

»Deshalb ist es möglicherweise sogar wichtiger, Strategien zur Besserung der Einnahmetreue zu entwickeln, als nach neuen medikamentösen Wirkprinzipien zu suchen«, kommentierte Laufs. Grundsätzlich gebe es dafür schon einige Ansätze mit belegtem Nutzen: Klare – am besten schriftliche – Regeln zur Einnahme der Medikamente, die Bevorzugung von Kombinationspräparaten gegenüber mehreren Einzelsubstanzen und regelmäßige, gezielte Beratungsgespräche. »Dabei sollen Heilberufler auf die Bedeutung der Einnahmetreue hinweisen und Probleme der Patienten mit ihren Medikamenten erfragen.« So lasse sich eine schlechte Adhärenz oft auf Nebenwirkungen oder Anwendungsprobleme zurückführen. Möglicherweise könnten Heilberufler sogar die Aufzeichnungen der Patienten zum Therapieverlauf sichten und anhand von mitgebrachten Arzneimittelschachteln den Medikamentenverbrauch kontrollieren. »Alles das gelingt natürlich nur auf Basis eines guten Vertrauensverhältnisses.«

 

Bedeutung der Apotheker

 

Laufs spricht dabei den Apothekern eine zentrale Rolle zu: »Mehrere Studien zeigen, dass sie durch regelmäßige Interventionen die Einnahmetreue von Patienten deutlich verbessern – und damit den Nutzen der Therapie und die Lebenserwartung.« Eine dieser Untersuchungen veröffentlichten Forscher um Dr. Jennifer Wu von der Chinesischen Universität in Hongkong 2006 im »British Medical Journal« (Doi: 10.1136/bmj.38905.447118.2F). Daran nahmen rund 450 Patienten teil, die alle aufgrund chronischer Krankheiten mindestens fünf Medikamente dauerhaft verordnet bekamen. Die eine Hälfte diente als Kontrollgruppe, die andere erhielt regelmäßig eine etwa 15-minütige telefonische Beratung durch einen Apotheker, um Fragen und Probleme bezüglich der Arzneimitteltherapie zu klären. Nach zwei Jahren zeigten in dieser Gruppe deutlich mehr Patienten eine gute Einnahmetreue als in der Kontrollgruppe. Zudem verstarben in Letzterer 17 Prozent der Teilnehmer während des Untersuchungszeitraums, in der vom Apotheker betreuten Gruppe dagegen nur 11 Prozent.

 

Eine zweite Studie, die Laufs vorstellte, stammt von US-amerikanischen Forschern um Dr. Jeannie Lee vom Walter Reed Army Medical Center in Washington und erschien 2006 in »JAMA« (Doi:10.1001/jama.296.21.joc60162). Daran nahmen 200 ältere Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen teil, die alle vier und mehr Medikamente in Dauertherapie benötigten. Die Hälfte von ihnen suchte alle zwei Monate eine Apotheke auf, wo sie jeweils eine arzneimittelbezogene Beratung erhielten. Zudem bekamen sie dort ihre Medikamente für die Zeit bis zum nächsten Termin individuell portioniert ausgehändigt. Nach einem Jahr zeigten über 95 Prozent dieser Patienten eine gute Adhärenz. In der gleich großen Kontrollgruppe ohne apothekerliche Betreuung lag die Rate dagegen nur bei knapp 70 Prozent. Dieser Unterschied fand auch seinen Niederschlag in der Wirksamkeit der Therapie. So zeigten sich bei den Patienten in der betreuten Gruppe am Ende der Studie deutlich bessere Blutdruck-, beziehungsweise Cholesterolwerte als bei denen der Kontrollgruppe.

 

Gestützt auf diese Ergebnisse, plädierte Laufs für apotheker-basierte Programme, um die Einnahmetreue zu verbessern. »Dabei denke ich insbesondere an ältere Menschen mit Herzinsuffizienz, aber auch anderen chronischen Krankheiten und Polymedikation.« Diese Überlegungen fanden unter den Zuhörern großen Anklang. Nun wird weiter beraten, ob und mit welchem Studiendesign sich der Nutzen eines solchen apothekerlichen Engagements in Deutschland überprüfen lässt. /

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