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Fremdbesitz

Unterschiedliche Prognosen zur EuGH-Entscheidung

21.01.2008  11:04 Uhr

Fremdbesitz

<typohead type="3">Unterschiedliche Prognosen zur EuGH-Entscheidung

Von Daniel Rücker

 

Prognosen sind schwierig. Vor allem, weil es um die Zukunft geht. Entsprechend heterogen sind auch die Antworten verschiedener Experten auf dieselbe Frage, zum Beispiel wie die Arzneimittelversorgung 2010 aussehen wird. Manchmal überraschen die Antwortenden dafür mit großer Selbstsicherheit, die Wahrheit bereits zu kennen.

 

Beim ersten IDA\ (Innovationsakademie deutscher Apotheken)-Kongress in Köln wollte das Institut für Handelsforschung (IfH) von vier Branchenkennern wissen, wer im Jahr 2010 welche Rolle in der Arzneimittelversorgung spielen wird. Dazu stellte Institutsleiter Dr. Andreas Kaapke identische Fragen an Thomas Preis (Vorsitzender des Apothekerverbands Nordrhein), Dr. Thomas Kerckhoff, Geschäftsführer der Systemkooperation Avie, Ulrich von der Linde (Geschäftsführer des gleichnamigen Pharmagroßhandels) und Friedrich Neukirch, Vorsitzender der Geschäftsleitung der Klosterfrau Vertriebsgesellschaft.

 

Offene Entscheidung

 

Am Ende der Expertenrunde hatten die Zuhörer eine womöglich wichtige, aber auch wenig befriedigende Erkenntnis gewonnen: Es ist noch offen, wie der Apothekenmarkt in zwei Jahren aussehen wird. Eine zentrale Bedeutung, da waren sich die vier Experten einig, wird das für Ende 2008 oder Anfang 2009 erwartete Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zum deutschen Fremdbesitzverbot haben. Wenn es fällt wird es den Markt erheblich verändern, fällt es nicht, dann werden sich die Veränderungen in Grenzen halten.

 

An dieser Stelle endeten die Gemeinsamkeiten. Während Preis und von der Linde damit rechneten, der EuGH werde das Fremdbesitzverbot für EU-konform erklären, zeigte sich Neukirch unsicher. Kerckhoff ging ohne Wenn und Aber davon aus, dass die Tage des Fremdbesitzverbotes und damit vieler Einzelapotheken gezählt sind. Er prognostiziert den öffentlichen Apotheken eine düstere Zukunft: In zwei Jahren sei das Fremdbesitzverbot gefallen, große Handelskonzerne drängten in den Markt, der Druck auf die Margen steige. Die Konsequenzen seien dramatisch: »Für die Einzelapotheken wird es eng. Es gibt einen knallharten Verdrängungswettbewerb.« Dieser werde zumindest bei OTC-Arzneimitteln vor allem über den Preis laufen. Mit solchen Aussagen dürfte er auch den noch bei Avie verbliebenen Apothekern nicht wirklich Mut machen. Die zur Kohl-Gruppe gehörende Systemkooperation hatte zum Jahresende 2007 nur noch rund 20 Apotheken. Mit dem Ausscheiden des bisherigen Geschäftsführers Joachim Birkle hatten mehr als die Hälfte der Avie-Apotheker der Kohl-Tochter den Rücken gekehrt.

 

Birkles Nachfolger Kerckhoff setzt nun offensichtlich bei der Akquise neuer Mitglieder auf die Angst vor den Apothekenketten. Dringend notwendig wären neue Mitglieder sicher. Sollten sich Kerckhoffs Prognosen bewahrheiten, wäre angesichts ihrer geringen Größe Avie wohl im Moment eine der weniger gut aufgestellten Kooperationen.

 

Patienten schätzen die Beratung

 

Als Vorsitzender des Apothekerverbands Nordrhein teilte Preis Kerckhoffs Prognosen nicht. Die Patienten wüssten die neutrale Beratung in öffentlichen Apotheken zu schätzen. Deshalb würden sie weiterhin ihre Arzneimittel dort kaufen.

 

Auch von der Linde geht davon aus, dass die öffentliche Apotheke bis 2010 der mit Abstand wichtigste Vertriebskanal für Arzneimittel bleibt. Selbst wenn der EuGH wider Erwarten das Fremdbesitzverbot kippen sollte, werde sich daran innerhalb von zwei Jahren nichts ändern.

 

Dagegen hält Neukirch auch eine schnelle Veränderung des Marktes für möglich, sollte der Fremdbesitz erlaubt werden. Allerdings müssten dafür weitere Regelungen, wie das Mehrbesitzverbot und Teile der Apothekenbetriebsordnung aufgehoben werden. Neukirch warnte davor, die von einer Deregulierung ausgelöste Marktdynamik zu unterschätzen.

 

Es schauen aber nicht nur die Apotheken mit Sorge nach Luxemburg. Auch für den pharmazeutischen Großhandel hat die Entscheidung der europäische Richter große Bedeutung. Wird Fremdbesitz erlaubt, gehören sie zu den ersten, die Apothekenketten aufbauen könnten. Wie weit bei manchen die Vorbereitungen sind, zeigt Celesios Übernahme von DocMorris. Kerckhoff rechnet damit, dass diese Vorwärtsintegration einen großen Teil des Marktes betreffen würde. Von der Linde sieht die Großhändler dagegen eher als Systemkopf von Apothekenkooperationen. Auf der anderen Seite könnten die Margen der Großhändler in einem deregulierten System erheblich unter Druck geraten. Davon geht Kerckhoff aus.

 

Weitgehend einig waren die Diskutanten beim Versandhandel. Der werde auch bis 2010 keine große Marktbedeutung haben, sagten von der Linde und Preis.

 

Unabhängig von der jeweiligen Interessenslage waren sich die vier Diskutanten einig, dass Fremdbesitz zu einer massiven Ökonomisierung der Arzneimittelversorgung führen würde. Der Preis wäre dann das zentrale Wettbewerbsinstrument. Sortimentsgestaltung und Beratung in der Apotheke, da war sich Neukirch sicher, würden in einer Kette nicht mehr vom Apotheker gemacht. Dafür sei die Zentrale zuständig. Auch für die Abgabeempfehlung. Pharmazeutische Erwägungen spielten dann keine Rolle mehr.

 

Ähnlich uneins über den Ausgang des EuGH-Verfahrens war sich auch das Auditorium. Zu Beginn der Veranstaltung diskutierten die Teilnehmer aus Apotheken, Industrie, Großhandel und anderen Bereichen des Gesundheitssystems selbst über die Entwicklung der Arzneimittelversorgung. Dabei gab es keine eindeutige Mehrheit für die eine oder die andere Möglichkeit.

 

Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) beteiligt sich an Prognosen zum Ausgang des EuGH-Verfahrens zum Fremdbesitz weiterhin nicht. »Zu laufenden Verfahren gibt das BMG grundsätzlich keine Stellungnahme ab«, sagte Silke Baumann vom BMG bei einer »PTI-Konferenz« in Mainz.

 

Regierung gegen Änderungen

 

Baumann machte auch noch einmal deutlich, dass die Bundesregierung keinen Anlass für Änderungen an der Arzneimittelversorgung sieht. Die Koalition stehe zu ihrer Stellungnahme an den EuGH, wonach eine Versorgung der Patienten durch Kapitalgesellschaften zu Problemen führen könne, da hier der Profit im Vordergrund stehe. Den Apothekern vertraue die Regierung mehr, auch weil sie als Freiberufler bei Fehlern oder Unregelmäßigkeiten mit Approbation und Betriebserlaubnis deutlich mehr zu verlieren hätten als eine Kapitalgesellschaft, die mit einer Geldstrafe davonkäme.

 

Sollte der EuGH das Fremdbesitzverbot allerdings nicht für EU-konform halten, müsse der Gesetzgeber reagieren. Dabei verfolge die Regierung das Ziel, die flächendeckende und wohnortnahe Versorgung sicherzustellen. Das gelte auch für den ländlichen Raum. Für Baumann gehört dazu eine qualifizierte Beratung bei der Abgabe von Arzneimitteln sowie deren korrekte Lagerung und aus Gründen des Verbraucherschutzes auch die Apotheken- und Rezeptpflicht.

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