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Pharmaindustrie

Übernahmen und Fusionen

Datum 16.03.2010  17:44 Uhr

Von Marcus Oehlrich / Seit den 1980er-Jahren befindet sich die Pharmaindustrie in einem unaufhörlichen Konzentrationsprozess. Dieser hat unmittelbaren Einfluss auf die zukünftige Gestaltung der Arzneimittelversorgung auf Herstellerebene. Auch die Dienstleistung des niedergelassenen Apothekers wird dadurch nicht unbeeinflusst gelassen.

Die Pharmaindustrie ist seit fast drei Jahrzehnten eine hoch aktive Branche, in der regelmäßig überraschende Fusionen und Übernahmen angekündigt werden. Jede Transaktion führt zu einer Veränderung der Rangfolge der größten Pharmaunternehmen. Dabei sind die deutschen Konzerne, einst die »Apotheken der Welt«, bislang außen vor geblieben. Belegten noch zu Beginn der Achtziger Jahre Hoechst und Bayer am Umsatz gemessen die beiden ersten Plätze der führenden Arzneimittelhersteller, so ist Hoechst (mit Rhône-Poulenc zu Aventis fusioniert und später von Sanofi übernommen) ganz von der Liste verschwunden. Bayer galt selbst lange als Übernahmekandidat und hat sich durch die Übernahme von Schering auf Rang 13 vorgearbeitet. Bis auf Boehringer-Ingelheim (Rang 15) folgen die anderen deutschen Unternehmen mit weitem Abstand. Die Darmstädter Merck KGaA meldete sich 2006 zurück, indem zuerst eine (bis dahin undenkbare) feindliche Übernahme von Schering angekündigt und dann Serono übernommen wurde.

 

Auch wenn sich für diese Entwicklung die Gründe im Einzelfall unterscheiden, so lassen sich doch Gemeinsamkeiten erkennen: auslaufende Patente für Blockbuster in Verbindung mit austrocknenden Pipelines, regulatorischen Hürden sowie der Wettbewerb mit Generika. Trotz der Konsolidierung auf dem Markt der forschenden Arzneimittelhersteller haben die größten Konzerne nur Marktanteile von etwas mehr als 5 Prozent. Es sind daher auch in Zukunft Transaktionen zu erwarten.

 

Die Rangliste ist jedoch wieder in Bewegung gekommen. So hat Pfizer den Konkurrenten Wyeth übernommen. Hintergrund ist, dass der Patentschutz für den Blockbuster Lipitor mit einem Jahresumsatz von zuletzt circa 13 Milliarden US-Dollar in den kommenden Jahren auslaufen wird, sodass ein starker generischer Wettbewerb zu erwarten ist. Pfizer war schon in den vergangenen Jahren das aktivste Unternehmen bei Übernahmen. So wurde im Jahr 2000 Warner-Lambert für 88 Milliarden US-Dollar und 2003 Pharmacia für 60 Milliarden US-Dollar übernommen. Der US-Pharmakonzern Merck & Co. (in Europa MSD, nicht mit Merck KGaA zu verwechseln) hat im vergangenen November Schering-Plough für 41 Milliarden US-Dollar übernommen. Die Unternehmen haben zuvor gemeinsam die Arzneimittel Ezetrol und Inegy vermarktet und dabei im Jahr 2008 Umsatzerlöse in Höhe 4,6 Milliarden US-Dollar erzielt. Nachdem die Umsätze aus dem Joint-Venture zurückgegangen sind, werden mit der Übernahme Kosteneinsparungen in Höhe von 3,5 Milliarden US-Dollar angestrebt. Zudem soll die Zusammenlegung der Forschungs- und Entwicklungspipeline neue Forschungsimpulse bieten und den neuen Konzern in der Onkologie stärken.

 

Übernahmen im Biotech-Bereich

 

Neben den genannten Pharmafirmen wurden auch viele Biotechunternehmen übernommen. Die Attraktivität der Biotechbranche liegt darin, dass sie zahlreiche Neuentwicklungen etwa im Bereich der monoklonalen Antikörper aufweisen und dass biologische Wirkstoffe nicht nur über ein Patent, sondern auch über die Kenntnis der Herstellungsverfahren geschützt sind. Möglicherweise kann so nach Patentablauf der Handel mit Generika verzögert oder ganz verhindert werden. In den vergangenen Jahren fanden folgende Übernahmen statt: MedImmune (FluMist, Synagis) durch AstraZeneca, Organon Biosciences (Follistim, Esmeron) durch Schering-Plough, Scios (Natrecor) durch Johnson & Johnson, Serenex und CovX durch Pfizer, Domantis durch GSK, NovaCardia, Abmaxis, GlycoFi und Sirna Therapeutics durch Merck & Co., Mirus Bio Corporation sowie der Kauf der restlichen Anteile von Genentech durch Roche, der restlichen Anteile von Chiron (Fluvirin) durch Novartis sowie Serono (Rebif, Gonal-f) durch Merck KGaA.

 

802 Millionen für neuen Wirkstoff

 

Auch wenn bei Übernahmen und Fusionen in der Regel Umsatz oder Marktkapitalisierung in den Vordergrund gestellt werden, liegt das wahre Augenmerk auf den Ausgaben für Forschung und Entwicklung (F&E). Ein innovatives Arzneimittel ist eben nur durch einen immensen Forschungsaufwand zu erlangen. Die Forschergruppe um Joseph DiMasi vom Tufts Center for the Study of Drug Development in Boston veranschlagt die Entwicklungskosten für eine neue chemische oder biologische Entität auf 802 Millionen US-Dollar. Obwohl natürlich Größe nicht automatisch mit Erfolg in der Forschung gleichzusetzen ist (ersichtlich an den vielen Biotech-Start-ups), ist eine gewisse Mindesthöhe des Forschungsetats zwingende Voraussetzung.

 

Aufgrund der staatlichen Regulierung sind die pharmazeutischen Unternehmen gezwungen, kontinuierlich vielversprechende Forschungsprojekte im Portfolio zu haben. Schließlich fallen die ehemaligen Hauptumsatzträger (Blockbuster) nach Ablauf des Patentschutzes weg. Durch die Kostensenkungsmaßnahmen kommt es in der letzten Zeit jedoch manchmal auch vorher zu drastischen Umsatzeinbußen. Nur durch eine gut gefüllte Forschungspipeline ist es möglich, sich gegen die Marktkräfte zu wehren. Dabei muss sich in allen Entwicklungsstufen eine ausreichende Anzahl an Projekten befinden. Denn zum einen ist nie sichergestellt, dass ein Forschungsansatz tatsächlich zur »Marktreife« gelangt. Zum anderen ist es von Bedeutung, dass man auch in Zukunft über genügend Potenzial verfügt. Wenn an irgendeiner Stelle der Forschungspipeline eine Lücke klafft, so wird sich dieser Mangel an Eigenentwicklungen irgendwann schmerzhaft bemerkbar machen. Solche negativen Aussichten kennen in der Regel auch die Wettbewerber und die Aktionäre. Schließlich sind die Patentabläufe der einzelnen Unternehmen sowie deren klinische Studien bekannt.

 

Die Forschungspipeline übt daher einen nicht zu vernachlässigenden Einfluss auf die Zahl der Übernahmen und Fusionen in der Pharmaindustrie aus, wobei man grundsätzlich zwischen zwei Fällen unterscheiden kann: Einerseits kann ein Unternehmen mit Problemen hinsichtlich der eigenen Forschungspipeline diese Lücken offensiv durch die Übernahme eines entsprechenden Wettbewerbers schließen. Andererseits werden natürlich gerade diese Unternehmen mit ihrem tendenziell geringeren Marktwert ein lukrativer Übernahmekandidat sein. /

Tabelle: Rangliste der weltweit größten Pharmaunternehmen gemessen am Umsatz
Umsatzerlöse der letzten 12 Monate bis zum 2. Quartal 2009

Rang Unternehmen Umsatz in Mio. US$
1 Pfizer 41 623
2 Novartis 36 146
3 Sanofi-Aventis 34 927
4 GlaxoSmithKline 33 643
5 Astra-Zeneca 32 630
6 Roche 30 491
7 Johnson & Johnson 27 504
8 Merck & Co 24 918
9 Lilly 19 251
10 Abbott 19 242
12 Bayer 15 423
15 Boehringer-Ingelheim 14 340
25 Merck KGaA 5762
36 Ratiopharm 3447
43 Fresenius 2595

Quelle: IMS Health

Professor Dr. Marcus Oehlrich ist Geschäftsführer des Instituts für Deutsches, Europäisches und Internationales Medizinrecht, Gesundheitsrecht und Bioethik der Universitäten Heidelberg und Mannheim (IMGB). Kontakt: marcus.oehlrich(at)imgb.de

 

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