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Tumordiagnostik

Der epigenetische Fingerabdruck

08.02.2017  09:39 Uhr

Von Christina Hohmann-Jeddi, Heidelberg / Von Tumor-Gewebeproben kann inzwischen nicht nur das Genom, sondern auch das Epigenom bestimmt werden. Dies findet vor allem im Rahmen der Grundlagenforschung statt, hat aber auch diagnostische Relevanz. Beispiele hierfür stellten Forscher des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) auf einer Veranstaltung in Heidelberg vor.

Alle Zellen eines Körpers haben dasselbe Genom. Dennoch unterscheiden sich die rund 100 verschiedenen Arten von Körperzellen, zum Beispiel Muskel- und Hautzellen, in Bau und Funktion deutlich voneinander, weil in verschiedenen Zelltypen unterschiedliche Gene aktiv sind. »Die Expression der Gene wird über die Epigenetik gesteuert«, sagte Professor Dr. Christoph Plass, Leiter der Abteilung Epigenomik und Krebsrisikofaktoren am DKFZ.

 

Analog zum Genom wird die Gesamtheit aller epigenetischen Merkmale auch Epigenom genannt. Der wichtigste Mechanismus ist die DNA-Methylierung, bei der eine Methylgruppe an die Base Cytosin gehängt wird. Dies kann nur erfolgen, wenn Cytosin und Guanin direkt benachbart sind, sich das Cytosin also in einem CpG-­Dinucleotid befindet. Im gesamten Genom kommen 28 Millionen dieser CpG vor, berichtete Plass. Ein weiterer Mechanismus ist die Verpackung des Chromatins, also des Komplexes aus DNA-Doppelhelix und Histon-Proteinen, aus dem die Chromosomen bestehen. Ist das Erbgut zu dicht gepackt, können die in dieser Region liegenden Gene nicht abgelesen werden. Diese epigenetischen Eigenschaften werden bereits als Targets in der Krebstherapie genutzt (lesen Sie dazu Seite 16).

 

Analyse des Epigenoms

 

Schon seit einer Weile ist bekannt, dass neben genetischen Veränderungen (Mutationen) auch epigenetische Variationen zur Krebsentstehung beitragen. Daher ist es wichtig, bei Tumoren beide Ebenen zu untersuchen, so Plass. Mittlerweile ist es möglich, große Teile des Methyloms, also der Gesamtheit der DNA-Methylierungen im Genom von Zellen, in einem Testsystem zu bestimmen. Dieses erlaubt die gleichzeitige Analyse von 450 000 beziehungsweise seit Neuerem auch 850 000 bekannten CpG aus einer Probe.

 

Bei der vergleichsweisen Untersuchung der Methylome von gesunden Körperzellen fiel auf, dass sich diese zwischen den verschiedenen Zellarten innerhalb eines Organs deutlich unterscheiden. Das Team um Plass konnte zudem zeigen, dass auch zwischen den verschiedenen Reifestadien eines Zelltyps deutliche Unterschiede bestehen. Die Forscher untersuchten den Reifungsprozess von B-Zellen, die den Ursprung für die chronisch-lymphatische Leukämie (CLL) darstellen. Sie wollten herausfinden, aus welchem Reifestadium die Ursprungszelle des Tumors hervorgeht.

 

Hierfür analysierten sie zunächst die Methylome der einzelnen Reifestadien von gesunden B-Zellen und verglichen diese dann mit den Methylomen der entarteten B-Zellen von 268 CLL-Patienten. Dabei stellten sie fest, dass eine CLL im Prinzip aus allen Reifestadien heraus entstehen kann. Die deutlichen Unterschiede in der Methylierung der entarteten Zellen wurden bislang für krebstypisch gehalten. Tatsächlich stellen sie aber das spezifische Muster der Entwicklungsstadien zum Zeitpunkt der Entartung dar. Plass' Gruppe stellte fest, dass dies Auswirkungen auf den Verlauf der Erkrankung hat: Je früher im Reifungsprozess eine Erkrankung induziert wurde, desto schlechter der Verlauf. »Mit den Methylom-Daten lässt sich die Prognose stellen«, so Plass.

 

Dass die DNA-Methylierungsmuster in Tumoren einen Fingerabdruck des Ursprungsgewebes der Tumoren darstellen, kann auch zur Klassifizierung von Hirntumoren dienen. Die klassische Art der Einteilung über die Histopathologie sei schwierig, berichtete Professor Dr. Stefan Pfister, Leiter der Abteilung Pädiatrische Neuroonkologie am DKFZ. Die mehr als 100 vorkommenden Arten können zum Teil unter dem Mikroskop gleich aussehen, aber sich biologisch unterscheiden. Bei kritischen Fällen kann die Analyse des epigenetischen Fingerabdrucks Aufschluss geben und bei der Klassifikation helfen.

Als Beispiel nannte der Onkologe Ependymome, eine Gruppe von Hirn­tumoren mit entarteten Gliazellen, die bei Kindern und Erwachsenen auftreten können. Das Team um Pfister hatte 500 Ependymome molekular charakterisiert und dabei sowohl epigenetische wie auch genetische Abweichungen erfasst und die Genaktivität analysiert. Anhand der molekularen Daten konnten die Forscher die Tumoren in neun Untergruppen einteilen. Sie stellten fest, dass die Methylierungsmuster im Verlauf der Erkrankung stabil bleiben, selbst bei einem Rückfall, was für die Klassifizierung der Erkrankung wichtig ist. »Die Klassifizierung der Ependymome anhand dieser molekularen Daten war genauer als die histopathologische Einordnung«, berichtete Pfister.

 

Dieses Prinzip sei generalisierbar. Seine Arbeitsgruppe hat ein Hirn­tumor-Referenzset erstellt, in das die epigenetischen Daten von mittlerweile 20 000 Hirntumoren eingeflossen sind. Mithilfe dieses Diagnostiktools können Hirntumoren anhand ihres Methylierungsprofils der richtigen Klasse zugeordnet werden. Zur Etablierung der Referenzkohorte sei eine weltweite Zusammenarbeit nötig, so Pfister. Mehrere europäische Länder sowie Australien und Neuseeland planen, noch dieses Jahr beizutreten und ebenfalls ihre Daten einzuspeisen.

 

In der grafischen Darstellung erscheinen die verschiedenen Klassen der Hirntumore in Abhängigkeit ihrer Häufigkeit als mehr oder weniger große Flächen, die an Inseln auf einer Weltkarte erinnern. Eine solche Insel hatten die Forscher genauer analysiert und dabei Tumorarten entdeckt, die sich im Methylierungsmuster so sehr von anderen Hirntumoren unterschieden, dass sie als neue Arten gelten müssen. Die weitere Analyse zeigte für jede dieser neuen Gruppen eine spezifische genetische Veränderung. »Wir sehen noch mindestens 20 weitere kleine Inseln, die man untersuchen kann«, sagte Pfister. /

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