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Sparpaket in der Kritik

23.01.2006  12:15 Uhr

Anhörung

<typohead type="3">Sparpaket in der Kritik

von Thomas Bellartz und Patrick Hollstein, Berlin

 

Längst noch nicht in trockenen Tüchern ist das Arzneimittelverordnungs-Wirtschaftlichkeitsgesetz (AVWG) der schwarz-roten Bundesregierung. Die diskutierten Änderungen dürften für die Apotheken ohne positive Auswirkungen bleiben. Unterdessen startet die Debatte über die nächste, ganz große GKV-Reform.

 

Mit einem Brief wandten sich Ende vergangener Woche die Spitzen der ABDA - Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände, der Bundesapothekerkammer (BAK) und des Deutschen Apothekerverbands (DAV) an alle Apothekerinnen und Apotheker. Heinz-Günter Wolf, Magdalene Linz und Hermann S. Keller informierten ihre Kolleginnen und Kollegen über die Anhörung im Deutschen Bundestag zum AVWG, die Positionen der Apothekerschaft zu diesem Gesetz und die weitere Entwicklung.

 

Der Gesetzentwurf weise ordnungspolitische Fehler und gravierende handwerkliche Mängel auf, die man nicht mittrage, heißt es in dem Schreiben. Der Entwurf stecke »voller bürokratischer Hürden und unklarer Formulierungen«. Man werde die eigenen Überzeugungen auch im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens »bei allen sich bietenden Diskussionen und Begegnungen unseren Gesprächspartnern darlegen«. Zudem werde man sich weiterhin für eine Absenkung der Mehrwertsteuer auf Arzneimittel einsetzen, heißt es weiter. Wolf, Linz und Keller betonten nochmals ausdrücklich das eigene Berufsbild: »Apothekerinnen und Apotheker sind Heilberufler. Wir verstehen uns als Partner der Patienten und arbeiten eng mit anderen Heilberuflern zusammen.« Der Beruf sei eine »gelungene Synthese aus der Dynamik freien Unternehmertums und der Verlässlichkeit strenger gesetzlicher Auflagen«. »Der Apotheker in seiner Apotheke« sei das Modell, das den optimalen Nutzen für Patienten und Gesellschaft gewährleiste. »Nach dieser Maxime werden wir auch in Zukunft unser Handeln ausrichten.«

 

Nachdem sich am Mittwoch dieser Woche der Gesundheitsausschuss mit dem AVWG beschäftigen wollte, kommen die Abgeordneten des Gremiums Mitte Februar zu letzten Beratungen zusammen. Am 17. Februar sieht der Sitzungsplan des Bundestags die zweite und dritte Lesung vor, ehe das Gesetz am 10. März dann den Bundesrat passieren und schließlich am 1. April in Kraft treten soll.

 

Debatte über GKV-Finanzierung

 

Nach der Anhörung kam es in den Medien zu einer neuerlichen Debatte über einzelne Details des AVWG. Aber auch weitere gesundheitpolitische Themen rückten wieder in den Fokus. Die Bemühungen des Gesundheitsministeriums, bei den Partei- und Fraktionsspitzen nun doch wieder Geld aus dem Finanzministerium für die Entlastung der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) loszueisen, blieb zwar nicht ungehört, wurde dafür umso energischer beantwortet.

 

Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) ließ die Gesundheitspolitiker und die Vertreter der Krankenkassenlobby unmissverständlich wissen, dass es keinen einzigen Euro Zuschuss für die GKV geben werde. Das lasse die Haushaltslage nicht zu. Hintergrund für die neuerlichen Forderungen an die Adresse des Finanzministers sind die familienpolitischen Debatten, die auch eine beitragsfreie beziehungsweise damit auch steuerfinanzierte Versicherung von Kindern beinhalten. Zwischen Union und SPD gibt es einen Konsens über die Notwendigkeit dieser Umstrukturierung; allerdings fehlt bislang das Geld. Die einzige Möglichkeit dürfte eine Erhöhung der Mehrwertsteuer sein, die über die bereits geplanten 3 Prozent zum 1. Januar 2007 hinausgeht. Finanzpolitiker und die Parteispitzen halten diesen Schritt bislang jedoch für ausgeschlossen.

 

Während SPD-Fraktionschef Peter Struck ankündigte, noch vor der Sommerpause solle ein Gesetzentwurf zur Gesundheistreform stehen, rüstet die SPD auf, um gesundheitspolitisch obenauf zu bleiben. Eine SPD-interne Arbeitsgruppe wird eingesetzt. Sie hat nur ein Thema: Die Reform der GKV. Das jedenfalls kündigte der SPD-Vorsitzende Matthias Platzeck am Montag in Berlin an.

 

Während Steinbrück den Spielverderber machte, üben sich die Koalitionäre beim Thema Gesundheit in der Konsenssuche. Bei der neuesten Debatte über die Zuzahlungen zu Arzneimitteln scheint dies Erfolg versprechend. Parteiübergreifend verständigten sich die Gesundheitsfachleute auf eine Absenkung der Zuzahlungen bei preiswerten Medikamenten. BKK-Chef Wolfgang Schmienck hatte dies bereits vor zwei Wochen gefordert (siehe PZ 2/06). Rückendeckung gibt es auch aus den Fraktionen. Das Modell der Betriebskrankenkassen (BKK) sieht vor, dass die Zuzahlungsuntergrenze dann fallen könne, wenn der Preis eines Präparates deutlich unter dem Festbetrag liege. Bestehen Patienten beim verschreibenden Arzt auf die Verschreibung eines möglichst preiswerten Präparats würden sie konkret entlastet. Abgesehen davon werde das Budget des Arztes geschont, die GKV ohnehin.

 

Seit Beginn dieser Woche beschäftigen sich Fraktionen und Gesundheitspolitiker parteiübergreifend mit den Themen, um möglichst schnell Einigungen herbeizuführen. Dies betrifft auch die Bonus-Malus-Regel, mit der der Gesetzgeber ein höheres Verantwortungsbewusstsein verschreibender Ärzte initiieren wollte. Die Regelung dürfte ab 1. April 2006 weiter gefasst werden, als bislang vorgesehen. So scheint nach PZ-Informationen sicher, dass Ärzte erst dann finanzielle Folgen fürchten müssen, wenn sie die festgelegte Ausgabengrenze um 15 Prozent überschreiten. Das AVWG hatte bislang vorgesehen, bereits ab einer Überschreitung um 5 Prozent die Ärzte in den Regress zu nehmen.

 

Kritische Töne bei der Anhörung

 

Trotz aller diskutierten Änderungen: In ihrem Entwurf zum Arzneimittelverordnungs-Wirtschaftlichkeitsgesetz (AVWG) verlangt die schwarz-rote Bundesregierung allen an der Medikamentenversorgung beteiligten Berufs- und Interessengruppen Zugeständnisse ab. Entsprechend kritisch äußerten sich die Standesvertreter und Einzelsachverständige bei der stark besuchten Anhörung vor dem Gesundheitsausschuss des Bundestages.

 

Nicht einmal die Krankenkassen halten den Entwurf für geeignet, um die Arzneimittelversorgung tatsächlich effektiver zu machen. Durch neue Rabattregelungen oder erweiterte Festbetragsgruppen sei die Strukturkomponente als Hauptursache für die Kostenexplosion im Arzneimittelbereich nicht in den Griff zu kriegen, sagte BKK-Vorsitzender Wolfgang Schmeinck. Der Gesetzesentwurf sieht eine Absenkung der Erstattungsobergrenzen vor. Mehrbelastungen für die Versicherten sollen die Kassen durch individuelle Rabattverträge mit den Herstellern ausgleichen. Diese Idee halten die Kassen nicht nur für strategieanfällig, sondern auch für extrem bürokratisch: Alle 14 Tage müssten Ärzte und Apotheker über Preise und Einzelverträge informiert werden.

 

Die von Gesundheitsministerin Ulla Schmidt avisierte Einsparung von jährlich 1,3 Milliarden Euro halten die Kassen für unrealistisch. Die Spitzenverbände forderten daher in ihrer Stellungnahme zusätzlich eine Kürzung des Apotheken-Fixzuschlags von 8,10 Euro auf 7,45 Euro. Auf diese Weise ließen sich jährlich 410 Millionen Euro einsparen.

 

Allerdings müssen laut Schmeinck auch Krankenhausapotheken nach und nach den Rabattangeboten der Hersteller entzogen werden. Die Forderung stieß beim Bundesverband Deutscher Krankenhausapotheker (ADKA) und der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) auf heftigen Widerstand.

 

Eine Halbierung des Mehrwertsteuersatz könnte die GKV um weitere 700 Millionen Euro entlasten. Die Kassen begrüßten außerdem den vorgesehenen zweijährigen Preisstopp für Generika sowie das Rabattverbot für Apotheker. Letzteres muss nach Ansicht der Kassen durch eine Einschränkung der Substitutionsfreiheit flankiert werden. Auch der Deutsche Generikaverband begrüßte als Zusammenschluss der mittelständischen Betriebe das geplante Rabatt- und Aut-idem-Verbot. Der Marktführerverband Pro Generika forderte die Regierung auf, auch Altoriginale in die Neuregelung einzubeziehen. Der Bundesverband des pharmazeutischen Großhandels (Phagro) und der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) forderten die Regierung auf, Klarheit über die Rechtmäßigkeit von Skonti zu schaffen.

 

In ihrer Stellungnahme waren die GKV-Spitzenverbände außerdem mit einem eigenen Sparkonzept an die Bundestagsabgeordneten herangetreten: Es enthält auch die von der BKK vorgschlagene Zuzahlungsregelung für besonders preiswerte Arzneimittel.

 

Bei den Ärzten stieß die geplante Bonus-Malus-Regelung bei Über- oder Unterschreitung festgelegter Tagestherapiekosten auf heftigen Widerstand. Bundesärztekammer (BÄK), Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und Hartmannbund kritisierten den bürokratischen Aufwand der nachträglichen Kostenauswertung.

 

Ungerechtfertigtes Inkassorisiko

 

Bei den Apothekern stießen die Maßnahmen des Sparpakets auf Kritik. Die ABDA kritisierte in ihrer Stellungnahme zahlreiche unklare und nicht umsetzbare Regelungen. Ein wichtiger Kritikpunkt war das geplante Rabattverbot für die Apotheken. ABDA-Hauptgeschäftsführer Dr. Hans-Jürgen Seitz machte deutlich, dass Rabatte ein übliches und ökonomisch sinnvolles Wettbewerbselement seien und nur zum Schutz übergeordneter Rechtsgüter verboten werden dürften. Die Begründung des Gesetzesentwurfs sei nur im Bereich der verschreibungspflichtigen Arzneimittel nachzuvollziehen. Bei OTC-Arzneimitteln lehnt die ABDA ein Verbot ab.

 

In ihrer Stellungnahme wies die ABDA außerdem auf die Belastungen hin, welche den Apotheken durch neue Verrechnungsverfahren entstehen. In den Bestimmungen rund um die neuen Rabattverträge von Kassen und Herstellern werde den Apotheken ein ungerechtfertigtes Inkassorisiko aufgedrängt. Darüber hinaus könnten die Voraussetzungen zur Verarbeitung der Kassen- und Vertragsdaten keinesfalls bis zum In-Kraft-Treten des Gesetzes am 1. April geschaffen werden. Laut Thomas Klopp von der Abdata nehmen die technischen Vorbereitungen ein Jahr in Anspruch. Die ABDA lehnt auch die Details zum Preismoratorium ab: Preiserhöhungen ziehen dem Entwurf zufolge einen zusätzlichen Herstellerrabatt nach sich. Der wird den Apotheken von den Kassen direkt abgezogen wird. Auch beim 10-prozentigen Abschlag auf alle Generika geraten die Apotheken zwischen die Fronten. Die ABDA forderte Verbesserungen.

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