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Diabetesforschung

Pharmazeutin erhält hohe Auszeichnung

20.03.2012  16:50 Uhr

Von Sven Siebenand / Die Zerstörung der insulinproduzierenden Betazellen ist die zentrale Ursache für das Auftreten von Diabetes. Mittlerweile weiß man, dass Entzündungsfaktoren maßgeblich am Zelluntergang beteiligt sind. Mit entzündungshemmenden Therapien könnte man die Betazelle schützen und damit erstmals Medikamente finden, die eine kurative Diabetesbehandlung ermöglichen. Für Arbeiten auf diesem Gebiet hat die Apothekerin Professor Dr. Kathrin Maedler von der Universität Bremen nun den Paul-Ehrlich- und Ludwig-Darmstaedter-Nachwuchspreis 2012 erhalten.

Maedler erhielt diese hohe Auszeichnung für ihre »innovativen und neuen Ansätze zum Verständnis von apoptotischen Prozessen bei der Entstehung von Typ-2-Diabetes«, so die Begründung des Stiftungsrates der Paul-Ehrlich-Stiftung. Und das ist nicht mal die ganze Wahrheit. Denn auch auf die Behandlung von Typ-1-Diabetes könnten ihre Arbeiten eines Tages einen bedeutenden Einfluss haben.

 

Entzündung lässt Betazellen absterben

 

Maedler arbeitet mit ihrem Team an der Universität Bremen unter anderem mit isolierten humanen Inselzellen. Die Forscher fanden heraus, dass Zellen, die mit hohen Glucose- und/oder Fettsäurekonzentrationen behandelt wurden, Entzündungsfaktoren produzieren und damit das Absterben der Betazellen auslösen. Zwei wichtige »Täter« ließen sich so identifizieren: zum einen Interleukin-1beta (IL-1β), zum anderen Interferon-γ inducible factor (IP-10, CXCL10). »Beide Faktoren lösen den Betazelltod aus, IL-1β durch Zucker und Fett induziert, CXCL10 wahrscheinlich eher durch eine Überreaktion des Immunsystems«, erklärt Maedler gegenüber der Pharmazeutischen Zeitung. Und: Beide Substanzen lassen sich sowohl mit der Entstehung von Typ-1-Diabetes als auch von Typ-2-Diabetes in Verbindung bringen.

Bei ihren Untersuchungen konnten die Wissenschaftler die entzündlichen Marker in allen untersuchten pathologischen Gewebsschnitten messen. Mit CXCL10 fand Maedlers Forschergruppe gar einen prognostischen Marker für die Frühform von Typ-2-Diabetes. »CXCL10 lässt sich im Mausmodell schon vor dem Diabetesausbruch nachweisen.« Auch im Serum von Patienten im Prädiabetes-Stadium war CXCL10 anzutreffen. Maedler hält es daher für einen sehr interessanten Biomarker. »Ob zu diesem Zeitpunkt die Betazellmasse schon verändert ist, kann man im Falle des humanen Diabetes noch nicht sagen«, Screeningmethoden für die nicht invasive Messung der Betazellmasse seien aber auch in der Bremer Forschergruppe bereits in der Entwicklung.

 

Schutz der Betazellen ist möglich

 

Bisher behandelt man beim Diabetes mellitus nur den erhöhten Blutzuckerwert, nicht aber die Krankheitsursache. Die Neutralisierung entzündlicher Faktoren wäre ein völlig neuer Ansatz in der Diabetestherapie. »Damit könnte man es schaffen, das Überleben der Betazelle zu verbessern«, so Maedler.

Zur Person

Professor Dr. Kathrin Maedler (geborene Dempe) ist 1971 in Zwickau geboren. Sie wuchs in der DDR auf und absolvierte nach der Wende ihr Pharmaziestudium in Wien. Ihre Approbation zur Apothekerin erhielt sie 1998. Maedler spezialisierte sich 1999 in Klinischer Pharmazie und promovierte 2003 am Universitätsspital Zürich in experimenteller Diabetologie. Als Assistant-Professor leitete sie bis 2008 eine Forschergruppe am Larry Hillblom Islet Research Center der University of California in Los Angeles. Seit 2008 leitet Maedler das Laboratorium für Molekulare Diabetologie am Zentrum für Biomolekulare Interaktionen der Universität Bremen.

Mit dem natürlichen Gegenspieler von IL-1β, dem Interleukin-1-Rezeptorantagonisten (IL-1Ra), oder neutralisierenden IL-1β-Antikörpern sind schon zwei Ansätze gefunden, um IL-1β schachmatt zu setzen. Es ließ sich nicht nur bei isolierten Inselzellen nachweisen, dass IL-1Ra der Apoptose von Betazellen entgegenwirkt. Auch in Versuchen mit Mäusen, die eine zucker- und fettreiche Diät erhielten, konnte das bestätigt werden. Mittlerweile befindet sich die Gabe von IL-1Ra schon in der klinischen Prüfung – und das sehr erfolgreich. Seine Gabe über drei Monate konnte die Diabeteseinstellung verbessern.

Eine erste Pilotstudie wurde dadurch erleichtert, dass der rekombinante IL-1Ra Anakinra (Kineret®) bereits zur Behandlung der rheumatoiden Ar­thritis zugelassen ist. An der Pilotstudie gegen Typ-2-Diabetes nahmen 70 Patienten teil. Die Hälfte erhielt Anakinra, die andere eine wirkstofflose Kontrolle. Nach dreizehn Wochen hatte sich der HbA1c-Wert in der mit Anakinra behandelten Gruppe um 0,46 Prozentpunkte gegenüber der mit Placebo behandelten Gruppe verbessert, die Betazellen gaben in der Anakinra-Gruppe wieder mehr Insulin ins Blut ab und die Anzeichen für eine Entzündung gingen zurück.

 

Auch die neutralisierenden IL-1β-Antikörper befinden sich bereits in der Testung beim Menschen, nachdem Tierversuche sehr erfolgreich verliefen. Die zweimal wöchentliche Injektion des Antikörpers schützte Mäuse effektiv vor Diabetes. Aktuelle Daten klinischer Studien bestätigen diese Ergebnisse.

 

Klinische Studien laufen bereits

 

Bis möglicherweise ein Medikament – auch gegen CXCL10 gerichtete Behandlungsmethoden sind in der Pipeline – auf den Markt kommt, wird noch einige Zeit vergehen. Die positiven Ergebnisse müssen zunächst noch in größeren Studien bestätigt werden. Bisher hat man sich jedoch schon bis zur Phase IIb der klinischen Prüfung vorgearbeitet. / 

Paul-Ehrlich- und Ludwig-Darmstaedter-Nachwuchspreis

Der im Jahr 2006 erstmals verge­bene Paul-Ehrlich- und Ludwig-Darmstaedter-Nachwuchspreis wird von der Paul-Ehrlich-Stiftung einmal jährlich an einen Nachwuchswissenschaftler verliehen, der an einer Forschungseinrichtung in Deutschland herausragende Leistungen auf dem Gebiet der bio­medizinischen Forschung erbracht hat. Die Höhe des Preisgeldes beträgt bis zu 60 000 Euro. Das Preisgeld muss vollständig forschungsbezogen verwendet werden. Die diesjährige Preisträgerin hat das Geld schon verplant. Maedler: »Wir haben neue Mechanismen im entzündlichen Geschehen in der Betazelle erkannt und wollen das Geld nutzen, solche neuartigen, jedoch eher riskanten Hypothesen, die noch im Anfangsstadium sind, zu untersuchen. Um projektbezogene Fördermittel beantragen zu können, benötigt man immer schon Resul­tate, die die Hypothesen belegen.«

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