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Ein Bestell- und Abholservice für Arzneimittel in Drogeriemärkten ist unzulässig

20.03.2006  10:33 Uhr

<typohead type="3">Ein Bestell- und Abholservice für Arzneimittel in Drogeriemärkten ist unzulässig

Verwaltungsgericht Düsseldorf, Urteil vom 25. Januar 2006, Az. 16 K 5720/041

 

Zum Sachverhalt

Auf Grund einer entsprechenden Kooperationsvereinbarung mit der Europa Apotheek Venlo B. V. richtete die dm-drogerie markt GmbH + Co. KG (im Folgenden: die Klägerin) im Juni 2004 in einigen ihrer Filialen in Nordrhein-Westfalen versuchsweise einen Bestell- und Abholservice für Arzneimittel nach folgendem System ein: In den Filialen wurden Stehtische aufgestellt mit einem Einwurfschacht in der Mitte, ähnlich denen, die für die Beauftragung von Fotoarbeiten in dm-Märkten verwendet werden. Durch Werbeplakate der Europa Apotheek wurde auf diese Stände aufmerksam gemacht. An jedem Stand lag ein Produktkatalog mit zahlreichen apothekenpflichtigen, nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln aus, außerdem Bestellscheine sowie Bestelltaschen. Zur Bestellung sowohl der verschreibungspflichtigen als auch der nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel sollte der Kunde einen Bestellschein ausfüllen, den er dann, nach Abtrennung des Abholscheines, gegebenenfalls zusammen mit dem Rezept in eine der Bestelltaschen stecken, diese zukleben und in die Bestellbox einwerfen konnte. Abends wurden die Bestellungen einem Kurierfahrer übergeben, der diese in die Apotheke nach Venlo (Niederlande) brachte. Dort wurden die Arzneimittel zusammengestellt und verpackt.

 

Anschließend wurden die Pakete durch ein Logistik-Unternehmen wieder zum Drogeriemarkt gebracht, wo sie getrennt von den sonstigen Waren im Lager zur Abholung bereitgestellt wurden. Der Kunde sollte die von ihm bestellten Arzneimittel spätestens nach 72 Stunden gegen Vorlage des Abholscheines und seines Personalausweises in der dm-Filiale, in der die Bestellung aufgegeben wurde, abholen können. Alternativ konnte er sich bei der Bestellung durch Ankreuzen eines entsprechenden Kästchens auf dem Bestellschein gegen Aufpreis für eine unmittelbare Lieferung an seine Hausanschrift entscheiden. Eine Beratung zu pharmazeutischen Fragen sollte in den dm-Filialen nicht stattfinden. Der Kunde wurde jedoch auf eine Service-Telefonnummer der Europa Apotheek hingewiesen, unter der er für 6 Cent pro Gespräch Beratung erhalten konnte. Diese Hotline sollte er von der Filiale aus kostenfrei anrufen können. Die Bezahlung sollte per Überweisung oder Bankeinzug unmittelbar an die Europa Apotheek erfolgen. Bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln sollte der Preisnachlass bei 3 Prozent des empfohlenen Apothekenverkaufspreises liegen und mindestens 2,50 Euro und maximal 15 Euro pro Arzneimittel betragen. Der Rabatt bei nicht verschreibungspflichtigen, aber apothekenpflichtigen Arzneimitteln sollte bis zu 15 Prozent, maximal 15 Euro betragen.

 

Die Durchführung dieses Kooperationsmodells wurde der Klägerin vom Gesundheitsamt der Stadt Düsseldorf unter Androhung von Zwangsmitteln untersagt. Der dagegen gerichtete Widerspruch und Anträge auf die Gewährung vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutzes blieben erfolglos2. Nun bestätigte das Verwaltungsgericht diese Entscheidungen auch in der ersten Instanz im Hauptsacheverfahren.

 

Aus den Entscheidungsgründen

 

Die Klage ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO).

 

Gemäß § 69 Abs. 1 Nr. 1 des Arzneimittelgesetzes (AMG) treffen die zuständigen Behörden - das ist hier der Beklagte3 - die zur Beseitigung festgestellter und zur Verhütung künftiger Verstöße notwendigen Anordnungen. Zu den Normen, deren Einhaltung auf dieser Grundlage durch ordnungsrechtliche Maßnahmen durchgesetzt werden können, gehören neben den Vorschriften des AMG auch die apothekenrechtlichen Bestimmungen4.

 

I. Verstoß gegen die Apothekenpflicht (§ 43 AMG)

 

Der Beklagte hat der Klägerin in Ziffer 1) der Ordnungsverfügung zu Recht das InVerkehr-Bringen apothekenpflichtiger Arzneimittel untersagt, da die Durchführung des mit der Europa Apotheek vereinbarten Vertriebskonzepts einen Verstoß gegen § 43 Abs. 1 AMG darstellt.

 

Nach § 43 Abs. 1 AMG dürfen Arzneimittel, die nicht für den Verkehr außerhalb von Apotheken freigegeben sind, außer in den besonderen - hier nicht einschlägigen - Fällen des § 47 AMG, berufs- oder gewerbsmäßig für den Endverbrauch nur in Apotheken und ohne behördliche Erlaubnis nicht im Wege des Versandes in den Verkehr gebracht werden; das Nähere ist im Apothekengesetz (ApoG) geregelt.

 

Konzept ist kein »Versandhandel«

 

Da ein zulässiges In-Verkehr-Bringen in einer Apotheke ohnehin nicht vorliegt5, kommt es maßgeblich darauf an, ob es sich bei dem genannten Konzept um ein In-Verkehr-Bringen im Wege des Versandhandels handelt. Dies ist zu verneinen. Was unter Versand beziehungsweise Versandhandel im Sinne der arzneimittelrechtlichen Vorschriften zu verstehen ist, wird im Gesetz selbst nicht definiert. Auch in der Begründung zum Entwurf des Gesetzes zur Modernisierung der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Modernisierungsgesetz), auf den die jetzige Fassung des § 43 Abs. 1 AMG zurückgeht, heißt es lediglich, dass der Versandhandel und elektronische Handel mit dem Endverbraucher ermöglicht werden solle, ferner werden Bestellungen von Arzneimitteln über das Internet erwähnt, nähere Begriffsbestimmungen finden sich auch dort nicht6.

 

Zwar sind mittlerweile neben den klassischen Versandhandel eine Vielzahl anderer Vertriebsformen des Fernabsatzes getreten, dennoch ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber nicht jede Form von Fernabsatz gemeint hat, sondern nur den Versandhandel im herkömmlichen Sinne, für den gerade nicht prägend ist, dass sich ein Kunde in eine Betriebsstätte begibt, dort eine Bestellung aufgibt und schließlich in derselben Betriebsstätte die Ware abholt. Dass unter Versandhandel die nach wie vor übliche Form der Lieferung an eine vom Besteller angegebene Anschrift zu verstehen ist, legt bereits die oben genannte Begründung zu § 43 AMG im Entwurf des GKV-Modernisierungsgesetzes nahe. Denn soweit in dieser darauf abgestellt wird, dass die Zulassung des Versandhandels einschließlich des elektronischen Handels bestimmten Personengruppen entgegenkomme, handelt es sich im Wesentlichen um solche, für die aus unterschiedlichen Gründen (Alter, Krankheit, Entfernung) der Weg zur Apotheke zwecks Beschaffung von Arzneimitteln mit Umständen verbunden ist und die dementsprechend von einer Hausanlieferung profitieren.

 

Dieser Vorstellung des Gesetzgebers entspricht das hier streitige Vertriebskonzept nicht, weil die Gründe, die bei den genannten Personengruppen gegen das Aufsuchen einer Apotheke sprechen, in gleicher Weise der Abholung bestellter Arzneimittel an einem anderen Ort entgegenstehen. Auch in § 11a ApoG kommt zum Ausdruck, dass als Versand im Sinne der arzneimittelrechtlichen Vorschriften nur der Direktversand an den Endverbraucher anzusehen ist. Dort wird als Voraussetzung für die Erteilung der Erlaubnis zum Versand von apothekenpflichtigen Arzneimitteln unter anderem die Sicherstellung einer kostenfreien Zweitzustellung gefordert. Dies beinhaltet denknotwendig den fehlgeschlagenen Versuch einer (Erst-)Zustellung, das heißt der Gesetzgeber geht davon aus, dass im Versandhandel die Ware an den Endverbraucher unmittelbar zugestellt wird. Derartiges findet hier, soweit die Klägerin bei der Auslieferung der Arzneimittel eingeschaltet wird, gerade nicht statt. In diesen Fällen ist nur die Abholung durch den Besteller vorgesehen.

 

Der Umstand, dass sich nach dem Vertriebskonzept der Kunde selbst mit seinen Erklärungen auf dem Bestellschein zwischen postalischer Zustellung oder Abholung entscheidet, rechtfertigt selbst unter Berücksichtigung der Tatsache, dass auch im herkömmlichen Versand- und Internethandel die Möglichkeit besteht, die Waren an eine andere als die eigene Anschrift liefern zu lassen, kein anderes Ergebnis. Der Unterschied liegt darin, dass der Besteller im herkömmlichen Versand- und Internethandel frei ist in seiner Entscheidung, welche andere Lieferadresse er angibt. Die Angabe derartiger Lieferadressen kann unter anderem dann interessant sein, wenn der Kunde die Lieferung unter dieser Adresse selbst entgegennehmen will, weil er dort arbeitet oder sich aus anderen Gründen dort aufhält oder wenn es sich um die Adresse eines Verwandten oder Bekannten handelt, der die Ware für ihn entgegen- nehmen soll.

 

Vergleichbare Möglichkeiten bestehen nach dem Vertriebskonzept der Klägerin allenfalls ausnahmsweise und verbunden mit zusätzlichen Kosten, zudem nur bezüglich einer Anschrift, unter der sich der Kunde selbst aufhält. In der Regel steht dagegen von vornherein als Lieferadresse die eines ganz bestimmten Drogeriemarktes fest. Im Vordergrund stehen hierbei nicht die Interessen des Kunden, vielmehr soll durch den über Bestellung und Abholung der Arzneimittel gebotenen Anreiz, Portokosten einzusparen, eine verstärkte Kundenpräsenz in den Märkten der Klägerin erzielt werden. Bei dieser Konstellation wird die Klägerin bei der Auslieferung der Arzneimittel zusätzlich zu dem für den Transport zuständigen, von der Europa Apotheek beauftragten Unternehmen in den Verkehr mit Arzneimitteln eingebunden. Die Zustellung erfolgt damit nicht an den Endverbraucher direkt (oder eine von diesem autonom bestimmte Lieferadresse), sondern an die Klägerin. Der Versand findet lediglich zwischen der Apotheke und der dm-Filiale statt, nicht aber zwischen Versandhändler und Endverbraucher. Da mit der Übergabe der Arzneimittel an die Bediensteten der Klägerin der Arzneimittelversand abgeschlossen ist, liegt die zu einem späteren Zeitpunkt in den Geschäftsräumen der Klägerin erfolgende Aushändigung der Arzneimittel an den jeweiligen Besteller (Endverbraucher) außerhalb des Transportvorganges und kann nicht mehr dem Versandvorgang zugeordnet werden.

 

Keine verfassungs- oder europarechtlichen Bedenken

 

Die Anwendung der den Arzneimittelversand an den Endverbraucher zulassenden Bestimmungen auf den vorliegenden, von einem Versandhandel deutlich zu unterscheidenden Vertriebsweg ist auch im Hinblick auf verfassungsrechtliche und europarechtliche Prämissen nicht geboten.

 

Die Gemeinwohlbelange des Gesundheitsschutzes, insbesondere die Arzneimittelsicherheit und Versorgungssicherheit, die grundsätzlich die restriktiven Reglementierungen im Arzneimittelhandel rechtfertigen, rechtfertigen auch hier eine unterschiedliche Behandlung des Versandhandels und des zwischen der Klägerin und der Europa Apotheek vereinbarten Konzepts. Anders als beim Versandhandel wird bei der hier vorliegenden Vertriebsform das Apothekenmonopol durchbrochen, da die Abgabe nicht mehr in oder von Apotheken erfolgt, sondern in einer anderen Betriebsstätte, die keine Apotheke oder zugelassene Apotheken-Filiale ist und die damit den vor allem dem Gesundheitsschutz dienenden strengen Anforderungen an die personelle und räumliche Ausstattung nicht unterliegt und auch nicht entsprechend zu kontrollieren ist. Die hier streitige Vertriebsform beinhaltet regelmäßig die Lagerung der an die Klägerin gelieferten Arzneimittel in deren Räumlichkeiten. Dabei ist anders als in einem Postlager bei dem von der Klägerin gemeinsam mit der Europa Apotheek unterhaltenen Lager auch für Dritte ohne weiteres erkennbar, dass dort ausschließlich Arzneimittel lagern, darunter auch verschreibungspflichtige. Dass derartige öffentlich bekannte Lager Missbrauchsgefahren in einem deutlich stärkeren Maß ausgesetzt sind als dies bei einer vereinzelten Aufbewahrung von zunächst nicht zustellbaren Päckchen in der Postfiliale der Fall ist, liegt auf der Hand.

 

Im Hinblick auf Art. 28, 30 des EG-Vertrages ist eine Erstreckung der Begriffe Versand und Versandhandel auf die hier streitige Vertriebsform ebenfalls nicht geboten. Das Verbot der Vertriebsform der Klägerin beinhaltet keine Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Einfuhrbeschränkung. Mit der Zulassung des Versandhandels durch §§ 43, 73 AMG ist der deutsche Markt auch für ausländische Apotheken zugänglich - mit Ausnahme der wegen besonderer Risiken vom erlaubten Versandhandel generell ausgenommenen Mittel (zum Beispiel Betäubungsmittel). Das andere Vertriebsformen als diesen Versandhandel betreffende Vertriebsverbot ist nicht produktbezogen. Es gilt für den Absatz in- und ausländischer Produkte gleichermaßen. Es bezieht sich ausschließlich auf den Vertrieb und betrifft insoweit alle Marktteilnehmer in gleicher Weise. Hinzu kommt, dass die hier zu beurteilende maßgebliche Tätigkeit durch die Inanspruchnahme der Drogeriefilialen ins Inland verlagert ist. Insoweit lassen sich kein Unterschied und keine Benachteiligung gegenüber inländischen Konkurrenten feststellen, denen es ebenfalls nicht gestattet ist, ein bundesweites Filialnetz zur Auslieferung von Arzneimitteln aufzubauen.

 

In-Verkehr-Bringen durch die Klägerin selbst

 

Die Untersagungsverfügung wurde auch zu Recht an die Klägerin gerichtet, da diese die Arzneimittel in ihren Filialen in Verkehr bringt beziehungsweise bringen lässt. InVerkehr-Bringen ist nach § 4 Abs. 17 AMG das Vorrätighalten zum Verkauf oder zu sonstiger Abgabe, das Feilhalten, das Feilbieten und die Abgabe an andere. Unter dem Begriff Abgabe ist die Einräumung der tatsächlichen Verfügungsgewalt7 an einen anderen durch körperliche Überlassung des Arzneimittels zu verstehen, das heißt die Besitzeinräumung im Sinne einer Übertragung der tatsächlichen Verfügungsgewalt. Durch die Aushändigung der Arzneimittel wird dem Empfänger die tatsächliche Verfügungsgewalt übertragen, die Aushändigung ist demnach eine Abgabe im oben genannten Sinne. Diese Aushändigung erfolgt in den Geschäftsräumen der jeweiligen Filialen der Klägerin und stellt sich damit als In-Verkehr-Bringen durch die Klägerin dar.

 

Auch wenn in der zwischen der Europa Apotheek und der Klägerin getroffenen Vereinbarung (§ 1) die Funktion der Klägerin als die eines von der Europa Apotheek beauftragten Logistikunternehmens bezeichnet wird, geht diese Tätigkeit der Klägerin tatsächlich über die bloße - botenähnliche - Einbindung in den Arzneimittelvertrieb der Europa Apotheek hinaus. Die Klägerin ist im Zeitpunkt der Aushändigung der von der Europa Apotheek gelieferten Arzneimittel an den Endverbraucher nicht bloßer Besitzdiener im Sinne des § 855 BGB. Charakteristisch für den Besitzdiener ist eine nach außen erkennbare Weisungsabhängigkeit. Eine solche ist nur zu bejahen, wenn der Besitzdiener in einen Haushalt oder ein Erwerbsgeschäft eines anderen oder ein ähnliches Verhältnis eingeordnet ist und der sog. Besitzherr jederzeit selbst eingreifen kann. Dagegen fehlt bei nur vertraglichen Verpflichtungen, insbesondere bei schuldrechtlichen Aufbewahrungs-, Bearbeitungs- oder Verwaltungspflichten eines Unternehmens gegenüber einem anderen Unternehmen es an der besitzrechtlichen Weisungsabhängigkeit und an der Eingliederung in eine fremde Organisation. Derartige schuldrechtliche Verpflichtungen sind vielmehr charakteristisch für den so genannten Besitzmittler, der selbst unmittelbarer Besitzer ist.

 

Die Klägerin ist gegenüber der Europa Apotheek vertraglich nur verpflichtet, die Arzneimittel so lange aufzubewahren, bis sie der Kunde abholt, sie ist auch nicht in die Organisation der Europa Apotheek eingegliedert. Die Bestellannahme und die Abholung der Arzneimittel ist nur während der Öffnungszeiten der dm-Filiale möglich. Auf die Öffnungszeiten hat die Europa Apotheek aber keinen Einfluss. Auch über das Hausrecht und damit die Zugangsmöglichkeiten der Verbraucher entscheidet die Klägerin allein. Darüber hinaus werden sämtliche, für den Endverbraucher erkennbaren Tätigkeiten von dm-Mitarbeitern ausgeübt. Diese Tätigkeiten sind auch nicht auf rein mechanische Dienste beschränkt, vielmehr prüfen die dm-Mitarbeiter bei der Abholung, ob die Kunden zur Entgegennahme des Arzneimittels berechtigt sind. Zu diesem Zwecke müssen die Kunden sowohl ihren Abholschein als auch ihren Personalausweis dem Mitarbeiter vorzeigen. Soweit überhaupt Sicherheitsvorkehrungen zur Vermeidung eines Zugriffs Unbefugter auf die Arzneimittelsendungen ergriffen werden, werden diese Vorkehrungen vom Personal der Klägerin getroffen und überwacht. Auf all diese Vorgänge hat die Europa Apotheek unmittelbar keinen Einfluss.

 

Die Klägerin wird daher mit der Auslieferung der Arzneimittel durch das den Transport durchführende Logistikunternehmen unmittelbarer Besitzer. Die Arzneimittel werden deshalb durch die Klägerin selbst an die Endverbraucher abgegeben. Dasselbe ergibt sich auch aus der Verkehrsanschauung. Die Klägerin übernimmt in Zusammenhang mit dem Arzneimittelabgabeservice aus Sicht des Endverbrauchers eine aktive Rolle. Aus dessen Sicht findet in den Filialen der Klägerin keine Post- oder Paketausgabe statt, vielmehr entsteht der Eindruck, dass es sich um eine spezielle Arzneimittel-Abholstelle handelt. Darüber hinaus liegt es auch für den Verbraucher auf der Hand, dass die Klägerin mit der Einrichtung dieses Services völlig andere Interessen verfolgt als die eines Logistikunternehmens.

 

II. Verstoß gegen das Verbringungsverbot (§ 73 AMG)

 

Ebenfalls hat der Beklagte der Klägerin zu Recht untersagt, sich durch Kooperation mit der Europa Apotheek an einem rechtswidrigen Verbringen zulassungspflichtiger Arzneimittel entgegen § 73 Abs. 1 AMG in die Bundesrepublik Deutschland zu beteiligen (Ziffer 2) der Ordnungsverfügung).

 

Nach § 73 Abs. 1 Nr. 1a AMG dürfen zulassungspflichtige Arzneimittel nur in den Geltungsbereich des Arzneimittelgesetzes verbracht werden, wenn sie im Falle des Versandes an den Endverbraucher von einer Apotheke eines Mitgliedstaates der EU entsprechend den deutschen Vorschriften zum Versandhandel versandt werden. Da aber, wie bereits oben ausgeführt, die Weiterleitung der Arzneimittel von der Europa Apotheek an die Filialen der Antragstellerin nicht als Versand an den Endverbraucher zu qualifizieren ist und auch die weitere Ausnahme des Abs. 1 Nr. 1 nicht eingreift, wonach der Empfänger im Fall des Verbringens von Arzneimitteln aus einem Mitgliedstaat der EU pharmazeutischer Unternehmer, Großhändler oder Tierarzt sein oder eine Apotheke betreiben muss, gilt das generelle Verbringungsverbot des § 73 AMG, so dass es geboten ist, der am unzulässigen Verbringen der Arzneimittel mitbeteiligten Antragstellerin ein solches Vorgehen zu untersagen.

 

Die Anordnung ist hinreichend bestimmt, auch wenn der Tenor eher einen Gesetzesverstoß beschreibt als konkret von der Klägerin vorzunehmende oder zu unterlassende Handlungen. Sowohl aus der Begründung der angegriffenen Verfügung als auch aus der des Widerspruchsbescheides ergibt sich hinreichend deutlich, dass sich die Verfügung auf Einrichtung und Betrieb der Abholstellen in Drogeriemärkten in der von der Klägerin konkret praktizierten Weise bezieht.

 

III. Unerlaubte Rezeptsammlung (§ 24 ApBetrO)

 

Auch in Bezug auf Ziffer 3) der angefochtenen Verfügung, mit der der Klägerin untersagt wird, am Verkehr mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln für den Endverbrauch teilzunehmen, indem sie berufs- und gewerbsmäßig Verschreibungen entgegen den Bestimmungen des 7. Abschnitts des Arzneimittelgesetzes sammelt, erweist sich die angefochtene Verfügung als rechtmäßig.

 

Die Abgabe vn Arzneimitteln ist im 7. Abschnitt des Arzneimittelgesetzes (§§ 43 ff) geregelt; außer den dort genannten Verkehrskreisen ist es keinem anderen erlaubt, am Verkehr mit Arzneimitteln teilzunehmen. Das berufs- oder gewerbsmäßige Sammeln von ärztlichen Verschreibungen ist eine Teilnahme am Verkehr mit Arzneimitteln. Derartiges fand bis zum Erlass der Untersagungsverfügung in den Geschäftsräumen der Klägerin statt. Auf Grund der Kooperationsvereinbarung mit der Europa Apotheek erstreckte sich die Tätigkeit der Klägerin unter anderem auch darauf, die in eine verschließbare, gegen unautorisierte Entnahme gesicherte Box eingelegten Bestellungen und Rezepte gesammelt an die Europa Apotheek weiterzuleiten.

 

Ein solches berufs- oder gewerbsmäßiges Sammeln von ärztlichen Verschreibungen ist mit den Vorschriften des 7. Abschnitts des Arzneimittelgesetzes und den diese Regelungen weiter konkretisierenden Vorschriften der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) nicht vereinbar. Hiernach dürfen Einrichtungen zum Sammeln von Verschreibungen (Rezeptsammelstellen) nur von Apotheken unterhalten werden und auch dies nur unter den engen Voraussetzungen des § 24 ApBetrO. So dürfen nach § 24 Abs. 2 ApBetrO Rezeptsammelstellen nicht in Gewerbebetrieben unterhalten werden. Als Betreiberin von Drogeriemärkten ist es der Klägerin demnach nicht gestattet, selbst Verschreibungen zu sammeln. Diese Regelungen über die Rezeptsammelstellen sind auch trotz der zwischenzeitlich erfolgten gesetzlichen Zulassung des Versandhandels weiterhin anwendbar, zumal sie dadurch keinesfalls überflüssig geworden sind; vielmehr dienen sie auch weiterhin der Sicherstellung der Arzneimittelversorgung, insbesondere im Hinblick auf die vom Versandhandel ausgenommenen und die zum Versand ungeeigneten Arzneimittel sowie zur Komplett- und Akutversorgung der Menschen gerade in abgelegenen Ortschaften oder Ortsteilen.

 

Ziffer 3) der angegriffenen Verfügung ist auch nicht inzwischen dadurch gegenstandslos geworden, dass die Klägerin mitgeteilt hat, nunmehr nur noch die Bestellungen für nicht rezeptpflichtige Arzneimittel für die Europa Apotheek zu sammeln und im Übrigen ihre Kunden auf den Postweg zu verweisen. Da nach dem mit der Europa Apotheek vereinbarten Konzept die Bestellungen in verschlossenen Umschlägen in die in den Filialen aufgestellten Behälter geworfen werden, kann die Klägerin praktisch gar nicht beeinflussen, welche Bestellungen bei ihr gesammelt werden. Im Übrigen bezieht sich das gesetzliche Verbot, Rezeptsammelstellen zu unterhalten, allgemein auf das Sammeln von Verschreibungen, da sich Rezepte sowohl auf verschreibungspflichtige als auch auf lediglich apothekenpflichtige Arzneimittel beziehen können und der Patient häufig nicht weiß, in welche Kategorie das ihm verschriebene Medikament gehört.

 

Ermessensfehler sind ebenfalls nicht ersichtlich. Vor dem Hintergrund einer effektiven Gefahrenabwehr begegnet es insbesondere keinen Bedenken, dass der Beklagte die Klägerin in Anspruch genommen hat.

 

IV. Angemessene Zwangsmittel zur Durchsetzung

 

Rechtliche Bedenken gegen die in der angefochtenen Verfügung enthaltene Androhung von Zwangsgeldern bestehen ebenfalls nicht. Sie findet ihre Rechtsgrundlage in §§ 55, 57, 60 und 63 VwVG. Die für die einzelnen Verstöße angedrohten Zwangsgelder sind auch der Höhe nach nicht unangemessen.

 

Gründe für die Zulassung der Berufung nach §§ 124a Abs. 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 VwGO liegen nicht vor.

Fußnoten

<typolist type="1">

Erhältlich unter www.nrwe.de ­- Rechtsprechungsdatenbank des Landes NRW

vergleiche OVG NRW, Beschluss vom 19. August 2005 ­- 13 B 426/05 - ­ PZ 2005 S. 3108

vergleiche § 1 Abs. 1 der Verordnung über Zuständigkeiten im Arzneimittelwesen und nach dem Medizinproduktegesetz ­ SGV NRW 2121

vergleiche BVerwG, Urteil vom 22. Januar 1998 - ­ 3 C 6.97 - ­ BVerwGE 106, 141, 143

vergleiche OVG NRW, oben Fn. 2

vergleiche Bundestags-Drucksache 15/1525 zu Art. 23, S. 165

vergleiche Kloesel/Cyran, Arzneimittelrecht, Kommentar, Ziffer 57 zu § 4 AMG

 

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