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Patientencoaching

Kranke bekommen Begleiter

Datum 09.03.2010  15:27 Uhr

Von Bettina Sauer, Berlin / Ob Beruf, Partnerschaft oder persönliche Probleme – immer mehr Menschen lassen sich »coachen«, also von einer Art Trainer beraten und begleiten. Auch Patienten mit chronischen Krankheiten scheinen davon zu profitieren. So coachten deutsche Apothekenmitarbeiter schon erfolgreich Typ-2-Diabetiker.

Patienten mit chronischen Krankheiten werden zwar regelmäßig ärztlich überwacht und dabei mit Rezepten und Handlungsanweisungen versorgt – doch ob sie die verordneten Medikamente einnehmen und ihren Alltag gesund gestalten, bleibt ihnen selbst überlassen. »Viele Therapien scheitern an der unzureichenden Mitarbeit der Patienten«, kommentierte Dr. Klaus Meyer-Lutterloh, Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für bürgerorientierte Versorgung, im Februar bei einem Workshop in Berlin. Abhilfe schaffen lasse sich möglicherweise durch das sogenannte Patientencoaching. Dabei bekommen Chroniker langfristig eine Art Trainer an die Seite gestellt. Mit seiner Hilfe sollen sie Wissen über die Krankheit und deren Therapie gewinnen, Behandlungsziele erarbeiten und diese tatsächlich im Alltag umsetzen. Meyer-Lutterloh sagte: »Das steigert idealerweise nicht nur die Compliance der Patienten, sondern führt sie zu einem gesundheitsfördernden Gesamtverhalten und einem besseren subjektiven Krankheitsempfinden.«

Den Anfang des Coachings mache eine gemeinsame Analyse, welche individu­ellen Ziele der Patient erreichen möchte und welche Hindernisse dabei im Weg stehen – zum Beispiel, was genau das Rauchen oder den Nachschlag bei den Mahlzeiten so unverzichtbar erscheinen lässt. In den folgenden Wochen und Monaten berät der Coach den Patienten regelmäßig und unterstützt ihn bei der Umsetzung der festgelegten Ziele. »Zuletzt folgt eine gemeinsame Evaluation des Erreichten und möglicherweise eine neue Runde im Prozess.«

 

Coach sollte Heilberufler sein

 

Patientencoachings lassen sich Meyer-Lutterloh zufolge als Einzel- oder Gruppensitzungen und sogar am Telefon durchführen. Es gebe in Deutschland schon einige entsprechende Angebote, und manche Krankenkassen übernähmen die Kosten. »Langfristig wird ihnen das nutzen. Denn wenn Patienten ihre Therapie aktiv unterstützen, verläuft sie viel erfolgreicher. Dadurch lassen sich enorme Folgekosten von Krankheiten vermeiden.« Allerdings diene das Patientencoaching weder als Ersatz für die ärztliche Behandlung noch für eine Psychotherapie, die manche Chroniker benötigten. Es handle sich dabei um ein neues Berufsbild mit einer doppelten Kompetenz: »Der Coach sollte zum einen über eine abgeschlossene heilberufliche Ausbildung sowie mehrjährige Erfahrung im gelernten Beruf verfügen und zudem eine spezielle Zusatzausbildung absolvieren, um Coachingmethoden wie etwa die motivierende Gesprächsführung zu erlernen.« Die Deutsche Gesellschaft für bürgerorientierte Versorgung entwickle gerade ein entsprechendes Curriculum.

 

Eignet sich Patientencoaching denn auch als Dienstleistung der öffentlichen Apotheke? Dieser Frage ging Christina Verdenhalven, Referentin für Produktentwicklung und Marketing bei der ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände, in ihrem Vortrag nach. Dabei gab sie den Zuhörern zunächst einen Überblick über das bestehende Aufgabenspektrum: »Apotheken stellen flächendeckend rund um die Uhr die Arzneimittelversorgung der Bevölkerung sicher und bieten einen niedrigschwelligen Zugang zum Gesundheitssystem.« Rund 4,1 Millionen Kundenkontakte fänden dort täglich statt, und viele Menschen wendeten sich bei gesundheitlichen Beschwerden zunächst an die Apotheker. Diese belegten einer aktuellen Umfrage zufolge im Vertrauen der Bevölkerung den vierten Platz hinter Piloten, Feuerwehrleuten und Krankenschwestern.

 

Enger Kundenkontakt und heilberufliche Kompetenz prägten die Dienstleistungen in der Offizin. »Apotheker überwachen die Arzneimittelsicherheit, stärken die Therapietreue und engagieren sich für die Prävention, indem sie unter anderem Früherkennungsuntersuchungen durchführen.« Viele Apotheken böten zudem ein Medikationsmanagement, also Dokumentation und Monitoring aller in der Apotheke abgegebenen Medikamente, Betreuung chronisch Kranker und Patientenanleitungen durch pharmazeutisches Personal, zum Beispiel zur richtigen Anwendung von Blutzuckermess- und Inhalationsgeräten. »In dieses Spektrum könnte sich das Patientencoaching als sinnvolle Ergänzung einfügen«, sagte Verdenhalven. Allerdings seien dafür zunächst die nötigen Voraussetzungen zu schaffen, insbesondere geeignete Fortbildungsangebote für Apotheker zu entwickeln, Pilotprojekte durchzuführen und zu evaluieren und die Honorierung zu klären. Zudem müsse wohl jede Apotheke individuell entscheiden, ob die neue Dienstleistung thematisch zu ihren sonstigen Schwerpunkten passe.

 

Vielversprechend erscheint in diesem Zusammenhang der Vortrag von Professor Dr. Dorothee Gänshirt, der Geschäftsführenden Präsidentin der »European Health Care Foundation«. Diese gemeinnützige Gesellschaft mit Sitz in Zürich beschäftigt sich mit der Versorgung chronischer kranker Patienten und bildet nach US-amerikanischem Vorbild Coaches für Typ-2-Diabetiker aus. »Wir haben kürzlich eine Studie durchgeführt, um den Nutzen des Konzepts zu überprüfen«, sagte Gänshirt. Dafür absolvierten zunächst 25 Apotheker und pharmazeutisch-technische Assistenten aus zwölf deutschen Apotheken die Coaching-Ausbildung der »European Health Care Foundation«. »Die Teilnehmer gaben anschließend an, sie seien mit den Schulungsinhalten sehr zufrieden und fühlten sich viel besser auf den Umgang mit Typ-2-Diabetikern vorbereitet.« Zudem zeigten sie in Tests bezüglich der Erkrankung einen deutlichen Wissenszuwachs.

 

Apotheker als Coach für Diabetiker

 

Mit ihren frisch gewonnenen Kenntnissen coachten sie in den nächsten sechs Monaten 138 Typ-2-Diabetiker, in der Regel Apotheken-Stammkunden. Die Coachings fanden alle zwei Wochen als Gruppensitzungen statt und dauerten jeweils 90 Minuten. »Die Patienten gaben hinterher dem Konzept und ihren Coaches sehr gute Noten«, sagte Gänshirt. »Viele sagten sogar, sie würden sich am liebsten gleich noch einmal coachen lassen.« Zudem stellten sie in Tests einen hohen Wissenszuwachs zum Thema Diabetes unter Beweis. Vor allem aber wirkte sich das Konzept tatsächlich günstig auf den Krankheitsverlauf aus. »Bei rund 70 Prozent der teilnehmenden Patienten zeigte sich am Ende der sechsmonatigen Studie eine deutliche Senkung des HbA1c-Werts, nämlich um durchschnittlich 0,7 Prozentpunkte. Das übersteigt meine kühnsten Hoffnungen.« Nun sei abzuwarten, wie sich der Blutzucker in der Nachbeobachtungsphase entwickle. Doch schon jetzt plant Gänshirt, Ausbildungskonzepte für das Patientencoaching weiterer chronischer Krankheiten wie Asthma und Rheuma zu entwickeln. »Ich bin überzeugt davon, dass Betroffene und Gesundheitssystem davon profitieren. Hoffentlich verbreitet sich dieser Gedanke bald in Deutschland.« /

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