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Pille danach

Was sind die Fakten?

Datum 18.02.2014  16:52 Uhr

Von Christina Hohmann-Jeddi / Sie wird in der politischen Diskussion als Abtreibungspille bezeichnet, mit gravierenden Nebenwirkungen wie einer erhöhten Thrombosegefahr in Verbindung gebracht und mit einem erhöhten Risiko für eine Eileiterschwangerschaft assoziiert – die Pille danach. Rein wissenschaftlich betrachtet sind diese Argumente nicht haltbar.

Bei Levonorgestrel handelt es sich um ein synthetisches Gestagen der zweiten Generation, das seit 1966 auf dem Markt ist. Es ist in verschiedenen Kon­trazeptiva enthalten, unter anderem in Kombination mit Estrogenderivaten oder allein in der Minipille. In diesen ist es in einer täglichen Dosierung von 0,03 bis 0,075 mg enthalten. Zur Postkoitalkontrazeption ist das Gestagen deutlich höher dosiert: Das Präparat PiDaNa® enthält 1,5 mg Levonorgestrel in einer Einzeldosis.

 

Der genaue Wirkmechanismus des Nachverhütungs-Präparats ist noch nicht vollständig aufgeklärt. Experten gehen davon aus, dass es hauptsächlich über eine Blockade des Eisprungs wirkt, heißt es in der Leitlinie »Notfall-Kontrazeption« der Faculty of Sexual and Reproductive Healthcare vom britischen Royal College of Obstetricians and Gynaecologists von 2011 (1). Es kann die Ovulation um bis zu fünf Tage hinauszögern, bis die Spermien inaktiv geworden sind, wenn es vor dem sprunghaften Anstieg des luteinisierenden Hormons (LH) eingenommen wird, der den Eisprung auslöst. Direkt zum Zeitpunkt der Ovulation eingenommen oder nach der Befruchtung der Eizelle ist Levonorgestrel nach derzeitigem Kenntnisstand wirkungslos. Es bewirkt somit auch keine Abtreibung.

 

Nach einem ungeschützten Geschlechtsverkehr oder bei einer Verhütungspanne besteht eine Wahrscheinlichkeit von 6 bis 8 Prozent, schwanger zu werden. Die Einnahme von Levonorgestrel verhindert in Abhängigkeit vom Einnahmezeitpunkt 52 bis 94 Prozent der erwarteten Schwangerschaften (2). Die Effektivität nimmt mit der Zeit ab. Daher sollte die Einnahme idealerweise innerhalb von zwölf Stunden erfolgen. Aufgrund unzureichender Wirkung nach dieser Zeitspanne ist Levonorgestrel nur zur Anwendung innerhalb von 72 Stunden zugelassen.

 

Sicher in der Anwendung

 

»Levonorgestrel-haltige Notfallkontrazeptiva sind sicher zur Anwendung bei allen Frauen, inklusive Jugendlichen«, heißt es in einem Fact-Sheet der Weltgesundheitsorganisation WHO (3). Der Wirkstoff sei kein Allergen, verlasse den Körper innerhalb weniger Tage, mache nicht abhängig und bewirke keine toxischen Reaktionen. Es bestehe kein Risiko der Überdosierung, keine Kontraindikationen und keine gravierenden Arzneimittelinteraktionen.

 

Die häufigsten Nebenwirkungen des Notfallkontrazeptivums sind Schmierblutungen, veränderte Menstruationszyklen, Kopfschmerzen und Übelkeit. Bei den meisten Frauen verschiebt sich der Zeitpunkt der Blutung; deren Länge bleibt aber unbeeinflusst. Übelkeit trat in klinischen Studien bei unter 20 Prozent der Frauen auf, Erbrechen bei etwa 1 Prozent (1). Wenn sich Frauen innerhalb von zwei Stunden nach der Einnahme des Präparats übergeben mussten, ist eine weitere Anwendung anzuraten, um die Wirksamkeit zu gewährleisten, heißt es in der britischen Leitlinie.

 

Das Risiko für Thromboembolien ist Studien zufolge nicht erhöht (4). Für das erhöhte Risiko für venöse Thromboembolien von kombinierten oralen Kontrazeptiva ist nach derzeitigem Kenntnisstand der Estrogenanteil verantwortlich. Das thrombogene Potenzial von Gestagenen und insbesondere von Levonorgestrel wird als gering angesehen. Dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) wurden sei Einführung der Pille danach in Deutschland 1998 nur zwei Verdachtsfälle von Thromboembolien nach Notfallkontrazeption gemeldet. Beide Frauen nahmen zusätzlich orale Kontrazeptiva ein, heißt es im Ergebnisprotokoll der 71. Sitzung des Sachverständigenausschusses für Verschreibungspflicht des BfArM vom 14. Januar 2014.

 

Auch das Risiko für eine Eileiter­schwangerschaft wird durch die Einnahme von Levonorgestrel nicht erhöht, wie ein systematischer Review zeigt (5). Eine vorherige ektopische Schwangerschaft ist daher keine Kontraindikation für die Einnahme des Notfallkontrazeptivums. Das Risiko der Fetaltoxizität ist noch nicht abschließend geklärt, wobei es nach aktuellem Kenntnisstand als unwahrscheinlich gilt, dass der Fetus durch die Einnahme von Levonorgestrel geschädigt wird, falls es doch zu einer Schwangerschaft kommen sollte oder falls es in der Frühschwangerschaft eingenommen wird.

 

Auswirkung auf das Sexualverhalten

 

Ein häufiges Argument gegen die Entlassung von Levonorgestrel aus der Verschreibungspflicht ist, dass dies zu einem nicht bestimmungsgemäßen Gebrauch oder zu Auswirkungen auf das Sexualverhalten führen kann. Eine mögliche Folge könnte sein, dass durch die Verfügbarkeit des Notfallkontrazeptivums der Gebrauch von regulären Kontrazeptiva vernachlässigt werden könnte. Erfahrungen aus anderen Ländern, die die Verschreibungspflicht bereits aufgehoben haben, zeigen, dass dies nicht zutrifft. So ergab zum Beispiel eine Untersuchung aus Frankreich an einer repräsentativen Kohorte von 2863 Frauen zum Zeitpunkt der Entlassung aus der Verschreibungspflicht 1999 bis 2004, dass sich das Verhalten nicht negativ ändert: Von den untersuchten Frauen setzten 272 Frauen die Pille danach ein. 71 Prozent dieser Frauen veränderten ihre Verhütungsmethoden in den sechs Monaten nach der Einnahme nicht, 20 Prozent wechselten in diesem Zeitraum von einer wenig effizienten Methode (Kondome, Diaphragma, keine Verhütung) zu einer hoch-effizienten Methode (orale Kontrazeptiva, Spirale, Implantate). Nur 8 Prozent wechselten von einer hoch-effizienten zu einer wenig effizienten Methode. Die Rate an Frauen, die gar nicht verhüteten, war zum Zeitpunkt der Pillen-Einnahme und sechs Monate danach gleich (6).

 

Auch das gern kolportierte Argument, dass die Abtreibungsraten nach Freigabe der Pille danach angestiegen seien, ist nicht zutreffend. So zeigte sich zum Beispiel in Großbritannien ein Anstieg der Rate von den 1970er-Jahren bis zum Jahr 2006, seitdem sinkt sie (7). Freigegeben wurde die Pille danach im Jahr 2001. Das Land mit der niedrigsten Abbruchrate im »europäischen« Vergleich, die Schweiz, hat die Pille seit 2002 rezeptfrei. /

 

Quellen 

  1. Leitlinie »Notfall-Kontrazeption»des der Faculty of Sexual and Reproductive Healthcare vom britischen Royal College of Obstetricians and Gynaecologists von 2011. (www.fsrh.org/pdfs/CEUguidanceEmergencyContraception11.pdf)
  2. www.who.int/mediacentre/factsheets/fs244/en
  3. whqlibdoc.who.int/hq/2010/WHO_RHR_HRP_10.06_eng.pdf
  4. Ergebnisprotokoll der 71. Sitzung des Sachverständigenausschusses für Verschreibungspflicht des BfArM vom 14. Januar 2014
  5. Cleland, K., et al. Ectopic pregnancy and emergency contraceptive pills: a systematic review. Am J Obstet Gynecol 2010; 115: 1263–1266.
  6. Moreau, C., et al. The Effect of Access to Emergency Contraceptive Pills on Women’s Use of Highly Effective Contraceptives: Results From a French National Cohort Study. Am J Public Health. 200¬¬9; 99(3): 441–442.
  7. Department of Health Abortion Statistics, England and Wales: 2012. www.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/211790/2012_Abortion_Statistics.pdf
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