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Cannabis

Doch nicht so harmlos?

04.03.2014  17:14 Uhr

Von Robin Müller / Cannabis gilt als vergleichsweise ungefährlich, doch jetzt lässt der plötzliche Tod zweier gesunder junger Männer an der Risikolosigkeit der Droge zweifeln. Die Fälle stellen zwei deutsche Wissenschaftler im Fachjournal »Forensic Science International« vor. Andere Experten bezweifeln allerdings einen kausalen Zusammenhang.

Die akute Toxizität von Cannabinoiden gilt als gering, weshalb in der Öffentlichkeit nur wenig Bewusstsein für die potenziell gefährlichen Herz-Kreislauf-Effekte von Cannabis vorhanden ist. Dazu gehören beispielsweise der deutliche Anstieg der Herzfrequenz oder ein Blutdruckabfall. Nun stellen der Rechtsmediziner Dr. Benno Hartung vom Uniklinikum Düsseldorf und die Toxikologin Dr. Silke Kauferstein vom Uniklinikum Frankfurt am Main zwei Fälle vor, bei denen sie Cannabis-Konsum als Todesursache annehmen (doi: 10.1016/j.forsciint.2014.02.001).

 

Einer der beiden Männer, 23 Jahre alt, galt als gesund und ohne bekannte relevante Krankheiten. Er brach in einem öffentlichen Verkehrsmittel plötzlich zusammen und starb nach 40-minü­tiger erfolgloser Reanimation. In seinen Taschen fand man eine kleine Menge Marihuana. Der andere Mann war 28 Jahre alt. Er hatte bereits eine Vorgeschichte im Zusammenhang mit Drogenmissbrauch durch Alkohol, Amphetamine sowie Kokain, das er bis etwa zwei Jahre vor seinem Tod konsumiert hatte – dazu gelegentlich Cannabis. Herz-Kreislauf-Erkrankungen waren bei ihm keine bekannt. Er wurde zu Hause tot aufgefunden. Neben seinem Körper befanden sich ein Aschenbecher, Zigarettenpapier sowie ein verschließbarer Plastikbeutel mit Resten von Marihuana.

 

Bei beiden Patienten konnten die Rechtsmediziner anhand der Obduk­tion keine mögliche Todesursache feststellen, weshalb sie die zum Zeitpunkt des Todes erhöhte Konzentration von Tetrahydrocannabinol (THC) im Blut als Todesursache annahmen. Dem Bericht von Hartung und Kauferstein zufolge wies der 23-Jährige eine dilatative Kardiomyopathie (eine krankhafte Erweiterung des Herzmuskels) auf, wobei THC bei ihm eine tödliche kardiale Arrhythmie induziert haben könnte. Nach der Untersuchung des anderen Mannes bleibt die Vermutung eines plötzlichen Herztods als Ausschlussdiagnose. Genetische Merkmale, die zu einem plötzlichen Herztod hätten führen können, waren bei beiden Patienten nicht vorhanden.

 

Bereits 2001 hatten Forscher des norwegischen nationalen Instituts für forensische Toxikologie in »Forensic Science International« auf sechs Todesfälle junger Cannabis-Konsumenten hingewiesen, deren Tod ebenfalls auf die kardiovaskulären Nebenwirkungen von THC zurückgeführt wurde (doi: 10.1016/S0379-0738(01)00609-0).

 

Hartung merkt an, dass derzeit allerdings noch nicht bekannt ist, wie Cannabis Rhythmusstörungen auslöst. Man vermute die Existenz unbekannter Kanalopathien, also Erkrankungen durch veränderte Funktion oder Expression von Ionenkanälen. Diese könnten das Risiko für durch die Droge ausgelöste Herzerkrankungen erhöhen. Den Ergebnissen einer 2001 in »Circulation« veröffentlichten US-Studie zufolge besteht in den ersten 60 Minuten nach dem Konsum von Cannabis ein um den Faktor 4,8 erhöhtes Herzinfarktrisiko (doi: 10.1161/01.CIR.103.23.2805).

 

Keine Kausalität

 

Der Leiter der Rechtsmedizin der Berliner Charité, Dr. Michael Tsokos, vertritt hingegen die Überzeugung, dass die Befunde von Hartung und Kauferstein die These des tödlichen Cannabis-Konsums nicht belegen. Schließlich hätte einer der Männer eine Vorerkrankung gehabt, und sein Tod würde nur mit Cannabis in Verbindung gebracht, da er zufällig zuvor geraucht hätte, sagte der Rechtsmediziner gegenüber »Zeit online«. Der andere Fall sei eine »Verlegenheitsdiagnose.« Bei den Vorfällen handele es sich lediglich um eine Koinzidenz und keine Kausalität.

 

Große Risiken des Cannabis-Missbrauchs beziehen sich zudem nicht auf das Herz, sondern auf das Gehirn. So zeigten mehrere Studien einen Zusammenhang zwischen Cannabis-Konsum und einem erhöhten Risiko für Schizophrenie, Depression und Senkung des IQ. Allerdings sind viele dieser Studien umstritten.

 

Dass psychische Probleme bei Konsumenten häufig sind, zeigen aktuelle Daten des Statistischen Bundesamts: Im Jahr 2012 wurden in Deutschland 10 142 Personen aufgrund der Diagnose »Psychische und Verhaltensstörung durch Cannabinoide« im Krankenhaus behandelt. Der TK zufolge hat sich die Zahl der Fälle in den vergangenen zehn Jahren fast verdreifacht, wobei vier von fünf Patienten männlich waren. Dennoch lag die Zahl der Klinikaufenthalte wegen psychischer Störung durch Alkohol mit 345 034 oder durch Opiate mit 26 512 deutlich höher. /

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