Rezepturen sind eine Teamleistung |
20.03.2006 14:06 Uhr |
<typohead type="3">Rezepturen sind eine Teamleistung
von Annette van Gessel, Bonn
Begleitend zu den ZL-Ringversuchen fand das Pilotprojekt »Lernen mit den Rezeptur-Ringversuchen« statt. Ziel war es, einen Blick hinter die Kulissen zu geben und gemeinsam mit ehemaligen Ringversuch-Teilnehmern die Knackpunkte der Ergebnisse zu schulen.
2004 startete das Zentrallaboratorium Deutscher Apotheker (ZL) die Rezeptur-Ringversuche. Seitdem stößt dieses Angebot auf immer größere Resonanz und die Zahl der teilnehmenden Apotheken nimmt ständig zu. Um wiederholt aufgetretene Mängel zu thematisieren, veranstalteten die Apothekerkammer Nordrhein und die Landesapothekerkammer Rheinland-Pfalz Anfang März im Institut für Pharmazeutische Technologie der Universität Bonn eine Pilotveranstaltung mit dem Thema »Lernen mit den Rezeptur-Ringversuchen«.
Die 25 Apothekerinnen und Apotheker hatten bereits mindestens einen Rezeptur-Ringversuch des ZL mitgemacht. »Immer wieder stellen die Medien die Beratungsqualität der Apotheken infrage. Deshalb bin ich sehr dankbar, dass sich das Zentrallabor auch der Qualitätssicherung von apothekenspezifischen Dienstleistungen wie der Rezepturen verschrieben hat«, begrüßte Dr. Hartmut Schmall, Präsident der Apothekerkammer Rheinland-Pfalz die Teilnehmer. Auch BAK-Präsidentin Magdalene Linz unterstützte die Intention des Workshops: »Wir müssen die Qualität der von uns hergestellten Rezepturen unbedingt gewährleisten. In Niedersachsen werden wir alle Leiter der PTA-Lehranstalten an einen runden Tisch einladen und besprechen, wie wir gemeinsam bestehende Mängel beheben und die Situation verbessern können.«
Der wissenschaftliche Leiter des ZL, Professor Dr. Manfred Schubert-Zsilavecz, sieht in der Rezeptur eine unverzichtbare Leistung der deutschen Apotheke: »Mit maßgeschneiderten Rezepturen können Apotheken ihre Kompetenz in die Öffentlichkeit transportieren.« Derzeit werden etwa 25 Millionen Rezepturen in deutschen Apotheken hergestellt. Daraus ergeben sich für jede Apotheke im Durchschnitt jährlich 1100 Rezepturen. Eine Statistik aus Thüringer Apotheken zeigte, dass der überwiegende Teil der Rezepturen aus Salben, Cremes und Gelen besteht. In den letzten Jahren hat das ZL insgesamt etwa 1500 Rezepturen geprüft. Dabei stammten die Rezepturen entweder aus den Ringversuchen oder wurden auf Grund vermuteter Qualitätsmängel von der Arzneimittelkommission eingeschickt.
Im Jahr 2004 startete das ZL bundesweit den ersten Rezeptur-Ringversuch, an dem 990 Apotheken teilnahmen. Herzustellen war eine 0,05-prozentige Clobetasolpropionat-Creme. 2005 erweiterte das ZL den Versuch auf drei Rezepturen: 1464 Apotheken stellten letztes Jahr Hydrophile Metronidazol Creme 0,75 Prozent NRF 11.76, Triamcinolonacetonid-Creme 0,1 Prozent NRF 11.38 und Hydrochlorothiazid-Kapseln 10 mg NRF 26.3 her. Auch im Jahr 2006 sollen drei Rezepturen hergestellt werden: 0,05-prozentige Betamethasonvalerat-Emulsion, eine Lösung des Wirkstoffs Aluminiumchlorid-Hexahydrat und 0,5- oder 1-prozentiges Clotrimazol in nicht ionischer hydrophiler Creme. Hierzu haben sich bislang bereits 1099 Teilnehmer angemeldet. Das ZL prüft den Gehalt, die mikrobiologische Qualität und die galenische Beschaffenheit der eingesandten Rezepturen. Weiterhin kontrolliert es, ob die Deklaration vollständig ist. Anschließend wird der Apotheke das Ergebnis mitgeteilt und bei einem positiven Resultat ein Zertifikat ausgehändigt.
Als Konsequenz der Ergebnisse der letzten beiden Jahre werden nun begleitend zu den Ringversuchen Seminare und Vortragsveranstaltungen durchgeführt. In Hessen wird ein Pilot-Versuch für PTAs gestartet, da die stärkere Einbindung der PTAs ein unverzichtbares Element in der Qualitätssicherung sei, so Schubert-Zsilavecz. »Ich möchte Sie bitten, Botschafter für das ZL zu werden und weitere Kollegen für eine Teilnahme an den Rezeptur-Ringversuchen zu gewinnen.« Er wies darauf hin, dass die Anmeldung zum Ringversuch inzwischen auch online unter www.zentrallabor.com möglich ist und die teilnehmende Apotheke nach Abschluss des Ringversuchs acht Fortbildungspunkte erhält.
Externe Kontrolle ist unerlässlich
Professor Dr. Richard Süverkrüp, Technologe an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, machte deutlich, dass die Herstellung von Rezepturen für Apotheken ein finanzielles Verlustgeschäft bedeute. Daran könnten Apotheker nur dadurch etwas ändern, wenn sie häufig verordnete Individual-Rezepturen im Defekturmaßstab herstellen.
Der Technologe referierte über die zahlreichen Aspekte der Validierung von Rezepturen. Die meisten Apotheker seien nicht ausreichend über die Qualität der selbst hergestellten Rezepturen informiert. Die typische öffentliche Apotheke sei für instrumentelle Prüfungen weder personell noch apparativ eingerichtet. Ringversuche oder gezielte Kontrollen im Sinne des »Outsourcing« von Prüfungen seien unerlässliche Bestandteile des externen Qualitätsnachweises. In der Industrie habe sich seit Jahren ein umfangreiches Konzept zur Qualitätssicherung und -kontrolle etabliert.
Die Qualität eines Rezepturarzneimittels müsse anhand zweier Aspekte beurteilt werden: zum einen an der Qualität des Konzepts, zum anderen an der Qualität der Ausführung. Der erste Schritt sei die Plausibilitäts-Prüfung des therapeutischen Konzepts. In zahlreichen Fällen lasse sich aus der Zusammensetzung der Rezeptur kein schlüssiges Konzept ableiten. Unstimmigkeiten sollte der Apothekenleiter oder ein Apotheker auf jeden Fall im Gespräch mit dem Arzt klären.
Zur Sicherstellung der mikrobiologischen Qualität empfahl Süverkrüp, die Hygiene-Vorschriften schriftlich zu fixieren. Eine besondere Schwierigkeit bestünde darin, eine exakte Aussage über die Haltbarkeit einer Individualrezeptur zu machen. Hier liefere das NRF wertvolle Hilfen.
Zur internen Qualitätssicherung forderte Süverkrüp die Kollegen auf, die Herstellung jeder Rezeptur zu dokumentieren und dieses Protokoll vor der Abgabe der Rezeptur von einer qualifizierten Person überprüfen zu lassen. Der Technologe empfahl, das Vier-Augen-Prinzig einzuführen. So sollte eine zweite Person den Wägevorgang beobachten oder eine Umrechnung überprüfen. Auch die Anschaffung einer Rezepturwaage mit einem angeschlossenen Drucker ermögliche es, den Vorgang zu dokumentieren. Das Wägeprotokoll kann an eine Fotokopie des Rezepts geheftet und intern aufbewahrt werden.
An einem Strang ziehen
Dr. Andreas Kiefer, Vizepräsident der LAK Rheinland-Pfalz und Leiter der Sophien-Apotheke in Koblenz, berichtete über seine Erfahrungen bei der Umsetzung der BAK-Leitlinie. Aus den Leitlinien entwickelte er für die eigene Apotheke eine Verfahrensanweisung mit dem Ziel, die innerbetrieblichen Arbeitsabläufe zu verbessern. »Dazu müssen Sie unter anderem die Zuständigkeiten eindeutig festlegen, im Team den Umgang mit Fehlern besprechen und den Schulungsbedarf Ihrer Mitarbeiter ermitteln«, so Kiefer.
Er empfahl, den Kunden bei der Annahme einer Rezeptur direkt zu fragen, wann er diese benötigt. Es sei ein Fehler, der schnellen Anfertigung einer Rezeptur zu viel Gewicht beizumessen. Dann bliebe keine Zeit für notwendige Überlegungen. Kiefer warnte davor, die Plausibilitätskontrolle von einem Approbierten auf eine PTA zu delegieren. Nur erfahrene Apotheker könnten die Plausibilität prüfen. Zudem sei anschließend oft die Kommunikation mit dem Arzt nötig.
Des Weiteren sei eine gute Kommunikation der Mitarbeiter untereinander unerlässlich. Denn häufig händige nicht derjenige, der die Rezeptur angefertigt hat, diese auch dem Kunden aus. Alle müssten über den gesamten Prozess informiert sein. »Rezepturen sind immer eine Teamleistung«, resümierte Kiefer.
Vier-Augen-Prinzip beherzigen
In vielen Apotheken gehöre die Rezeptur ausschließlich in den Arbeitsbereich der PTAs und oftmals bleibe keine Zeit für Plausibilitätsprüfungen, kritisierte Dr. Holger Reimann, Leiter des NRF-Labors. Viele PTAs stellten falsche Erwartungen an maschinelle Helfer wie TopiTec oder Unguator. »Maschinen, die mischen, können keine Teilchen zerkleinern«, so Reimann. Viele Qualitätsmängel führt er auf Wägefehler zurück. »Die Analysenwaage ist die Rezepturwaage Nr. 1!«
Wer die Sicherheit bei der Herstellung erhöhen wolle, müsse jede Rezeptur konsequent planen. Dazu sollte eine individualisierte Arbeitsvorschrift mit wichtigen Details erstellt werden. Das Protokoll des Herstellungsprozesses müsse zum Beispiel enthalten, welche Waage benutzt wurde, welche Solleinwaage gefordert war und ob die Tara-Taste betätigt wurde oder nicht. Zudem mache es Sinn, die Betriebsparameter für TopiTec beziehungsweise Unguator zu notieren. Reimann plädierte ebenfalls für das Vier-Augen-Prinzip und die Freigabe der Rezeptur durch die Signatur eines Apothekers oder einer PTA. Er empfahl, das Rezepturprotokoll einen Monat, eventuell sogar ein Jahr, aufzubewahren.
Herstellung gezielt planen
Im praktischen Teil hatten die Apotheker die Aufgabe, eine von drei ausgewählten Rezepturen herstellen. Am Beispiel einer Salicylvaseline sollte modellhaft gezeigt werden, wie das Herstellungsverfahren die Teilchengröße beeinflusst. Das Ergebnis: Das Optimum der Teilchengröße ließ sich erst durch den 3-Walzenstuhl erzielen. In der Nachbesprechung ergänzte Kiefer, dass dieses Ergebnis auf andere Rezeptursubstanzen mit einer vergleichbaren Kristallgröße, wie Harnstoff, übertragbar sei.
Eine weitere Rezepturaufgabe diente als Modell für die Wirkstoffverteilung kleiner Mengen in Suspensionszubereitungen. Die Teilnehmer sollten mittels verschiedener Methoden Brillantgrün in Vaseline einarbeiten. Die Ergebnisse des Topitec bezeichnete Kiefer als »Stracciatella-Effekt«, das heißt einzelne grüne Punkte zierten die Vaseline mehr oder weniger regelmäßig. Das beste Produkt erzielten die Teilnehmer, die das Brillantgrün mit dünnflüssigem Paraffin angerieben hatten.
Aufgabe Nummer 3, die Herstellung von 30 Hydrochlorothiazid-Kapseln 2 mg, ergab sehr eindrucksvoll, dass nur eine ausreichend große Charge die erforderliche einheitliche Wirkstoffverteilung ermöglicht. Kiefers Rat: Apotheken sollten möglichst versuchen, die Einzelanfertigung von 30 Kapseln zu umgehen und stattdessen größere Ansätze herstellen.
Die Auswertung der Praktikumsergebnisse machte deutlich, dass jede Rezeptur zunächst daraufhin überprüft werden muss, mit welchem Herstellungsverfahren die besten Ergebnisse erzielt werden können. An diesen Überlegungen sollte das ganze pharmazeutische Personal des Apothekenteams beteiligt werden.