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Zuckermessung

Alternativen zum Piksen

Datum 04.03.2015  09:27 Uhr

Von Sven Siebenand / Die meisten Diabetiker kontrollieren ihren Stoffwechsel mithilfe von Blutzuckermessgeräten. Mittlerweile gibt es aber auch Methoden zur Glucosebestimmung, die ohne die kleine Blutspende auskommen. Das ist zum einen die kontinuierliche Glucosemessung (CGM) und zum anderen das neue sogenannte Flash Glucose Monitoring (FGM).

CGM-Systeme waren lange Zeit die einzige Alternative zur Blutzuckerselbstmessung mit Stechhilfe und Teststreifen. Mithilfe von Sensoren messen diese Geräte über eine dünne Nadel im Unterhautfettgewebe bis zu 1400 Mal täglich den Zuckerwert. Der Patient erfährt so, wie sich seine Glucosewerte im gesamten Tages- und Nachtverlauf verändern, und wird alarmiert, wenn Unter- oder Überzuckerungen drohen.

Im Gespräch mit der PZ informiert Diabetesberaterin Ulrike Thurm aus Berlin, dass ein CGM-Gerät zwischen 1500 und 2000 Euro kostet und die Sensoren um die 70 Euro. Je nach System muss der Patient diese alle 5 bis 14 Tage wechseln. Ganz ohne Teststreifen kommen Patienten mit einem CGM-System aber nicht aus.

 

Denn laut der aktuellen Zulassung sollen Diabetiker vor jeder Insulingabe den Blutzucker zusätzlich zum CGM-Wert ermitteln. Der Grund: Beim CGM werden die Werte im Unterhautfettgewebe bestimmt, und dieser Messort hat eine Verzögerungszeit von 10 bis 20 Minuten zum im Blut gemessenen Wert, so Thurm in einer Pressemeldung der Deutschen Diabetes-Hilfe.

 

Scannen statt stechen

 

In dem neuen FGM-System der Firma Abbott, Free Style Libre, befindet sich der Sensor auch im Unterhautfettgewebe, allerdings sei ein Algorithmus in das System eingebaut, der die gemessenen Werte so umrechnet, dass sie annähernd mit den im Blut gemessenen Werten übereinstimmen sollen, heißt es in der Pressemeldung weiter. »Das Flash Glucose Monitoring ist daher zur Therapieanpassung zugelassen«, so Thurm. Allerdings wird auch bei diesem System dazu geraten, in bestimmten Situationen eine Blut­zuckermessung vorzunehmen, zum Beispiel um eine vom Sensor berichtete Hypoglykämie zu bestätigen oder in Phasen mit rasch schwankenden Glucosespiegeln.

 

Patienten können sich den Sensor sehr einfach selbst in das Unterhautfettgewebe am Oberarm einsetzen. Er befindet sich unterhalb einer etwa Zwei-Euro-Stück-großen dünnen Scheibe, die mit einem Pflaster am Arm befestigt ist, und misst dann 14 Tage lang automatisch die Glucosekonzentration und speichert die gemessenen Werte. Per Scan übernimmt ein Lesegerät folgende Daten vom Sensor: den aktuellen Glucosewert, ein Glucoseprotokoll über die vergangenen acht Stunden und einen aktuellen Trend der Zuckerwerte. Ein Pfeil nach oben bedeutet beispielsweise, dass der Zuckerwert rasch steigt, um mehr als 2 mg/dl pro Minute. Ein Pfeil nach schräg unten sagt einem dagegen, dass es mit dem Zucker bergab geht, zwischen 1 und 2 mg/dl pro Minute.

 

Das Scannen funktioniert sogar durch ein T-Shirt oder einen Pullover. Einer dicken Winterjacke muss man sich vor dem Messen allerdings entledigen. Danach ist nur das Lesegerät an den Sensor zu halten, und schon wird der Blutzuckerwert angezeigt. Zum Vergleich: In dieser kurzen Zeit hätte man bei einem althergebrachten Blutzuckermessgerät noch nicht einmal die Teststreifendose geöffnet.

 

Das Lesegerät ist mit einem Farbbildschirm mit Touchscreen ausgestattet. Über diesen lassen sich zu jedem Messwert weitere Notizen hinzufügen, etwa zu injizierten Insulinmengen, verzehrten Kohlenhydraten oder sportlicher Betätigung. Statistik-Fans aufgepasst: Es gibt mehrere Möglichkeiten, sich die Zuckerverläufe auswerten zu lassen – vom Tagesdiagramm über Gesamtdurchschnitt der Tageswerte bis hin zum Prozentsatz der Zeit, in der die Glucosewerte über, unter oder im zuvor festgelegten Zielbereich waren.

 

Was ist besser: CGM oder FGM?

 

Auf die Frage, welches der beiden Systeme dem anderen überlegen ist, gibt es laut Thurm keine pauschale Antwort. Vielmehr müsse man patientenindividuell entscheiden, ob eine Alternative zum althergebrachten Blutzuckermessen überhaupt sinnvoll ist und wenn ja, dann welche. Ein Vorteil von CGM könnte sein, dass die Patienten zum Beispiel bei einer Unterzuckerung nachts von dem System alarmiert werden, während das FGM-Gerät tiefe Werte zwar aufzeichnet, aber keinen Alarm schlägt. Eine retrospektive Analyse der Werte sei aber immer möglich.

Ob CGM oder FGM: Patienten müssen laut der Diabetesberaterin gut geschult werden, damit sie mit der Datenflut zurechtkommen und dann auch sinnvolle Entscheidungen zur Therapieanpassung treffen können, um die Zuckereinstellung zu verbessern. Thurm erwartet, dass das Hersteller-unabhängige CGM-Schulungsprogramm Spectrum noch in diesem Jahr in den Markt eingeführt werden wird. Für das FGM-System fehlten aktuell dagegen noch Schulungsmöglichkeiten für Anwender.

 

Kostenübernahme könnte leichter werden

 

Sowohl CGM-Systeme als auch das neue FGM-System sind momentan in der Regel Selbstzahlerprodukte, so Thurm. Die Kosten für CGM-Systeme übernähmen Krankenkassen im Einzelfall auf Antrag, zum Beispiel bei Patienten mit schweren Hypoglykämie-Wahrnehmungsstörungen. Bevor die Kassen die Kosten tragen, müsse aber dokumentiert sein, dass andere Schulungsmaßnahmen, unter anderem ein Hypoglykämie-Wahrnehmungs-Training, erfolgt sind, aber nicht zum gewünschten Ziel geführt haben. Thurm verwies auf einen standardisierten Antrag zur Kostenübernahme für ein CGM-System, den Ärzte für ihre Patienten nutzen können.

 

Zukünftig könnte es einfacher werden, ein CGM-System bewilligt zu bekommen. Denn das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen hat 2014 einen positiven Vorbericht zur kontinuierlichen Blutzuckermessung veröffentlicht. Thurm erwartet den Abschlussbericht bis Ende März 2015. Letztlich müsse dann der Gemeinsame Bundesausschuss entscheiden, wie es mit der Kostenübernahme bei den CGM-Systemen weitergeht.

 

Bei dem neuen FGM-System ist die Entwicklung noch nicht so weit. Thurm informiert, dass aber einige Kassen Pilotprojekte mit diesem durchführen wollen, zum Beispiel bei Patienten, die besonders viele Teststreifen benötigen. Wenn sich zeigt – etwa anhand des HbA1c-Wertes –, dass sich die Blutzucker­einstellung verbessert, dann könnte es sein, dass die Kassen auch dieses System im Einzelfall bezahlen, so Thurm.

 

Für das FGM fallen derzeit knapp 60 Euro für das Messgerät und knapp 60 Euro für den Sensor an, der alle zwei Wochen gewechselt werden muss. Hersteller Abbott informiert in einer Pressemitteilung, dass das Unternehmen die neue Glucose-Sensortechno­logie in einer Studie weiter untersuchen will. Die REPLACE-Studie schließt mehr als 200 Typ-2-Diabetiker ein. Darüber hinaus plant das Unternehmen eine weitere Studie mit Typ-1-Diabetikern.

 

Blick in die ferne Zukunft

 

Immer mehr Zuckerkranke weltweit bedeuten für die Unternehmen, dass Diabetes zum Boomgeschäft geworden ist und dementsprechend viel in dieses Therapiefeld investiert wird. Andere Alternativen zur Blutzuckermessung sind aber derzeit nicht für Patienten verfügbar, so Thurm. Zwar werde über neue Ansätze berichtet, zum Beispiel einen Ohr-Clip, einer Uhr, ein Diabetes-Tattoo oder die Google-Kontaktlinse, die verspricht den Blutzucker über die Tränenflüssigkeit zu messen. »Valide Studien zu diesen Techniken, die die Blutzuckermessung mit der Stechhilfe ersetzen könnten, liegen derzeit jedoch nicht vor«, gibt Thurm zu bedenken. Wann diese Systeme für Patienten verfügbar seien könnten, sei noch völlig unklar.

 

Auch in Sachen »Closed Loop«-Systeme erwartet Thurm keinen Durchbruch in der nahen Zukunft. Bei diesen Systemen misst ein Sensor unter der Haut fortwährend den Zuckerwert, während eine computergesteuerte Insulinpumpe automatisch die Anpassung der nötigen Insulindosis vornimmt. Zwar gibt es laut Thurm einige Modelle, aber keines davon ist aus ihrer Sicht bislang praxistauglich. /

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