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Apothekenführung

Mit Kompetenz auf Kundenfang

15.02.2011  18:17 Uhr

Von Steffen Fleßa und Andreas Blümel / Der Apothekenmarkt hat sich stark verändert. Selbstständige Apotheker müssen darauf reagieren, wenn sie ihren Beruf wirtschaftlich tragfähig und fachlich verantwortbar ausüben wollen. Ein strategisches Betriebsmanagement kann helfen, die Herausforderungen der Zukunft zu meistern.

Apotheken sehen sich zahlreichen Veränderungen gegenüber. Globalisierung, Liberalisierung, demografischer Wandel und epidemiologische Transition sind nur einige Schlagwörter. Strukturell lassen sich drei Dimensionen unterscheiden: Komplexität, Dynamik und Zufallseinfluss, Stochastik genannt. Alle drei haben massiv zugenommen.

So war für einen Apotheker in einer Kleinstadt bis vor wenigen Jahren die Welt außerhalb seines Städtchens praktisch irrelevant. Er hatte häufig eine Monopolstellung, belieferte nur seine direkten Kunden und wurde regelmäßig von einem Vertreter seines Großhändlers besucht. Sein Unternehmen war überschaubar und bestand primär aus ihm selbst und zwei Assistentinnen. Er plante, organisierte und kontrollierte alles selbst. Er konnte alle Zusammenhänge vollständig erfassen, durchschauen und bewerten. Und er konnte bewusst die Welt außerhalb seiner Apotheke ausklammern, denn die Kunden kamen wie selbstverständlich zu ihm.

 

Dieselbe Apotheke wird heute mit einer globalisierten Welt konfrontiert, in der innerhalb weniger Jahre eine gewaltige Zahl von Verknüpfungen aufgebaut wurde, die es dem Apotheker unmöglich macht, seine Umwelt auszublenden. Durch das Internet und den Versandhandel bekam er Konkurrenz in Deutschland und weltweit. Sein Großhändler beliefert nun auch den Drogeriemarkt an der nächsten Straßenecke. Als Reaktion überlegt der Apotheker, ob er nicht eine Filiale am anderen Ende der Stadt eröffnen und hierfür einen zweiten Apotheker und weitere Assistenten einstellen soll. Er muss sich mit Konkurrenten, verschiedenen Lieferanten, zahlreichen neuen Gesetzen, alternativen Absatzformen und den internationalen Preisentwicklungen bis hin zu Reimporten beschäftigen. Dabei ist der Einfluss der Unsicherheit und damit der Stochastik ge- stiegen.

 

Alle Unternehmensbereiche planen

 

Mit einer strategischen Betriebsführung können Apotheker auf die beschriebenen Veränderungen reagieren. Sie ist eine Kernkompetenz für langfristig erfolgreiche Apotheken. Denn ein Apothekenkunde will niemals nur ein Arzneimittel, sondern hat weitere Bedürfnisse – zum Beispiel nach Beratung, Freundlichkeit, Schnelligkeit oder Verlässlichkeit. Diese Bedürfnisse zu erkennen, das Angebot fachlich korrekt, ethisch verantwortbar und wirtschaftlich nachhaltig zu gestalten und die richtigen Kooperationsformen zu finden, ist Aufgabe des strategischen Apothekenmanagements. Dabei muss sie langfristig angelegt sein und alle Bereiche umfassen: die Produkt- und Zielgruppenpolitik, die Potenzial- und Prozesspolitik, die Struktur- und die Personalpolitik.

 

Ausgangspunkt der Produkt- und Zielgruppenpolitik ist die Tatsache, dass die Kunden einer Apotheke nicht mehr homogen sind, sondern in viele kleinere Gruppen zerfallen, die unterschiedliche Anforderungen an eine Apotheke stellen. Der Apotheker muss deshalb entscheiden, ob er als Allrounder oder Segmentanbieter tätig sein möchte, welches Segment er wählt und mit welchen Dienstleistungen er seine Kunden befriedigen möchte. Es ist beispielsweise offensichtlich, dass die Gruppe der »Young Professionals« von der Apotheke primär Schnelligkeit fordert, während für andere Gruppen vor allem Beratung zählt. Der Apotheker muss festlegen, ob er beide Gruppen befriedigen kann, oder ob er parallele Angebote für unterschiedliche Kundenbedürfnisse betreibt.

In der Potenzial- und Prozesspolitik plant der Apotheker die Entwicklung der sachlichen und personellen Kapazitäten. Sie sind die Basis, um das Erbringen von Leistungen zu verbessern. Dazu muss der Apotheker langfristig festlegen, wie er qualifizierte und motivierte Mitarbeiter gewinnt und hält, wo er seinen Standort hat, welche Geräte er betreibt oder wie seine Apotheke ausgestattet ist. Und er muss alle Prozesse im Verkauf, in der Produktion und in der Beratung auf die Bedürfnisse seiner Kunden ausrichten. Das erfordert ein planvolles, gestalterisches und aktives Vorgehen.

Die Strukturpolitik legt – in Überschneidung zur Potenzialpolitik – den Standort der Apotheke fest, hat jedoch als Schwerpunkt mögliche Formen von Kooperation mit anderen Wirtschaftspartnern und die Organisation der Apotheke innerhalb ihres Versorgungsnetzes. Das soll die Rahmenbedingungen des eigenen Handelns so festlegen, dass die Apotheke die Bedürfnisse der Kunden optimal erfüllen kann.

Die strategische Personalpolitik dient dem langfristigen Sichern des Personalbestandes und umfasst die Auswahl, das Einarbeiten, das Fortbilden, das Motivieren und das Kündigen von Mitarbeitern als wichtigste Ressource einer Apotheke. Gerade in großen Apotheken gewinnt das Führen von Teams auf der Grundlage von Vertrauen, Fachlichkeit und Persönlichkeit immer größere Bedeutung und sollte nicht dem Zufall überlassen sein.

 

Strategisches Geschäftsziel festlegen

 

Eine Apotheke kann verschiedene Unternehmensziele verfolgen. Erstens kann sie eine Preisführerschaft anstreben, also die billigste am Markt sein. Derzeit ist dies allerdings nur im OTC-Bereich möglich ist. Für viele Medikamente ist der Preis fixiert, oder er ist für Kunden nicht relevant, weil sie Versicherungsschutz genießen. In diesen Fällen kann eine Apotheke aber die sogenannten Opportunitätskosten in Form von Zeitverlusten minimieren, indem sie sich bewusst auf eilige Kunden einstellt und zum Beispiel Drive-In-Apotheken anbietet. Zweitens kann eine Apotheke eine Qualitätsführerschaft erstreben, die sich primär in einer sehr guten Beratung zu Arzneimitteln ausdrückt und vor allem auf motivierten und qualifizierten Mitarbeitern beruht. Drittens kann eine Apotheke eine Nischenstrategie wählen und sich zum Beispiel auf Senioren oder Wellness spezialisieren.

 

Welches Unternehmensziel für eine Apotheke das richtige ist, kann sie nur unter Berücksichtigung der jeweiligen Konkurrenzsituation entscheiden. Bei den klassischen Strategien – Preisführerschaft, Qualitätsführerschaft, Nischenanbieter – hat die Qualitätsführerschaft jedoch die größte Zukunftsperspektive. Sie äußert sich beim Einkauf in der Apotheke durch Freundlichkeit, Schnelligkeit, gute Logistik und in der fachlichen Beratung. Fachlichkeit in Kombination mit sozialer Kompetenz dürfte der Faktor sein, der über die Zukunftsfähigkeit einer einzelnen Apotheke entscheidet.  /

Studie: Es dominiert Masse statt Klasse

Welche der klassischen Unternehmensstrategien Preisführerschaft, Qualitätsführerschaft oder Nischenanbieter Apotheken in der Praxis umsetzen, zeigte eine Befragung von 17 selbstständigen Apothekern in einer deutschen Kleinstadt, die die Universität Greifswald im Sommer 2009 machte. Die Befragten waren im Durchschnitt seit 13,1 Jahren Eigentümer der Apotheke und verstanden sich primär als Pharmazeuten, erst in zweiter Ebene als Kaufleute. Andere Aspekte des Berufes – wie Berater, Vorgesetzter, Organisator, Bedarfsdecker – nannten die Befragten selten.

 

Die Ergebnisse:

Eine bewusste Wahl als Preisführer wählte keine Apotheke. Das zeigte sich zum Beispiel daran, dass niemand »dauerhaft günstige Preise« als Faktor zur Kundengewinnung nannte. Auch bei OTC-Medikamente hielten die Apotheker sich im Wesentlichen an die Preisempfehlungen der Hersteller. Nur zwei Apotheken nutzten Rabattkarten oder Preisnachlässe, Letztere primär für Privatkunden.

Eine Strategie der Qualitätsführerschaft war nicht erkennbar. Die Apotheker waren sich zwar darüber im Klaren, dass das Einhalten eines hohen Qualitätsstandards in ihrer Wettbewerbssituation wichtig ist. Aber nur zwei Apotheken besaßen ein strukturiertes Qualitätsmanagement. Die überwiegende Mehrheit der Apotheker sah die Forderung eines Qualitätsmanagements kritisch, da es sowieso ihrem Berufsbild entspräche, maximale Qualität zu leisten.

Ein Abgrenzen zur Konkurrenz durch besondere logistische Dienstleistungen erfolgte kaum. Persönliche Lieferungen an Patienten waren nur auf persönliche Gefälligkeit zurückzuführen, aber entsprangen keiner strategischen Entscheidung. Sonderformen, wie Drive-In-Apotheke oder Kinderbetreuung, existierten in der Kleinstadt überhaupt nicht.

Der überwiegende Teil der Apotheker verfolgte eine Massenmarktstrategie. Neun Befragte gaben an, bewusst darauf zu verzichten, bestimmte Kundengruppen anzusprechen. In zwei Fällen gab es Beratungsschwerpunkte, aber ohne konkrete Zielgruppe. In vier Apotheken bestand in Ansätzen eine Marktsegmentierung. Durch den Aufbau ihrer Ware und spezifische Mitarbeiterschulungen sprachen sie bestimmte Kundengruppen an. Eine konsequente Umsetzung ließ sich allerdings nicht feststellen, es handelte sich lediglich um ein zusätzliches Segment.

Nur eine Apotheke hatte eine Filiale gegründet. Fünf Apotheker konnten sich dies grundsätzlich vorstellen. Die Mehrheit der Befragten lehnte dies jedoch strikt ab.

 

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die befragten Apotheker einer deutschen Kleinstadt ein eher konservatives Verständnis der Apotheke hatten. Sie nahmen den Wettbewerbsdruck durchaus wahr, er hatte aber bislang nicht zu einer bewussten Strategie geführt. Einig waren sich alle Apotheker darin, dass die Beratung eine dominante Rolle im Kampf um die Existenzsicherung spielt. Sie wird aber eher als Waffe gegen Versandapotheken und Pick-up-Stellen gesehen, denn als ein Instrument der Abgrenzung von anderen klassischen Apotheken.

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