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Büro 4.0

Vogel fliegt, Mensch läuft?

20.01.2016  09:32 Uhr

Von Ulrike Abel-Wanek / Der moderne Büromensch sitzt – und bewegt sich zu wenig, um auf Dauer gesund zu bleiben. Für mehr Mobilität im Alltag stehen deshalb dynamische Büroarbeitsplätze auf dem Prüfstand von Forschung und Wissenschaft.

Ich gehe zweimal in der Woche schwimmen, bin Mitglied im Fitnessstudio, lasse Fahrstühle meistens links liegen und nehme lieber die Treppen. Dennoch lebe ich gefährlich, weil ich zu viel sitze. So wie rund 18 Millionen Büromenschen im Land, die 80 Prozent ihrer Arbeitszeit mehr oder weniger bewegungslos an ihren Schreibtischen verbringen, jeder dritte mehr als neun Stunden am Tag. Wir sitzen auf dem Weg zur Arbeit und wieder zurück, im Restaurant, Kino und vor dem Fernseher. »Vogel fliegt, Fisch schwimmt, Mensch läuft«: Das Zitat der tschechischen Olympia-Legende Emil Zátopek trifft, zumindest auf Menschen im Büro, schon lange nicht mehr zu.

Langandauernde und starre Sitzhaltungen gelten als Risikofaktor für chronische Krankheiten. Jede vierte Krankmeldung geht auf Muskel-Skelett-Probleme zurück. Auch Adipositas, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Typ-2-Diabetes und vorzeitige Mortalität sind mögliche Langzeitfolgen von dauerhafter physischer Inaktivität. Zu den Kurzzeiteffekten gehört unter anderem der Verlust von Ausdauer und Leistungsfähigkeit.

 

Nach einem langen Arbeitstag am Schreibtisch liege der Stoffwechsel regelrecht im Koma, warnen Experten. Zellen und Muskeln seien unterversorgt, könnten sich auf Dauer verändern und schließlich krank werden, so der Sportwissenschaftler Professor Ingo Froböse vom Zentrum für Gesundheit der Deutschen Sporthochschule Köln im Rahmen einer Studie, die die private Krankenkasse DKV und die Techniker Krankenkasse in Auftrag gaben. Gelegentliches Sporttreiben am Abend sei kein alleiniger Ausweg aus der Misere. Ein- oder zweimal wöchentliches Training im Fitnessstudio kompensiere die Nachteile dauerhaften Sitzens nicht.

 

Wie kann der Büromensch seinem Körper also mehr Bewegung verschaffen? Denkbar ist eine alternative Mittagspausengestaltung wie regelmäßige Spaziergänge oder Fitnessprogramme. Oder die Erhöhung der physischen Aktivität direkt am PC. Eine Forschergruppe um Professor Rolf Ellegast vom Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IFA) untersuchte bereits 2006 die Vorteile dynamischer Schreibtischstühle. Eingelassene Motoren oder Federsysteme unter der Sitzfläche sollten hier laut Hersteller für mehr Bewegung und Muskelaktivität bei den verspannten Mitarbeitern sorgen. Der Vergleich mit handelsüblichen Bürositzmöbeln fiel jedoch ernüchternd aus, denn die Messungen zeigten keinen signifikanten Unterschied. Eine weitere Studie zu sogenannten Sitz-Steh-Arbeitsplätzen ergab zumindest etwas Abwechslung für die Wirbelsäule. Die Büromitarbeiter standen 60 bis 70 Minuten mehr am Tag, wenn sie einen höhenverstellbaren Sitz-Steh-Bürotisch zur Verfügung hatten. Stehen sei zwar immer noch statisch, aber wenigstens habe man vorübergehend eine aufrechte Wirbelsäulenhaltung, so Ellegast.

 

Treten, tippen, telefonieren

 

Deutlich mehr Bewegung könnten Laufband und Sitzergometer in den Büroalltag bringen, wie eine vergleichende Untersuchung zu dynamischen und konventionellen Arbeitsplätzen zeigt, die das IFA in Kooperation mit dem niederländischen TNO-Institut kürzlich abschloss. Die Ergebnisse können sich sehen lassen. Im Vergleich zum konventionellen Arbeitsplatz waren physische Aktivität, Herzfrequenz und Energieumsatz der Probanden an den dynamischen Arbeitsstationen signifikant höher. Die Testpersonen verbrauchten also mehr Kalorien und Herz und Kreislauf kamen messbar in Schwung. »Wer die dynamischen Arbeitsstationen nutzt, könnte durch den Zugewinn an physischer Aktivität im Büroalltag profitieren«, sind die Wissenschaftler überzeugt. Arbeitgeber könnten so zur Gesundheitsförderung ihrer Beschäftigten beitragen.

Aber kann man effektiv am PC arbeiten, während sich unter den Füßen das Laufband dreht? Alle Testteilnehmer der oben genannten standardisierten Laborstudie hatten subjektiv das Gefühl, an den dynamischen Stationen langsamer zu arbeiten und mehr Fehler zu machen. Die Aufgaben umfassten zum Beispiel das Lesen, Korrigieren und Abtippen von Texten. Objektiv gemessen waren aber die Leistungen an den dynamischen und konventionellen Arbeitsplätzen etwa gleich. Nur die Arbeit mit der Maus lief mit Bewegung schlechter. Die Akzeptanz für die neuen Mobilmacher hielt sich dennoch in Grenzen. Weniger als die Hälfte der Probanden konnte sich die Integration der Geräte in ihr Arbeitsumfeld vorstellen. »Die ähneln noch zu sehr den großen Fitnessgeräten und waren außerdem individuell schwer einstellbar«, so Ellegast. Die nächste Generation sei bereits kleiner, flexibler und ließe sich problemlos unter den Schreibtisch stellen, so der Physiker. Weiterentwicklungen könnten die Akzeptanz erhöhen, hier seien die Hersteller gefordert.

 

Der IFA-Labor-Untersuchung soll als nächstes ein Praxistest folgen. Eine Feldstudie mit einem Unternehmen ist in Vorbereitung. Als Kooperationspartner mit im Boot ist diesmal auch das psychologische Institut der Sporthochschule Köln. Die Wissenschaftler wollen zum Beispiel herausfinden, wer welche Geräte akzeptiert – oder auch nicht.

 

Im Rahmen dieser Pilotstudie werden verschiedene Konzepte zur Arbeitsplatzgestaltung auf dem Prüfstand stehen. Offene Bürolandschaften sollen nicht nur die Kreativität fördern, die flexiblen Raumkonzepte regen auch zu mehr Kommunikation an und fördern die Bewegung zwischen den einzelnen Arbeitsplätzen. Darüber hinaus kommen dynamische Arbeitsstationen zum Einsatz, vor allem sogenannte elliptischen Trainer (siehe Abbildung auf dieser Seite), die stationär unter dem Schreibtisch installiert werden oder von den Mitarbeitern ausgeliehen werden können. Das Laufband gehört zunächst nicht zum Konzept, soll aber in anderen Unternehmen weiter getestet werden. »Einige Unternehmen haben hier Sicherheitsbedenken«, so Ellegast. In den USA, wo dynamische Arbeitsstationen deutlich häufiger zum Einsatz kommen als in Deutschland oder Europa, kam es schon zu Unfällen.

 

Mit cleveren Geräte-Entwicklungen sei der dynamische Büroarbeitsplatz 4.0 aber vorstellbar, so Ellegast. »Was wir brauchen sind Ideen, um Computerarbeit mit einer sinnvollen Bewegung zu kombinieren – ohne dass es die Mitarbeiter gefährdet oder nervt.« /

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