Pharmazeutische Zeitung online
Typ-2-Diabetes

Nicht nur auf den Blutzucker schauen

20.03.2012  15:06 Uhr

Von Maria Pues, Mannheim / Diabetes mellitus Typ 2 ist mehr als ein erhöhter Blutzuckerwert. Allein den Blutzucker zu normalisieren reicht folglich nicht. Diabetologen müssen ihren Blick erweitern, fordert ein Experte.

»Die Diabetologie wird sich weiterentwickeln, wenn sie sich nicht mehr so sehr auf den Blutzucker fixiert«, sagte Professor Dr. Peter Nawroth bei einer Pressekonferenz anlässlich des Jahressymposiums der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie in Mannheim. Nawroth leitet in Heidelberg die Abteilung Innere Medizin und Klinische Chemie des Uniklinikums. Er kritisierte einen allzu starren Blick auf Blutzucker-Zielwerte, die es für die Patienten zu erreichen gelte. Häufig sei dies mit starken Eingriffen in die Privatsphäre und Einbußen in der Lebensqualität der Patienten verbunden, aber ohne Evidenz, ob die Anstrengungen auch dazu beitragen, Folgeschäden zu verhindern.

»Es gibt kein Argument für eine schlechte Blutzuckereinstellung«, sagte Nawroth. Aber es gebe entgegen der Leitlinie auch kein Argument, normnahe Werte anzustreben, also für eine besonders strenge Blutzuckereinstellung, fügte er hinzu. So träten erhöhte Blutzuckerwerte und Diabetes-Folgeerkrankungen zwar gemeinsam auf. Für eine kausale Verknüpfung der beiden Ereignisse fehlten allerdings wissenschaftliche Belege. Anders gesagt: Gute Blutzuckerwerte allein sind keine Garantie dafür, dass es nicht zu Diabetes-Folgeschäden kommt.

 

Auch andere Mechanismen untersuchen

 

Umgekehrt gilt: Die Höhe der Abweichung lässt keine Voraussagen darüber zu, in welchem Ausmaß dem Patienten welche Folgeschäden drohen. »90 Prozent der Diabetesfolgen können wir bis heute nicht erklären«, sagte Nawroth. Nur für 10 Prozent sei ein Zusammenhang von Blutzuckerwert und Diabetesdauer mit Spätschäden erkennbar. Studien belegten außerdem, dass die Senkung der bei Typ-2-Diabetikern häufig ebenfalls erhöhten Blutdruck- oder Lipidwerte mehr zur Vermeidung von Folgeschäden beitrage als die alleinige Normalisierung des Blutzuckers. Neben einer stärkeren Berücksichtigung von Patienten-Subgruppen und der Erforschung von Stoffwechselwegen, die neben dem Glucosestoffwechsel für die Entstehung von Spätschäden verantwortlich sind, leitete Nawroth da­raus eine weitere Forderung ab: Dass die Behörden keinen blutzuckersenkenden Arzneimitteln mehr eine Zulassung erteilten, zu denen es keine Daten hinsichtlich der Vermeidung von Spätschäden gebe.

 

Bereits bei der Diagnose zeigen sich laut Nawroth die Schwächen des allzu eingeschränkten Blicks auf den Blutzucker, der als der beste Parameter deklariert worden sei, mit dem man die meisten Diabetes-assoziierten Erkrankungen identifizieren könne. Menschen, die trotz einer Störung des Glucosestoffwechsels über lange Zeit einen normalen Nüchterblutzucker aufweisen, rutschten so durch das diag­nostische Raster. Einige dieser Patienten könne man jedoch über die Messung des HbA1C-Wertes identifizieren, andere mithilfe eines oralen Glucose-Toleranz-Tests.

 

Soziale Faktoren nicht vergessen

 

Häufig gerate zudem in Vergessenheit, dass Diabetes auch eine soziale Komponente hat und Faktoren wie Arbeitslosigkeit, Armut oder Depressionen Einfluss auf den Verlauf der Erkrankung nehmen. Nawroth zitierte eine US-amerikanische Studie: In dieser wurden Diabetespatienten in sehr armen Wohngegenden von Großstädten in drei Gruppen eingeteilt. Eine Gruppe musste dort bleiben, eine durfte nach Belieben verfahren und eine erhielt Gutscheine für einen Umzug in eine bessere Wohngegend.

 

Allein dies habe in der dritten Gruppe die Inzidenz für Diabetes um mehr als 20 Prozent gesenkt, und zwar ohne dass die Betreffenden dabei mehr Geld zur Verfügung gehabt hatten, berichtete Nawroth. Ärzte werden sich aus seiner Sicht künftig auch um solche sozialen Faktoren vermehrt kümmern müssen. / 

Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
 
FAQ
SENDEN
Wie kann man die CAR-T-Zelltherapie einfach erklären?
Warum gibt es keinen Impfstoff gegen HIV?
Was hat der BGH im Fall von AvP entschieden?
GESAMTER ZEITRAUM
3 JAHRE
1 JAHR
SENDEN
IHRE FRAGE WIRD BEARBEITET ...
UNSERE ANTWORT
QUELLEN
22.01.2023 – Fehlende Evidenz?
LAV Niedersachsen sieht Verbesserungsbedarf
» ... Frag die KI ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln. ... «
Ihr Feedback
War diese Antwort für Sie hilfreich?
 
 
FEEDBACK SENDEN
FAQ
Was ist »Frag die KI«?
»Frag die KI« ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums versehen, in denen mehr Informationen zu finden sind. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung verfolgt in ihren Artikeln das Ziel, kompetent, seriös, umfassend und zeitnah über berufspolitische und gesundheitspolitische Entwicklungen, relevante Entwicklungen in der pharmazeutischen Forschung sowie den aktuellen Stand der pharmazeutischen Praxis zu informieren.
Was sollte ich bei den Fragen beachten?
Damit die KI die besten und hilfreichsten Antworten geben kann, sollten verschiedene Tipps beachtet werden. Die Frage sollte möglichst präzise gestellt werden. Denn je genauer die Frage formuliert ist, desto zielgerichteter kann die KI antworten. Vollständige Sätze erhöhen die Wahrscheinlichkeit einer guten Antwort.
Wie nutze ich den Zeitfilter?
Damit die KI sich bei ihrer Antwort auf aktuelle Beiträge beschränkt, kann die Suche zeitlich eingegrenzt werden. Artikel, die älter als sieben Jahre sind, werden derzeit nicht berücksichtigt.
Sind die Ergebnisse der KI-Fragen durchweg korrekt?
Die KI kann nicht auf jede Frage eine Antwort liefern. Wenn die Frage ein Thema betrifft, zu dem wir keine Artikel veröffentlicht haben, wird die KI dies in ihrer Antwort entsprechend mitteilen. Es besteht zudem eine Wahrscheinlichkeit, dass die Antwort unvollständig, veraltet oder falsch sein kann. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung übernimmt keine Verantwortung für die Richtigkeit der KI-Antworten.
Werden meine Daten gespeichert oder verarbeitet?
Wir nutzen gestellte Fragen und Feedback ausschließlich zur Generierung einer Antwort innerhalb unserer Anwendung und zur Verbesserung der Qualität zukünftiger Ergebnisse. Dabei werden keine zusätzlichen personenbezogenen Daten erfasst oder gespeichert.

Mehr von Avoxa