Arzneispezialisten aus Fernost |
17.03.2006 09:42 Uhr |
<typohead type="3">Arzneispezialisten aus Fernost
von Paul U. Unschuld, München
Die Chinesische Pharmaziegeschichte fristet in westlichen Geschichtsbüchern ein eher bescheidenes Dasein. Dabei ist sie mindestens so facetten- und datenreich wie die europäische Geschichte der Pharmazie. Das belegt eine kürzlich in China erstmals gedruckte Handschrift von 1591. Mit ihren zahlreichen Illustrationen gestattet sie seltene Einblicke in eine längst vergangenen Epoche.
Die Arzneikunde, nicht die Akupunktur, ist seit prähistorischen Zeiten der wichtigste Teilbereich chinesischer Heilkunde. In den ältesten heute vorhandenen medizinischen Schriften der chinesischen Antike, den Mawangdui-Handschriften aus dem frühen 2. Jahrhundert v. Chr., beweist die chinesische Pharmazie in einer faszinierenden Vielfalt der verwendeten Substanzen, der Indikationen und Rezepturen ihren bereits damals sehr hohen Entwicklungsstand. Früher als in der europäischen Antike, ist der Stand der Arzneikunde aus greifbaren Primärquellen ersichtlich. Nicht zuletzt die pharmazeutische Technologie, die in den Handschriften beschrieben ist, beeindruckt durch die große Anzahl der Verfahrensweisen, die der Verarbeitung der Rohdrogen zu Arzneidrogen und der Arzneidrogen zu unterschiedlichen Arzneiformen dienten. Ein differenziertes Vokabular rundet dieses Bild ab. Viele Arzneibücher und Rezeptbücher aus allen Jahrhunderten sind im Original oder in umfangreichen Zitaten erhalten und erlauben es, die Dynamik der weiteren Entwicklung bis ins Detail zu verfolgen. Dennoch gibt es immer wieder Überraschungen.
Ein privater Verlag in Peking hat kürzlich das Bu yi Lei gong pao zhi bian lan, die »Erweiterten pharmazeutischen Aufbereitungsverfahren des Lei gong, zur bequemen Einsicht«, kurz: Bu yi, in einer perfekten Faksimile-Ausgabe in einer kleinen Auflage von 300 Ausgaben in einer Nachbildung des ursprünglichen Holzkastens auf den Markt gebracht. Die Existenz dieses 1591 in nur einer einzigen Fassung angefertigten handschriftlichen Werks war bis vor kurzem völlig unbekannt. Vermutlich waren es kaiserliche Hofmaler, die mit diesem kostbaren Arzneibuch ihr Können auf eindrucksvolle Weise demonstrierten. In 14 Kapiteln illustrierten sie 957 aus älteren Werken übernommene Drogenmonografien mit 1162 farbigen Abbildungen.
Das Bu yi ist das erste Buch Chinas, das speziell der Abbildung pharmazeutischer Aufbereitungsverfahren gewidmet ist. Es zeigt eine Fülle von Geräten, zum Beispiel Messer, Mörser und Reibschalen, Sägen, Töpfe, Schmelzöfen, Herde, Aufbewahrungsgefäße, Dämpfvorrichtungen, Arzneiwaagen, Bambussiebe und Trocknungsgestelle ebenso wie die Durchführung des Säuberns und Aussortierens, Trocknens, Zerschneidens, des Verreibens und Zerstoßens, der Aufbereitung mit Wasser, mit Feuer sowie mit Wasser und Feuer. Erstmals wurden auch die menschlichen Arzneidrogen illustriert. Die Künstler vermittelten in ihren Zeichnungen darüber hinaus reiches Anschauungsmaterial zu den Sitten, der Kleidung und auch Haushaltsgegenständen wie Tischen und Sitzgelegenheiten ihrer Zeit.
Professor Dr. Paul U. Unschuld ist seit 1986 Inhaber des Lehrstuhls für Geschichte der Medizin an der Universität München. Er zählt zu den wenigen Wissenschaftlern Europas, die sich der chinesischen Pharmaziegeschichte gewidmet haben.
Anschrift des Verfassers:
Professor Dr. Paul U. Unschuld
Universität München
Institut für Geschichte der Medizin
Lessingstraße 2
80336 München