Pharmazeutische Zeitung online
Röntgenmuseum

Die Welt wird durchsichtig

26.02.2014  09:48 Uhr

Von Ulrike Abel-Wanek, Remscheid / Rund 1,66 Röntgenunter­suchungen hatte jeder Deutsche im Jahr 2010. Wilhelm Conrad Röntgen entdeckte 1895 die sogenannten X-Strahlen, die erstmals lebende Körper durchleuchten konnten. Das Deutsche Röntgenmuseum stellt den Physiker in den Mittelpunkt einer interaktiven, modernen Ausstellung, die auch ein Zeichen setzen will gegen »naturwissenschaftliches Analphabetentum« in der Gesellschaft.

Röntgen war einer der ersten Medienstars der Wissenschaft. Die von ihm entdeckten X-Strahlen können als Wendepunkt der Wissenschaftsgeschichte bezeichnet werden. Der Blick in den lebenden Menschen war dabei der spektakulärste Anwendungsbereich. Bis zur Entdeckung der bis dahin vollkommen neuen Art von Strahlen, die feste Körper durchdrangen und mit lichtempfindlichem Papier sichtbar gemacht werden konnten, gab es nur wenige diagnostische Geräte, die sprichwörtlich Einsicht in das bisher Verborgene des Körperinneren gewährten. Ein Beispiel ist das Endoskop, mit dem man seit Beginn des 19. Jahrhunderts den Magen-Darm-Trakt durch die Körperöffnungen spiegeln konnte.

 

Bevor Röntgen ins Rampenlicht der Öffentlichkeit rückte und sein Name weltbekannt wurde, hatte der 1845 in Remscheid-Lennep geborene Sprössling einer Tuchmacherfamilie zunächst einige Hürden zu nehmen. Als Schüler flog er 1864 in Utrecht, wo die Familie inzwischen lebte, wegen eines Streichs von der Schule. Das Abitur blieb dem hochbegabten jungen Röntgen dadurch verwehrt. 1865 verhalfen ihm seine guten Noten dennoch zum Studium des Maschinenbaus und der Physik am Eidgenössischen Polytechnikum in Zürich – mit Promotion im Jahr 1869. Später verweigerte ihm die Universität Würzburg aufgrund seines fehlenden Abiturs die Habilitation. Dieselbe Universität bot ihm einige Jahre später –nach inzwischen erfolgter Habilitation in Straßburg – die Leitung ihres Physikalischen Instituts an. Hier machte Röntgen am 8. November 1895 die Entdeckung, für die er 1901 den Physik-Nobelpreis verliehen bekam. Es war der erste Nobelpreis überhaupt, der vergeben wurde.

 

Lernlabor statt Gerätepark

 

Mit der Preisverleihung in Stockholm beginnt auch der Ausstellungs-Rundgang. Jahrhundertwende-Atmosphäre, Ouvertüren-Musik und Festakt-Stimmung zeugen gleich im ersten Raum vom Paradigmenwechsel des Röntgen-Museums. »Seit 10 Jahren wird das Haus Zug um Zug vom rein wissenschaftszentrierten Spezialmuseum zu einem lebenspraktisch verankerten Themenmuseum kreativen Forschens und erlebnisreichen Entdeckens umgestaltet«, sagt der stellvertretende Museumsdirektor Dr. Uwe Busch. Weg vom Gerätepark hin zu einem Laboratorium des Lernens, laute nun die Devise. »Inhaltliche Neuausrichtung und inszenatorische Präsentation: Damit treten Besucher direkt in die Fußstapfen von Wilhelm Conrad Röntgen«, so Busch. »Sie nehmen seine Rolle ein, sind selber Forscher und Entdecker.« Folglich darf man im Museum fast alle Exponate anfassen und ausprobieren.

Das Museum in idyllischer Altstadtlage, nur wenig entfernt von Röntgens Geburtshaus, das inzwischen auch zum Museum gehört, wird seit 2004 Stück für Stück um- und ausgebaut und macht sich für die Allgemeinverständlichkeit der Naturwissenschaften stark. Mit dem Kauf, der Instandsetzung und Neukonzeption des rund 250 Jahre alten Geburtshauses durch die Deutsche Röntgen-Gesellschaft, die das Haus 2011 erwarb, will das Museum auch international auf sich und seine weltweit einmalige Sammlung aufmerksam machen: Ausstellungs- und Tagungsraum sowie ein Gästeappartement sollen zukünftig den Austausch von Wissenschaftlern und Interessierten aus aller Welt fördern.

 

Die Ausstellung zeigt Privates ebenso wie Röntgens physikalisches Labor.Der Physiker liebte die Natur, das Klettern und die Jagd. Und er war begeisterter Hobbyfotograf. Der Entwicklung der modernen Fotografie im 19. Jahrhundert war es überhaupt zu verdanken, dass Röntgenbilder herzustellen waren. Röntgens Labor gibt Einblick in seine Absorptionsexperimente, die bewiesen, dass die neu entdeckten Strahlen nahezu alles durchdringen konnten – auch die Hand seiner Frau Bertha, die die erste Versuchsperson ihres Mannes war. »Dabei hat Röntgen ganz normale physikalische Forschung gemacht, die Apparate, die man für die Versuche brauchte, hatte jedes physikalische Laboratorium«, erläutert Busch. Tatsächlich ebneten zahlreiche Wissenschaftler und Experimentatoren durch ihre Untersuchungen den Weg zur Entdeckung der Röntgenstrahlung. Aber es war ihr Namensgeber, der sie als Erster wahrgenommen und untersucht hat.

 

Gigantische Röntgenmanie

Als ein Bericht seiner Publikation »Ueber eine neue Art von Strahlen«, die ausschließlich für Fachkollegen bestimmt war, am 5. Januar 1896 den Weg in eine Wiener Tageszeitung fand, verbreitete sich die sensationelle Entdeckung über die gläsern machenden Strahlen wie ein Lauffeuer über die ganze Welt. Sogar die New Yorker erfuhren durch die »Times« bereits am 16. Januar von Röntgens Entdeckung. Nicht nur in der Medizin grassierte fortan eine gigantische Röntgenmanie, vielerorts warben auf Ausstellungen und sogar auf Jahrmärkten Röntgenapparate um die Gunst des Publikums. Im Vorübergehen ließen sich Besucher unbedacht durchleuchten und warfen einen Blick hinein in ihren Körper. Die kommerzielle Nutzung der Röntgentechnik machte Wissenschaft zur Schau. Die Erkenntnis, dass Röntgenstrahlen im lebenden Gewebe eine Kette von physikalischen, chemischen und biologischen Veränderungen auslösen, die zu genetischen Schädigungen und sogar zum Tod führen können, setzte sich erst später durch. In Deutschland standen noch Anfang der 1970er-Jahre sogenannten Pedoskope in Schuhgeschäften, die Kinderfüße mithilfe von Röntgenstrahlen durchleuchteten, um zu kontrollieren, ob die neuen Schuhe passten.

 

Fluch und Segen zugleich: Die weiteren Ausstellungsstationen zeigen, wie Röntgendiagnostik den Schwerverletzten des Ersten Weltkriegs und den Tuberkulosekranken half und gibt Einblick in die Entwicklung der Strahlentherapie. Sammlungsschwerpunkt sei die Aufarbeitung der Geschichte der Radiologie, so Busch. Radioaktivität sei ein emotional besetztes Thema, das aber nicht immer physikalisch korrekt diskutiert würde. »Wir wollen die Besucher befähigen, sich ein eigenes Bild zu machen«, so der Medizinphysiker. Die Ausstellung werfe den Blick zurück, aber auch nach vorne. Das Haus zeige Naturwissenschaft und High Tech. Röntgenstrahlen sind in alle naturwissenschaftlichen Felder eingedrungen, nicht nur in die Medizintechnik: in die Genomforschung ebenso wie in die Material- und Qualitätsprüfung oder die Archäologie und Mumienforschung. 

In die Kunstanalyse, die Sicherheitstechnik, wie sie zum Beispiel am Flughafen angewendet wird, in die Mikrobiologie und Röntgenastronomie – vom Mikro- bis Makrokosmos. »Das Museum ist ein Wissensbrunnen«, fasst Busch zusammen. »Sie können so tief schürfen, wie Sie wollen. Rund 60 000 Datensätze sind auf Knopfdruck abrufbar, die Informationsvermittlung ist komplett digital. Interessierte können hier stundenlang verweilen, stöbern und studieren.« Außerdem könne man immer wiederkommen und weiterforschen. Wiederholungstäter seien ausdrücklich erwünscht. /

Deutsches Röntgenmuseum

Schwelmer Straße 41

42897 Remscheid

www.roentgenmuseum.de

Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
 
FAQ
SENDEN
Wie kann man die CAR-T-Zelltherapie einfach erklären?
Warum gibt es keinen Impfstoff gegen HIV?
Was hat der BGH im Fall von AvP entschieden?
GESAMTER ZEITRAUM
3 JAHRE
1 JAHR
SENDEN
IHRE FRAGE WIRD BEARBEITET ...
UNSERE ANTWORT
QUELLEN
22.01.2023 – Fehlende Evidenz?
LAV Niedersachsen sieht Verbesserungsbedarf
» ... Frag die KI ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln. ... «
Ihr Feedback
War diese Antwort für Sie hilfreich?
 
 
FEEDBACK SENDEN
FAQ
Was ist »Frag die KI«?
»Frag die KI« ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums versehen, in denen mehr Informationen zu finden sind. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung verfolgt in ihren Artikeln das Ziel, kompetent, seriös, umfassend und zeitnah über berufspolitische und gesundheitspolitische Entwicklungen, relevante Entwicklungen in der pharmazeutischen Forschung sowie den aktuellen Stand der pharmazeutischen Praxis zu informieren.
Was sollte ich bei den Fragen beachten?
Damit die KI die besten und hilfreichsten Antworten geben kann, sollten verschiedene Tipps beachtet werden. Die Frage sollte möglichst präzise gestellt werden. Denn je genauer die Frage formuliert ist, desto zielgerichteter kann die KI antworten. Vollständige Sätze erhöhen die Wahrscheinlichkeit einer guten Antwort.
Wie nutze ich den Zeitfilter?
Damit die KI sich bei ihrer Antwort auf aktuelle Beiträge beschränkt, kann die Suche zeitlich eingegrenzt werden. Artikel, die älter als sieben Jahre sind, werden derzeit nicht berücksichtigt.
Sind die Ergebnisse der KI-Fragen durchweg korrekt?
Die KI kann nicht auf jede Frage eine Antwort liefern. Wenn die Frage ein Thema betrifft, zu dem wir keine Artikel veröffentlicht haben, wird die KI dies in ihrer Antwort entsprechend mitteilen. Es besteht zudem eine Wahrscheinlichkeit, dass die Antwort unvollständig, veraltet oder falsch sein kann. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung übernimmt keine Verantwortung für die Richtigkeit der KI-Antworten.
Werden meine Daten gespeichert oder verarbeitet?
Wir nutzen gestellte Fragen und Feedback ausschließlich zur Generierung einer Antwort innerhalb unserer Anwendung und zur Verbesserung der Qualität zukünftiger Ergebnisse. Dabei werden keine zusätzlichen personenbezogenen Daten erfasst oder gespeichert.

Mehr von Avoxa