Neue Großkasse mit Gestaltungswillen |
12.01.2010 17:32 Uhr |
Von Martina Janning, Berlin / Die neue Barmer GEK will wirtschaftlich und politisch stark mitmischen. Sie wendet sich gegen eine Kopfpauschale zur Finanzierung der Krankenkassen und kündigt veränderte Rabattverträge an. Zielpreise für Apotheker verfolgt die Kasse vorerst nicht weiter.
Seit dem 1. Januar 2010 firmieren die Krankenversicherungen Barmer und GEK unter einem Dach. Die Fusion soll der neuen Großkasse Barmer GEK eine stärkere Gestaltungskraft geben und ihr mehr Gehör verschaffen. Einen ersten Eindruck davon vermittelte die Vorstellung des Unternehmens vorige Woche in Berlin. Die Vorstandsvorsitzende der Barmer GEK, Birgit Fischer, verurteilte die Pläne von Bundesgesundheitsminister Dr. Philipp Rösler (FDP), eine einkommensunabhängige Gesundheitsprämie einzuführen.
Fischer kritisierte die Kopfpauschale als ungerecht und nicht finanzierbar. Um die Ausgaben für das Jahr 2010 zu decken, müsste die Pauschale 145 Euro je Mitglied betragen, sagte sie. Dadurch bräuchten über 60 Prozent der gesetzlich Versicherten einen Sozialzuschuss und würden somit zu »Bittstellern« des Staates. Die Kopfprämie kostet Fischer zufolge mindestens 20 Milliarden Euro an Steuersubventionen pro Jahr – zusätzlich zu den bereits beschlossenen rund 15 Milliarden Euro für versicherungsfremde Leistungen. »Wie dies angesichts der derzeitigen Haushaltslage finanziert werden soll, bleibt mir ein Rätsel«, erklärte die Kassen-Chefin. Es entstehe eine »Instabilität«, die das »vom Grundsatz her stabile System« gefährde. »Das halten wir absolut für den falschen Weg«, sagte Fischer und kündigte an, dass sich die Barmer GEK der geplanten Entsolidarisierung und Privatisierung im Gesundheitswesen entgegenstellen werde.
Zielpreis-Modell vom Tisch
Während dies Zukunftsmusik ist, zeigt die Fusion aber bereits Auswirkungen auf die Versorgung mit Arzneimitteln: Alle Sortimentsverträge, die Barmer und GEK mit Generikaherstellern geschlossen hatten, gelten nun für alle Versicherten des neuen Unternehmens. Dadurch habe die Barmer GEK Verträge mit vielen großen Herstellern. Das vermeide Lieferschwierigkeiten und trage zu einer großen Medikamentenauswahl bei. »Es muss nur in wenigen Fällen substituiert werden – ein unschätzbarer Vorteil für die Compliance der Patienten«, betonte Fischer. Die Barmer GEK habe deshalb entschieden, die Systematik der Sortimentsverträge bei Rabatten weiterhin zu berücksichtigen. »Wir werden bereits Ende Januar mehr als 300 Wirkstoffe in fünf Gebietslosen ausschreiben«, kündigte Fischer an. »Die Ausschreibungen werden im Ergebnis das Angebot noch einmal erweitern und uns noch bessere Konditionen ermöglichen.« Einen Zuschlag soll jedes Unternehmen erhalten, das den geforderten Mindestrabatt einräumt. Die Kasse rechnet mit vier bis sieben Herstellern pro Wirkstoff.
Die ursprünglichen Pläne der GEK, den Apothekern die Verantwortung für eine wirtschaftliche Arzneimittelversorgung zu übertragen, sind mit der Kassenvereinigung vom Tisch. Noch Mitte vorigen Jahres hatte die GEK mit dem Deutschen Apothekerverband (DAV) über ein Zielpreis-Modell verhandelt. Die Apotheker sollten das jeweils preisgünstigste Medikament auswählen und für das Einhalten der Zielpreise Prämien erhalten.
Die aktuellen Hausarztverträge nahm der stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Barmer GEK, Dr. Rolf Schlenker, in Berlin ins Visier. Er verlangte, dass zukünftige Hausarztverträge die Versorgung der Versicherten nachweislich verbessern müssten. Zudem hätten sie finanziell tragbar zu sein. Die spezielle Vergütung der Hausärzte müsse sich mittelfristig aus Einsparungen refinanzieren. Schlenker forderte weiter, dass auch Kassenärztliche Vereinigungen Vertragspartner werden und plädierte für »dreiseitige Verträge zwischen Kassen, Kassenärztlichen Vereinigungen und Hausarztverbänden«. Sie garantierten »rechtssichere und finanziell ausgewogene Hausarztprogramme, die in die Gesamtbilanz der vertragsärztlichen Versorgung passen«, sagte er. Schlenker sprach sich zudem für eine Öffnung der Krankenhäuser aus. Sie sei besonders in der Onkologie, bei Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) und in unterversorgten Fachbereichen wie der Augenheilkunde sinnvoll.
Beschäftigungsgarantie
Mit der Fusion führen die beiden Einzelkassen ihre bestehenden Angebote zusammen. So soll die neue Kasse die Präventionsangebote und Wahltarife der Barmer übernehmen und von der GEK die Kinderarztverträge und die Hautkrebsvorsorge für Versicherte unter 35 Jahren.
Die Barmer GEK vertritt 8,5 Millionen Versicherte und ist damit nach eigenen Angaben Marktführer in Deutschland. Je nach Region beträgt ihr Marktanteil nach eigenen Angaben 10 bis 15 Prozent. Die neue Großkasse beschäftigt rund 19 500 Mitarbeiter. Betriebsbedingte Kündigungen soll es wegen der Fusion nicht geben, bekräftigten die Kassenvertreter und stellten die Beschäftigungsgarantie als »Markenzeichen einer sozialen Krankenversicherung« heraus. Knapp 1000 Geschäftsstellen sollen dabei helfen, sich auf regionale Besonderheiten einzustellen. Hauptsitz der neuen Krankenkasse wird Berlin. Daneben bleiben die ursprünglichen Standorte der beiden Ersatzkassen, Schwäbisch Gmünd und Wuppertal, erhalten. /