Pflichtangaben unbedingt beachten |
26.02.2007 17:24 Uhr |
Von Rainer Auerbach und Friederike Scriba, Berlin
Die Werbung von Apotheken für Arzneimittel hat seit Wegfall der Preisbindung für OTC stark zugenommen. Es gibt kaum einen Werbeflyer, in dem nicht auch für Arzneimittel geworben wird. Für den Apotheker stellt sich dabei immer die Frage, welche Angaben er nach dem Heilmittelwerbegesetz (HWG) machen muss.
Da der Umfang der Pflichtangaben jedes Werbeflugblatt sprengen würde, wird häufig die Frage gestellt, ob man die Angaben nicht etwas kompakter gestalten kann. Die Lösung liefert die sogenannte Erinnerungswerbung gemäß § 4 Abs. 6 HWG. Doch was muss in diesem Fall angegeben werden und was darf nicht angegeben werden? Um es vorwegzunehmen: Bei der Erinnerungswerbung liegt die Kunst im Weglassen. Zu viel Information und Gestaltung birgt eher Gefahren.
Wirbt ein Apotheker für Arzneimittel, hat er die Vorgaben des Heilmittelwerbegesetzes zu beachten. Dieses Gesetz sieht eine Reihe von Einschränkungen bezüglich der Arzneimittelwerbung vor. So darf gemäß § 11 Abs. 1 HWG außerhalb der Fachkreise für Arzneimittel nicht mit Gutachten, Zeugnissen, wissenschaftlichen oder fachlichen Veröffentlichungen sowie mit Hinweisen darauf geworben werden. Für verschreibungspflichtige Arzneimittel darf gemäß § 10 Abs. 1 HWG nur bei Ärzten, Zahnärzten, Tierärzten, Apothekern und Personen, die mit diesen Arzneimitteln erlaubterweise Handel treiben, geworben werden. Dies ist nur eine beispielhafte Aufzählung der zahlreichen Einschränkungen.
Aber auch im Rahmen der zulässigen Arzneimittelwerbung muss der Apotheker zahlreiche Besonderheiten des Heilmittelwerberechts berücksichtigen. So enthält § 4 Abs. 1 bis 5 HWG einen umfassenden Katalog von erforderlichen Pflichtangaben. Weiterhin ist geregelt, unter welchen Umständen es des Hinweistextes »Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker« bedarf. Die Regelungen des § 4 Abs. 1 bis 5 HWG verweisen in komplizierter Weise aufeinander und verwirren mehr, als dass sie Klarheit schaffen. Zudem sind mit diesen Vorschriften aus Gründen des Verbraucherschutzes unweigerlich erhebliche Einschränkungen verbunden.
Erinnerungswerbung
Der Gesetzgeber hat in § 4 Abs. 6 Satz 1 HWG für die sogenannte Erinnerungswerbung einen Ausnahmetatbestand geschaffen, der von den Pflichten der Absätze 1, 1a, 3 und 5 befreit. Im Falle der Erinnerungswerbung sind weder Pflichtangaben zu machen, noch bedarf es des besonderen Hinweistextes. § 4 Abs. 6 Satz 1 HWG ist demzufolge ein legitimes Schlupfloch, um den lästigen und hinderlichen Pflichtangaben zu entgehen. Dieser Ausnahmetatbestand hat auch für den Apotheker eine außerordentliche Bedeutung, denn nur dann muss er beispielsweise auf Werbeflyern, bei der Schaufensterwerbung oder Werbeaufstellern in der Apotheke keine zusätzlichen Angaben machen. So würde es wohl auch den Umfang der Werbung sprengen, müsste der Apotheker auf dem Werbeflyer zu jedem beworbenen Arzneimittel die doch sehr umfangreichen Pflichtangaben machen.
Jedoch ist problematisch, wie weit der Ausnahmetatbestand der Erinnerungswerbung reicht. Allein die Legaldefinition durch den Gesetzgeber reicht nicht aus, um den Anwendungsbereich der Erinnerungswerbung zu beschreiben. Nach dem Gesetzgeber liegt Erinnerungswerbung vor, wenn ausschließlich mit der Bezeichnung eines Arzneimittels oder zusätzlich mit dem Namen, der Firma, der Marke des pharmazeutischen Unternehmers oder dem Hinweis »Wirkstoff:« geworben wird.
Zwar wird von dieser Definition die Werbung mit dem Anwendungsgebiet nicht umfasst, jedoch kann in Ausnahmefällen eine solche Angabe zulässig sein. Dies ist nämlich dann der Fall, wenn das Anwendungsgebiet Bestandteil der zugelassenen Bezeichnung des Arzneimittels ist und ohne diese das Arzneimittel nicht in den Verkehr gebracht werden darf. Das Anwendungsgebiet gehört dann zur Bezeichnung des Arzneimittels und zählt so zu den in § 4 Abs. 6 HWG legaldefinierten Bestandteilen.
Falle: Zu viele Infos und Gestaltung
Zu den umstrittensten Problemen des Heilmittelwerberechts und der Erinnerungswerbung im Besonderen zählt die Frage, inwiefern zusätzliche Angaben, die über die in § 4 Abs. 6 Satz 2 HWG wörtlich benannten hinausgehen, der Qualifizierung einer Werbung als Erinnerungswerbung entgegenstehen. Der Bundesgerichtshof hat schon im Jahr 1982 höchstrichterlich entschieden, dass eine Erinnerungswerbung immer dann noch anzunehmen ist, wenn die Werbung keinerlei Sachangaben in medizinisch-gesundheitlicher Hinsicht enthält und es allein um die Ankündigung eines Arzneimittels geht, ohne dass damit Hinweise auf die Eigenschaften und Verwendungsmöglichkeiten oder ähnlich wichtige Angaben verbunden werden. Sinn der gesetzlichen Regelung ist es, die Pflichtangaben dann entbehrlich zu machen, wenn es sich um eine von jeglichen Hinweisen auf die medizinisch-gesundheitliche Bedeutung des Präparates freie Werbung handelt (BGH WRP 1982, 645 ff.). Diese Entscheidung des Bundesgerichtshofs kann damit als Auslegungshilfe für die Beurteilung der Werbung herangezogen werden.
So folgt aus dieser Auslegung, dass Preis- und Mengenangaben der Annahme einer Erinnerungswerbung nicht entgegenstehen, denn sie haben keinen medizinisch-gesundheitlichen Bezug. Auch Anpreisungen wie »zugreifen« oder »Neu im Sortiment« sind deshalb zulässig. Aber auch bildliche und grafische Darstellungen schaden in der Regel nicht.
Die Grenze ist jedoch dann erreicht, wenn der Text oder die Darstellung etwa auf die Zusammensetzung oder die Anwendungsgebiete mittelbar schließen lassen. Wenn also beispielsweise neben der Abbildung von »Klosterfrau Aktiv-Kapseln« eine Knoblauchzwiebel abgebildet wird (AG Tiergarten LRE 27, 137) oder mit dem Text »Schlank sein ist schön - schlank werden leider schwer« geworben wird (LG Ravensburg ES HWG § 4 V/Nr. 5). Unzulässig ist es demnach aber auch, ein Flugzeug abzubilden, wenn das Arzneimittel für Reisekrankheiten angewendet wird oder die Abbildung einer triefenden Nase bei der Werbung für ein Erkältungspräparat. Eine Erinnerungswerbung liegt nach der Ansicht des BGH auch nicht mehr vor, wenn mit Gattungsbegriffen wie »Kneipp Pflanzensaft« geworben wird, weil darunter unterschiedliche Arzneimittel mit jeweils unterschiedlichen Zusammensetzungen und Wirkungsweisen fallen (BGH WRP 1983, 608 f.), sodass beim Empfänger der Werbung keine Erinnerung an ein bestimmtes Arzneimittel ausgelöst wird.
Besondere Schwierigkeiten bereitet die Frage, wann Qualitätsangaben im Rahmen der Erinnerungswerbung möglich sind. Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass generelle Qualitätsangaben immer zulässig sind, wie beispielsweise »Wir sind ein bekanntes Marken-Artikel-Unternehmen« (BGH WRP 1983, 393 ff.). Eine unzulässige Angabe im Rahmen der Erinnerungswerbung liegt aber bereits bei der Angabe »seit Jahren bewährt« vor, denn dadurch wird schon eine bestimmte Wirkungsweise des Präparates angedeutet. Diese Beispiele zeigen, wie schwierig bei Qualitätsangaben die Abgrenzung ist. Es ist daher Vorsicht geboten, wenn sich die Qualitätsaussage auch auf ein bestimmtes Arzneimittel beziehen kann. Überträgt man diese Rechtsprechung auf die Werbung einer Apotheke sind Angaben wie »Mehr Apotheke fürs Geld« rechtlich unbedenklich. Auch dürfte es nicht zu beanstanden sein, wenn im Rahmen von saisonalen Aktionen der Werbeflyer zum Beispiel mit »Reisapotheke« oder »Winterzeit Erkältungszeit« überschrieben wird. Denn bei dieser Gestaltung wird nicht auf ein bestimmtes Anwendungsgebiet oder die Wirkungsweise eines konkreten Arzneimittels Bezug genommen, sondern der gesamten Werbeaktion ein Motto gegeben.
Der Ausnahmetatbestand der Erinnerungswerbung gemäß § 4 Abs. 6 HWG ist somit weiter, als man zunächst bei der bloßen Betrachtung des Gesetzeswortlautes annimmt. Die obigen Ausführungen zeigen jedoch auch, dass er nicht grenzenlos ist. Wird die Grenze der zulässigen Erinnerungswerbung überschritten, sind die Pflichtangaben zwingend erforderlich. Genügt die Werbung dann nicht diesen Anforderungen, kann dies für den Apotheker weitreichende Folgen haben. Zuwiderhandlungen werden gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 2 HWG als Ordnungswidrigkeit geahndet. Von weitaus größerer Relevanz sind jedoch die wettbewerbsrechtlichen Konsequenzen; von Abmahnungen kann mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgegangen werden. Auch berufsrechtliche Folgen sind nicht auszuschließen.
Eine Erinnerungswerbung liegt vor, wenn ausschließlich mit der Bezeichnung eines Arzneimittels oder zusätzlich mit dem Namen, der Firma, der Marke des pharmazeutischen Unternehmers oder dem Hinweis »Wirkstoff:« geworben wird.
Diese Angaben und Gestaltungen sind zusätzlich möglich:
Preis- und Mengenangabe
Abbildung der Verpackung des Arzneimittels
grafische Gestaltung der Werbung, wenn dadurch kein Hinweis auf das
Anwendungsgebiet oder die Wirkungsweise erfolgt
allgemeine Anpreisungen »Neu im Sortiment«
generelle Qualitätsangaben »Mehr Apotheke fürs Geld«
saisonaler Bezug der Werbeaktion
Es darf kein medizinisch-gesundheitlicher Bezug in der Werbung für das konkrete Arzneimittel enthalten sein!
Rechtsanwalt Rainer Auerbach ist Geschäftsführer der Apothekerkammer Berlin; Friederike Scriba ist Rechtsreferendarin bei der Apothekerkammer Berlin.