Patient und Arzt auf Augenhöhe |
13.03.2012 16:51 Uhr |
Von Anna Hohle, Berlin / Klare Rechtsvorgaben und Schutz vor Willkür: Der im Januar vorgelegte Referentenentwurf für ein Patientenrechtegesetz stößt auf breite Zustimmung. Dennoch gab es auch kritische Stimmen bei einer Veranstaltung der Innungskrankenkassen in Berlin.
Unter dem Titel »Patienten (ohne) Rechte?« hatte die IKK Vertreter aus Justiz, Politik und Medizin zur Diskussion über den von Bundesjustiz- und Bundesgesundheitsministerium erarbeiteten Gesetzentwurf geladen.
Laut Dr. Birgit Grundmann, Staatssekretärin des Bundesministeriums der Justiz, ist eine Bündelung der bislang in verschiedenen Richtlinien verstreuten Vorgaben zu Patientenrechten überfällig. 61 Prozent der Deutschen würden ihre Rechte beim Arzt und im Krankenhaus gar nicht oder nur unvollständig kennen. »Wir brauchen das Patientenrechtegesetz jetzt, weil wir es sowohl den Patienten als auch den Behandelnden schulden, endlich Transparenz in den Dschungel des Arzthaftungsrechts zu bekommen«, sagte die Juristin. »Unser Ziel ist es, Patienten auf Augenhöhe mit den Behandelnden zu stellen.«
Mehr Pflichten für den Arzt
Der Entwurf sieht unter anderem eine Umkehr der Beweislast im Falle von Behandlungsfehlern vor. Diese lag bis jetzt stets beim Patienten. Bei schwerwiegenden Fehlern soll laut Gesetz zukünftig der behandelnde Mediziner seine Unschuld beweisen.
Auch sollen Ärzte verpflichtet werden, ihre Patienten rechtzeitig und verständlich nicht nur über Risiken und Behandlungsalternativen, sondern auch darüber aufzuklären, dass die Krankenkasse die Kosten für bestimmte Behandlungen nicht übernimmt. Das ist etwa bei den sogenannten Individuellen Gesundheitsleistungen (IGeL) der Fall.
Sämtliche Behandlungsdetails müssen Mediziner laut Gesetzentwurf in Zukunft in der Patientenakte dokumentieren. Patienten sollen diese jederzeit einsehen und Kopien anfordern können. Grundmann betonte, durch die Änderungen werde es »für alle Beteiligten mehr Rechtssicherheit und Verlässlichkeit geben«.
Es wurden jedoch auch kritische Stimmen zu einzelnen Passagen des Entwurfes laut. So ist vorgesehen, den Zeitraum für die Entscheidung über eine Leistungsübernahme der Krankenkassen auf drei beziehungsweise fünf Wochen zu befristen. Nach Ablauf einer schriftlich gesetzten Frist könnte der Versicherte die Leistung in Zukunft auch ohne vorherige Bewilligung in Anspruch nehmen – die Kasse wäre dann zur Kostenübernahme verpflichtet.
Der IKK-Vorstandsvorsitzende Hans Peter Wollseifer begrüßte im Namen der Innungskrankenkassen die klaren Fristen: »Was im normalen Geschäftsbereich gang und gäbe ist, muss auch hier selbstverständlich sein.«
Professor Ulrich Wenner, Vorsitzender Richter am Bundessozialgericht, meldete dagegen Bedenken im Hinblick auf starre Fristen an. Die Regelung dürfe nicht dazu führen, dass wichtige Entscheidungen von den zuständigen Kassenmitarbeitern vorschnell getroffen werden. Anträge etwa in Bezug auf den Off-Label-Use von Medikamenten oder die Überweisung in Privatkliniken bedürften häufig längerer Überprüfung.
Paragrafen schaffen kein Vertrauen
Einig waren sich die Teilnehmer darin, dass das Patientenrechtegesetz eine vertrauensvolle Beziehung zwischen Arzt und Patient nicht ersetzen kann. Es könne jedoch »durch Klärung der Rechte und Pflichten zur Stärkung dieser Beziehung beitragen«, betonte Dr. Alfred Simon, Geschäftsführer der Akademie für Ethik in der Medizin. Probleme könnten schließlich in jeder Beziehung auftreten. Das Patientenrechtegesetz solle für ebendiese Fälle Regelungen vorsehen und hier »Maß und Übersicht wahren«. Die Bundesregierung will das Patientenrechtegesetz noch in dieser Legislaturperiode auf den Weg bringen. /