Pharmazeutische Zeitung online
Multiple Sklerose

Neustart des Immunsystems

08.03.2017  10:44 Uhr

Von Annette Mende / Das Immunsystem von Patienten mit Multipler Sklerose (MS) komplett auszuschalten und neu zu starten, könnte ein neuer Ansatz in der MS-Therapie werden. Er führte in einer Phase-II-Studie bei einigen Patienten zu einer lang anhaltenden Remission.

Über die Behandlungsmethode, eine Hochdosis-Chemotherapie mit anschließender autologer Stammzelltransplantation, berichtet ein Team um Dr. Richard Nash vom Colorado Blood Cancer Institute in Denver aktuell im Fachjournal »Neurology«. Die Therapie wurde im Rahmen der HALT-MS-Studie bei 24 MS-Patienten eingesetzt. Fünf Jahre danach befinden sich 69 Prozent der Teilnehmer in Langzeitremission.

Für die Studie wurden Patienten mit schubförmig remittierender MS (RR-MS) ausgewählt, die trotz medikamentöser Therapie unter aktiver ­Entzündung des ZNS, schweren Krankheitsschüben und zunehmender Behinderung litten. Ihnen wurden zunächst hämatopoetische Stammzellen aus dem Blut entnommen; dann erhielten sie eine Chemotherapie mit ­Carmustin, Etoposid, Cyt­arabin und Melphalan. Anschließend wurden den Patienten die eigenen Stammzellen zurückinfundiert. Mit dieser Prozedur verfolgten die Mediziner das Ziel, die krankheitsauslösenden Zellen zu beseitigen und einen Neustart des Immunsystems herbeizuführen.

 

Die Ergebnisse einer Zwischenauswertung nach drei Jahren waren vielversprechend: Bei 78 Prozent der Patienten waren seit der Behandlung weder ein Fortschreiten der Erkrankung, ein Schub oder neue Läsionen im Gehirn aufgetreten. Nach fünf Jahren hatte sich dieser Anteil auf 69 Prozent ­reduziert, was aus Sicht der Autoren aber dennoch den Start einer großen Phase-III-Studie rechtfertigt. Bei den meisten Patienten hatte sich die MS stabilisiert, ohne dass sie weiter Medikamente einnehmen mussten; einige zeigten sogar Verbesserungen bei der Beweglichkeit oder anderen körper­lichen Symptomen.

 

Viele Patienten litten während und nach der Chemotherapie unter Nebenwirkungen. Diese waren zwar nicht heftiger als erwartet und es kam zu keinen bleibenden neurologischen Schäden. Dennoch stellt diese Therapie einen sehr belastenden Eingriff dar, der sicher nicht für jeden MS-Patienten infrage kommt. Voraussetzung für eine breite Anwendung ist in jedem Fall, dass sich die Wirksamkeit in größeren Studien bestätigt. /

 

Quelle: Nash RA et al. High-dose immunosuppressive therapy and autologous HCT for relapsing-remitting MS. Neurology, published online before print February 1, 2017. DOI: 10.1212/WNL.0000000000003660

Kommentar

Die Publikation von Nash und Kollegen ist die neueste einer Reihe kleiner, nicht kontrollierter Studien seit der Einführung der Stammzellentransplantation (SCT) für Multiple Sklerose (MS) im Jahr 1995. Aktuell liegen uns Daten von insgesamt etwa 1500 SCT-MS-Patienten weltweit vor.

 

Die Methode ist mit erheblicher Belastung verbunden. In älteren Studien wurden schwer betroffene Patienten (EDSS bis 9.5) eingeschlossen, was zu einer Mortalität von 6 Prozent und zu niedrigen Ansprechraten aufgrund der mittlerweile dominierenden Neuro­degeneration geführt hat. Mit anderen Worten: Die Behandlung kam in diesem Fall zu spät. Mit der Anpassung der Einschlusskriterien (EDSS 3 bis 5.5) ist die Mortalität in der aktuellen Studie gesunken. In der HALT-MS-Studie erlitten allerdings 100 Prozent der Teilnehmer lebensbedrohliche Neben­wirkungen wie Zytopenien, schwere bakterielle und virale Infekte, tiefe Beinvenenthrombosen, Kardiomyopathien, atrioventrikulärer Block. Zwei Patienten unternahmen einen Suizidversuch.

 

Leider führt die SCT nicht zur Heilung. Die Anzahl der progressionsfreien Patienten nach fünf Jahren sank auf 69 Prozent. Bei sieben Patienten wurde eine Krankheitsprogression trotz SCT beschrieben. Zum Vergleich liegen Daten aus Natalizumab- und Alemtuzumab-Studien mit progressionsfreien Patientenanteilen von mehr als 40 Prozent nach zwei Jahren vor und niedrigerem Anteil an lebensbedrohlichen Nebenwirkungen (unter 5 Prozent).

 

Letztlich ist der Einsatz der SCT bei MS aufgrund des Mangels an großen, gut kontrollierten Studien mit Vorsicht zu betrachten. Die zugelassenen MS-Therapien können mit einem zufriedenstellenden Nutzen-Risiko-Profil eine Stabilisierung für die Mehrheit der Patienten mit hoch aktiver MS erzielen. Nur bei Therapieversagen sollte eine SCT in spezialisierten Zen­tren und im Rahmen von klinischen Studien unternommen werden.

 

Dr. Kallia Pitarokoili,

Professor Dr. Ralf Gold

Ruhr Universität Bochum

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