Pharmazeutische Zeitung online
Weiterbildung

Arzneimittelsicherheit im Alter

16.03.2010  14:18 Uhr

Von Bettina Sauer / Die Apothekerkammer Nordrhein bietet seit zwei Jahren eine Weiterbildung zum Thema »Geriatrische Pharmazie« an. Im Interview mit der Pharmazeutischen Zeitung berichtet Kammerpräsident Lutz Engelen über die Beweggründe dafür und die bisherigen Erfahrungen mit dem Projekt.

PZ: Herr Engelen, 2008 hat die Apothekerkammer Nordrhein die Weiterbildung »Geriatrische Pharmazie« eingeführt, um Apotheker auf die Arzneimittelversorgung alter Menschen zu spezialisieren. Sind Sie diesbezüglich die Ersten?

Engelen: In der Tat, unsere Kammer ist der Vorreiter. Aber die anderen ziehen nach, entwickeln derzeit entsprechende Weiterbildungsangebote oder setzen sie bereits um. Zudem hat die Mitgliederver­sammlung der Bundesapothekerkammer im November 2009 beschlossen, die Geriatrische Pharmazie in ihre Muster­weiterbildungsordnung aufzunehmen. Daran zeigt sich, dass das Thema inzwischen ein erfreulich großes Interesse findet.

 

PZ: Warum halten Sie es für wichtig?

 

Engelen: Bei alten Menschen verursachen Medikamente besonders häufig Probleme. Das gefährdet zum einen die Patienten, zum anderen verursacht es hohe Folgekosten im Gesundheitssystem. Deshalb ist es sehr wichtig, den Arzneimitteleinsatz im Sinne jedes Einzelnen und der Versichertengemeinschaft zu optimieren. Und dazu möchten wir Apotheker durch die Weiterbildung Geriatrische Pharmazie befähigen.

 

PZ: Was macht betagte Patienten so anfällig für arzneimittelbezogene Probleme?

Engelen: Viele Senioren sind multimorbide, leiden also an mehreren Erkrankungen gleichzeitig und benötigen entsprechend viele Medikamente. Doch im Zuge einer solchen Polypharmazie potenzieren sich natürlich auch die möglichen Wechselwirkungen. Zudem macht das Alter den Organismus anfälliger für Nebenwirkungen, unter anderem weil sich die Wirkungen und die Verstoffwechslung vieler Medikamente verändern. Für diese Probleme möchten wir die Apotheker sensibilisieren.

 

PZ: Achten denn die Ärzte nicht darauf?

 

Engelen: Doch, natürlich. Allerdings befinden sich alte Menschen meist in Behandlung bei verschiedenen Medizinern unterschiedlicher Fachrichtungen, die sich derzeit systembedingt kaum austauschen. Dann weiß zum Beispiel der Rheumatologe nicht, was der Orthopäde verordnet und so weiter. Zudem nehmen viele alte Menschen zusätzlich Medikamente der Selbstmedikation ein, die sich der ärztlichen Kontrolle komplett entziehen, aber durchaus Neben- und Wechselwirkungen verursachen. So werden derzeit viele Arzneimittel aus der Verschreibungspflicht in die Selbstmedikation entlassen, was die besondere Achtsamkeit des Apothekers erfordert. Bei ihm laufen bezüglich der Arzneimittelversorgung alle Fäden zusammen.

 

PZ: Was sind die Inhalte der Weiterbildung?

 

Engelen: In mehreren Blockseminaren mit rund 110 Stunden bekommen die Teilnehmer theoretisches Wissen über die gesundheitliche Situation alter Menschen in Deutschland und die geriatrische Pharmazie vermittelt. Welche Krankheiten und damit verbundenen Probleme treten im Alter auf? Welche Arzneimittel sollten in der Therapie Verwendung finden, welche lieber nicht? Wie wirken Medikamente bei alten Menschen, und wie werden sie verstoffwechselt? Mit diesen Fragen beschäftigen sich die Seminare ausführlich und beleuchten auch die Besonderheiten der geriatrischen Versorgung in Pflegeheimen und Krankenhäusern. Zudem wenden die Teilnehmer das Gelernte praktisch an, indem sie ein dreitägiges Praktikum in einem Pflegeheim oder bei einem ambulanten Pflegedienst absolvieren. Dort sammeln sie meist auch den Stoff für die Projektarbeit, die sie im Zuge der Weiterbildung anfertigen.

 

PZ: Was machen sie dabei?

 

Engelen: Für die Projektarbeit begehen sie eine Station und kontrollieren die Lagerung, Dokumentation und Anwendung sämtlicher vorhandener Arzneimittel. Daneben führen sie bei zwei geriatrischen Patienten ein individuelles Medikationsmanagement durch.

 

PZ: Wie geht das?

 

Engelen: Dafür erfassen die Apotheker die Krankengeschichte und sämtliche Medikamente, die ein alter Patient einnimmt. Auf Basis dieser Daten überprüfen sie akademisch, ob arzneimittelbezogene Probleme vorliegen, ob deshalb Handlungsbedarf besteht und welche Maßnahmen gegebenenfalls zu ergreifen sind. So lässt sich ein identifiziertes problematisches Medikament möglicherweise absetzen, austauschen oder in der Dosis reduzieren. Ihre Vorschläge besprechen die Apotheker mit den behandelnden Ärzten und gegebenenfalls mit den Patienten, Angehörigen und Pflegenden.

 

PZ: Das heißt, die Lösungen werden möglichst gemeinsam entwickelt und umgesetzt?

 

Engelen: Genau. Idealerweise bilden die weitergebildeten Apotheker mit ihren Partnern ein Netzwerk. Dann ruft beispielsweise der Apotheker den Arzt an, wenn die verordneten Medikamente bei einem alten Patienten möglicherweise Probleme machen. Oder er fertigt auf Bitte des Pflegeheims ein Medikationsprofil für einen Patienten an – natürlich nur mit dessen Zustimmung. Denn die Patienten und ihre Angehörigen sind Partner im geriatrischen Netzwerk.

 

PZ: Wie ist die Nachfrage nach der Weiterbildung?

 

Engelen: Hoch, finde ich. Etwa 70 Apotheker haben sie schon durchlaufen.

 

PZ: Auch Sie haben sich zum Geriatrischen Pharmazeuten weitergebildet. Wirkt sich denn das Gelernte in Ihrer Apotheke aus?

 

Engelen: Durchaus. Man entwickelt einen anderen Blick im Umgang mit älteren Kunden. Man achtet nicht länger vornehmlich auf die aktuell verlangten Arzneimittel, sondern schaut als Erstes auf den ganzen Menschen. Dabei berücksichtigt man unter anderem sämtliche Medikamente, die ein Patient einnimmt, und fragt sich, ob sich daraus möglicherweise Risiken ergeben. Und wenn das der Fall ist, findet sich meist eine Lösung. /

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