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Antiemetika

Ohne Erbrechen durch die Chemo

12.03.2014  10:06 Uhr

Von Annette Mende, Berlin / Vor Einführung moderner Antiemetika war Erbrechen eine überaus belastende, teils sogar therapie­limitierende Nebenwirkung bestimmter Chemotherapeutika. Heute kann bei den meisten Krebspatienten das Erbrechen verhindert werden. Eine Onkologin gab beim Deutschen Krebskongress einen Überblick über die leitliniengerechte Antiemese sowie neue Entwicklungen.

5-HT3-Antagonisten wie Ondansetron oder Palonosetron, Corticosteroide wie Dexamethason und Neurokinin-(NK)-1- Rezeptorantagonisten wie Aprepitant sind die Wirkstoffgruppen, aus denen sich die antiemetische Therapie bei Tumorpatienten in der Regel zusammen­setzt. Daneben kommt auch Meto­clopramid noch so häufig zum Einsatz, »als ob es in den Wasserleitungen der Kliniken zu finden wäre«, sagte Privatdozentin Dr. Karin Jordan vom Uniklinikum Halle an der Saale. Der Dopamin-D2-Antagonist sei aber als Erstlinien-Medikament laut Leitlinie gar nicht mehr indiziert, so die Palliativmedizinerin.

 

Emetogenes Potenzial

 

Die Antiemese bei Chemotherapie richtet sich nach der Emetogenität des verabreichten Zytostatikums. Dabei ist der Wirkstoff mit dem höchsten emeto­genen Potenzial führend für die anti­emetische Therapie. Als hoch emetogen werden Zytostatika eingestuft, die ohne Antiemese bei mehr als 90 Prozent der Patienten Erbrechen auslösen, beispielsweise Cisplatin, Carmustin und Dacarbazin.

 

Moderat emetogen sind unter anderem Carboplatin, Cyclophosphamid, Doxorubicin, Ifosfamid, Oxaliplatin, Irinotecan, Azacitidin und Bendamustin. Diese Substanzen lösen bei 30 bis 90 Prozent der Patienten Erbrechen aus. Unter den gering emetogenen Wirkstoffen Etoposid, Gemcit­abin, 5-Fluorouracil (5-FU), Docetaxel, Paclitaxel, Cetuximab, Bevacizumab, Alemtuzumab, Catumaxomab und Panitumumab müssen sich 10 bis 30 Prozent der Patienten übergeben. Ein minimales emetogenes Poten­zial von unter 10 Prozent haben Vinca-­Alkaloide und Bleomycin.

 

Bei hoch emetogener Chemotherapie sollten Patienten gegen akutes Erbrechen am Behandlungstag einen 5-HT3-Antagonisten, 12 mg Dexamethason sowie 125 mg Aprepitant erhalten, so Jordan. Gegen das verzögerte Erbrechen sollte die Behandlung mit zweimal täglich 8 mg Dexamethason plus einmal täglich 80 mg Aprepitant fortgesetzt werden. Bei moderat emetogener Chemotherapie sollten am Behandlungstag Palonosetron plus 8 mg Dexamethason gegeben werden, danach 8 mg Dexamethason einmal am Tag. »Unter gering emetogener Chemo­therapie ist ein Steroid zur Prävention der akuten Emesis absolut ausreichend«, sagte die Ärztin.

 

Erbrechen nach Bestrahlung

 

Dass auch eine Radiotherapie Erbrechen auslösen kann, wird in der Praxis laut Jordan »gerne mal übersehen«. Dabei hat etwa eine Bestrahlung des oberen Abdomens ein moderat emetogenes Potenzial und kann damit genauso häufig Erbrechen auslösen wie die meisten Zytostatika. In diesen Fällen sollte Jordan zufolge zur Antiemese ein 5-HT3-Antagonist plus optional Dexamethason gegeben werden, und zwar über mindestens fünf Tage. »Bei kombinierter Radiotherapie richtet sich die Antiemese nach der Chemotherapie«, informierte die Onkologin.

 

Leider kann auch eine leitlinien­gerechte Antiemese nicht bei allen Pa­tienten das Erbrechen verhindern. Etwa 20 bis 30 Prozent der Patienten haben laut Jordan trotz Antiemetika mit dieser Nebenwirkung zu kämpfen. Ihnen kann neuen Erkenntnissen zufolge möglicherweise das atypische Neuroleptikum Olanzapin helfen.

 

Olanzapin und Ingwer

 

Erste Daten zum Einsatz von Olanzapin in dieser Indikation seien bereits 2004 auf dem Jahrestreffen der US-amerikanischen onkologischen Fachgesellschaft ASCO vorgestellt worden, so Jordan. Mittlerweile sei die Wirksamkeit des Neuroleptikums als Notfall-Medikament bei Erbrechen trotz antiemetischer Standardtherapie in mehreren Studien untersucht worden, unter anderem 2011 im »Journal of Supportive Oncology« (doi: 10.1016/j.suponc.2011. 05.002). »Die Untersuchung war zwar relativ klein, aber überzeugend«, urteilte Jordan. Die Studie habe gezeigt, dass Olanzapin als Notfall-Medikament mit einmal täglich 5 bis 10 mg gegen Chemo­therapie-induziertes Erbrechen sehr wirksam ist. Dennoch sei zu bedenken, dass die Evidenz für Olanzapin in dieser Indikation noch lange nicht so gut sei wie die der bewährten Antiemetika, weshalb der Einsatz nicht unkritisch erfolgen dürfe. Patienten müssten zudem über die sedierenden Eigenschaften des Arzneistoffs aufgeklärt werden.

Von Daniela Hüttemann / Sollen Patienten Cannabisblüten als Tee anwenden, muss dieser lange genug gekocht und heiß getrunken werden. Befolgt man diese Regel, geht auch ohne Fettzusatz genügend Wirkstoff in Lösung.

Auf der Suche nach weiteren anti­emetisch wirksamen Substanzen geriet auch der Ingwer in den Fokus der Wissenschaft, da das Rhizom von Zingiber officinale erwiesenermaßen gegen Schwangerschaftserbrechen eine gewisse Wirksamkeit besitzt. Diese beruht offenbar auf 5-HT3-rezeptor­antagonistischen Eigenschaften von Inhaltsstoffen der Pflanze. Jordan zitierte eine 2012 in »Supportive Care in Cancer« veröffentlichte Studie mit 576 Patienten (doi: 10.1007/s00520-011-1236-3). Die Teilnehmer erhielten darin zusätzlich zur leitliniengerechten Antiemese über sechs Tage entweder Ingwerkapseln oder Placebo, beginnend an Tag 3 vor der Chemo­therapie. 500 oder 1000 mg Ingwer täglich erwiesen sich dabei als Dosierungen, die gut gegen Erbrechen wirksam waren. »Ich denke, dass Ingwer in der Anti­emese einen zunehmenden Stellenwert haben kann«, so die Einschätzung Jordans.

 

Fixkombi in Erprobung

 

Ein weiterer Arzneistoff, der künftig eventuell gegen Erbrechen bei Krebstherapie eingesetzt werden könnte, ist der Calciumantagonist Nifedipin. Er zeigte in einer 2014 im »European Journal of Pharmacology« erschienenen Arbeit eine sehr gute antiemetische Wirksamkeit, allerdings nur im Tierversuch (doi: 10.1016/j.ejphar.2013.08.052). »Versuchstier war in diesem Fall die Kleine Kurzschwanzspitzmaus, die im Gegensatz zu vielen anderen Tieren die Fähigkeit hat, sich zu übergeben«, erklärte Jordan. Deutlich weiter, nämlich bereits in Phase III der klinischen Prüfung, sei man mit der Erprobung des neuen NK1-Antagonisten Netupitant, der als Fixkombina­tion mit Palonosetron gegeben werde. /

Bei der Anwendung von Cannabis­blüten als Tee stellt sich das Problem, dass das hauptsächlich wirksame Canna­binoid Δ9-Tetrahydrocannabinol (THC; Dronabinol) schlecht wasserlöslich ist. Das ist bei der Dosierung berücksichtigt, indem die verwendete Menge Cannabisblüten bei der Zubereitung als Tee deutlich höher ist als bei der Anwendung im Verdampfer. Die Blüten müssen allerdings mindestens 15 Minuten lang gekocht werden, da die Cannabinoide erst durch Decarboxy­lierung aus ihren Vorstufen in die Wirkformen überführt werden.

 

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