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Ocrelizumab bei MS

Angriff auf die B-Zellen

07.02.2018  10:17 Uhr

Von Kerstin A. Gräfe, Frankfurt am Main / Seit Kurzem ist der ­Antikörper Ocrelizumab (Ocrevus®) zur Behandlung von Patienten mit Multipler Sklerose (MS) auf dem Markt. Große Hoffnungen auf den gegen CD20-positive B-Zellen gerichteten Wirkstoff ­setzen vor allem MS-Kranke mit einer primär progredienten ­Verlaufsform. Für diese Subgruppe gab es bislang keine Therapieoption.

»Wir können die MS nicht heilen, aber wir können sie mit innovativen Medikamenten so gut wie zum Stillstand bringen«, sagte Professor Dr. Ralf Gold vom Universitätsklinikum der Ruhr-Universität Bochum auf der Launch-Pressekonferenz von Roche. Das gelinge allerdings nur, wenn eine Therapie möglichst früh und möglichst intensiv einsetzt, und gilt gleichermaßen für die primäre progrediente MS (PPMS) und die remittierend schubförmige Form (RRMS). Denn heutzutage wisse man, dass auch in den schubfreien Phasen die Autoimmun-Entzündung weiter fortschreitet.

 

Nervenzellen regenerieren

 

Dass die Patienten diesen schwelenden Prozess nicht bemerken, sei auf die neuronale Plastizität zurückzuführen, sagte Gold. Darunter versteht man die Fähigkeit bestimmter Nervenzellen, sich bestimmten Situationen anzupassen. Im Fall der MS können sie zumindest zu Beginn der Erkrankung die Zerstörung der axonalen Myelinscheide kompensieren. Ist das Potenzial erschöpft, empfindet der Betroffene die Beeinträchtigungen recht deutlich, obwohl die Entzündungsaktivität inzwischen um 80 bis 90 Prozent abgenommen hat. »Es klingt paradox, aber am Anfang ist die Entzündung am stärksten«, erklärte der Neurologe. MS-Schübe könnten daher nur so lange voll­remittieren, wie das Nervensystem mithilfe seiner Plastizität die Schädigung kompensieren kann. Vor diesem Hintergrund sieht der Neurologe die MS-Therapie im Wandel. Während heutige Behandlungen auf das Sistieren der Krankheitsaktivität abzielen, könnten zukünftige Ansätze eine Regeneration im Visier haben. Vollstellbar seien zum Beispiel individualisierte Therapien basierend auf genetischen Markern, so Gold.

 

»Mit Ocrelizumab steht die erste ­zugelassene krankheitsmodifizierende Behandlungsoption für PPMS-Patienten zur Verfügung«, sagte Professor Dr. Volker Limmroth von der Klinik für Neurologie und Palliativmedizin Köln-Merheim. An dieser schweren Verlaufsform leiden etwa 10 bis 15 Prozent der MS-Patienten. Bei den Betroffenen werden Symptome wie Lähmungen, Sehstörungen oder Missempfindungen kontinuierlich stärker, Schübe treten nur selten oder gar nicht auf. Zugleich darf der neue Antikörper bei Patienten mit RRMS eingesetzt werden.

 

Bindung an CD20

 

Ocrelizumab wirkt antiinflammatorisch, indem der Antikörper gezielt an das Oberflächenprotein CD20 auf B-Zellen bindet und dadurch die B-Zell-vermittelten entzündungsfördernden Prozesse abschwächt (Grafik). Die Zellen exprimieren CD20 nur in bestimmten Entwicklungsphasen wie Prä-B-Zellen, ­reife B-Zellen und Gedächtnis-B-Zellen. Hingegen tragen hämatopoetische Stammzellen, das heißt frühe Vorläuferzellen der B-Zellen, sowie reife Plasmazellen kein CD20. Somit bleiben die Fähigkeit zur B-Zell-Rekonstitution und das ­immunologische Langzeit­gedächtnis unter ­einer Ocrevus-­Behandlung weitgehend erhalten.

 

Die Zulassung stützt sich auf Daten von drei Phase-III-Studien mit insgesamt 2388 Patienten. Die Studien OPERA I und II mit insgesamt 1656 Patienten zeigten bei RRMS-Patienten eine deutliche Überlegenheit von Ocrelizumab im Vergleich zu Interferon beta 1a (Rebif®). Der Antikörper senkte die jährliche Schubrate signifikant um ­ 46 beziehungsweise 47 Prozent. »Etwa 80 Prozent der RRMS-Patienten blieben anschließend ­schubfrei« ergänzte Limmroth. In der placebokontrollierten Phase-III-Studie ORATORIO mit 727 PPMS-Patienten reduzierte der Antikörper das Risiko für eine Progression der Behinderung über eine Zeit von zwölf beziehungsweise 24 Wochen signifikant um 24 beziehungsweise 25 Prozent.

 

Laut Limmroth war die ­Verträglichkeit von Ocrevus vergleichbar mit der von Rebif beziehungsweise Placebo. Als häufigste Nebenwirkungen traten Infusionsreaktionen sowie Infektionen der oberen Atemwege auf. Von Vorteil sei neben der guten Verträglichkeit, dass Ocrevus nur alle sechs Monate per Infusion ver­abreicht werden muss und dazwischen kein Monitoring ­erforderlich ist.

 

Die Jahrestherapiekosten seien vergleichbar mit denen ­anderer hocheffektiver MS-Medikamente, informierte Professor Dr. Hagen Pfundner aus dem Roche-Vorstand. Die Apothekenabgabepreise würden Anfang Februar veröffentlicht und sich in der Größenordnung um die 30 000 Euro ­bewegen. /

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