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Epilepsie

Ginkgo biloba soll Krämpfe auslösen

08.02.2010  15:15 Uhr

Von Kerstin A. Gräfe / »Ginkgo-Präparate können Epilepsie-Anfälle auslösen«, lautete kürzlich eine Schlagzeile im Internet. Anlass war eine Publikation einer Bonner Forschungsgruppe, die einen neuen Wirkmechanismus für den Inhaltsstoff »Ginkgotoxin« postulierte, der bekanntlich in hoher Dosierung Krampfanfälle auslösen kann. Doch ist dies von klinischer Relevanz?

Extrakte aus den Blättern von Ginkgo biloba werden seit Jahrzehnten als Arzneimittel verwendet. Anerkannte wirksame Inhaltsstoffe sind Terpenlactone wie die Ginkgolide A, B C und Bilobalid sowie die Glycoside von Flavonen (Quercetin, Kaempferol und Isorhamnetin). Streitpunkt der derzeitigen Diskussion ist Methylpyridoxin (MPO), auch Ginkgotoxin genannt, ein Produkt des Sekundärstoffwechsels.

Dass MPO, das vor allem in den Samen angereichert wird, in hohen Dosen Krampfanfälle auslöst, ist unbestritten. Bekannt ist auch, dass MPO in den Vitamin-B6-Stoffwechsel eingreift. Vitamin B6 (Pyridoxin) ist im Körper an mehr als 100 Enzymreaktionen beteiligt und unter anderem für die Produktion von Hirnbotenstoffen unerlässlich.

 

Die Arbeitsgruppe um Professor Dr. Eckhard Leistner vom Institut für Pharmazeutische Biologie der Universität Bonn konnte nun in In-vitro-Untersuchungen eine Konkurrenzsituation von MPO und Vitamin B6 um das Enzym Pyridoxal-5’-Kinase ausmachen (J. Nat. Prod. 73, 2010, 86-92). Nach Überwinden der Blut-Hirn-Schranke phosphoryliert diese Kinase normalerweise Vitamin B6 in seine aktive Form Pyridoxal-5’-Phosphat (PLP). Hier sehen die Forscher MPO leicht im Vorteil: Aufgrund seiner höheren Lipophilie überwindet MPO die Blut-Hirn-Schranke etwas schneller und wird somit eher phosphoryliert. Infolgedessen steht dem Hirnstoffwechsel weniger PLP zur Verfügung. Laut den Bonner Wissenschaftlern resultiert daraus ein Ungleichgewicht zwischen den Neurotransmittern Glutamat und Gamma-Aminobuttersäure. Diese Dysbalance war schon früher als Auslöser für Krämpfe identifiziert worden. Unabhängig davon sehen Leistner und sein Team Hinweise dafür, dass Ginkgo-Präparate bei medikamentös eingestellten Epileptikern den Metabolismus der antikonvulsiv wirkenden Medikamente beschleunigen. Daher plädieren sie bei Epileptikern für einen vorsichtigen Umgang mit Ginkgo-biloba-Präparaten.

 

Schwabe: Klinisch ohne Relevanz

 

Fraglich bleibt, ob das Toxin in standardisierten Ginkgo-biloba-Präparaten in einer Konzentrationen enthalten ist, die das Anfallsrisiko erhöht. Schwabe, Hersteller von Tebonin®, zeigte sich befremdet darüber, dass die Bonner Autoren ihre Verdachtsmomente allein auf experimentelle In-vitro-Daten stützen. MPO sei seit mehr als 15 Jahren als Inhaltsstoff bekannt, so das Unternehmen in einer Stellungnahme. In den für die Extraktherstellung verwendeten getrockneten Blättern sei dies jedoch nur in geringen Konzentrationen enthalten und werde zudem bei der Extraktherstellung weiter abgereichert. Zudem komme beim Menschen ausschließlich der Extrakt in seiner Gesamtheit zur Anwendung. Des Weiteren sei die aufgezeigte MPO-Wirkung unter EGb 761® bereits deswegen nicht gegeben, da der Extrakt neben geringen Konzentrationen an MPO erhebliche Mengen neuroprotektiv wirkender Inhaltsstoffe wie Bilobalid enthält, die offensichtlich das Wirkprofil des Extraktes beim Menschen dominieren. So konnte gezeigt werden, dass das in EGb 761 angereicherte Bilobalid die krampfauslösenden Wirkungen von MPO antagonisiert (Sasaki et al., 1995, 2000). Bei Einnahme des Extrakts seien die Gehalte an MPO um den Faktor 50 bis 100 geringer als diejenigen, die von den Bonner Autoren als bedeutsam für die Humanexposition angenommen werden. Tatsächlich lagen in einer Pilotstudie die MPO-Konzentrationen im Plasma nach Einnahme von 240 mg EGb 761 sämtlich unter der Nachweisgrenze von 1 Nanogramm pro ml (Schwabe-Daten). Schwabe weist darauf hin, dass darüber hinaus die Gebrauchs- und Fachinformation einem theoretischen Risiko für spezielle Personengruppen wie Anfallskranke und Kinder Rechnung tragen. /

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