Firmen hoffen auf ein besseres Jahr |
12.01.2010 15:09 Uhr |
Von Uta Grossmann, Berlin / Die deutsche Biotechnologie-Branche stemmt sich recht erfolgreich gegen die Krise. Eine Umfrage des Wirtschaftsverbands Bio Deutschland ergab, dass die Firmen trotz der Finanzierungsschwierigkeiten optimistisch in die Zukunft blicken. Viele glauben, dass wirtschaftliche und politische Rahmenbedingungen besser werden.
Die Biotechnologie-Industrie-Organisation Deutschland (Bio Deutschland) und das Biotech-Fachmagazin Transkript haben 1000 Biotechnologie-Unternehmen und branchenspezifische Dienstleister nach den Trends und Erwartungen der Branche befragt. 216 haben sich an der Umfrage beteiligt. Das klingt nicht nach einem repräsentativen Ergebnis.
Doch für die rund 500 reinen Biotech-Unternehmen und weiteren 90 biotechnologisch aktiven Unternehmen in Deutschland taugt das Ergebnis nach Einschätzung der Auftraggeber doch als Stimmungsbarometer.
Bei der Präsentation der Umfrage vorige Woche in Berlin sagte der Redaktionsleiter von Transkript, Dr. Patrick Dieckchoff: »Die deutsche Biotechnologie-Branche hat im vergangenen Jahr trotz schwerer Lage eine erstaunliche Widerstandskraft bewiesen. Es hat keine Entlassungs- oder Pleitewelle gegeben.« Inzwischen erscheine das Ausmaß der Krise vielen Biotech-Unternehmen jetzt kalkulierbar. »Viele sehen das Licht am Ende des Tunnels«, sagte Dieckhoff.
Der Vorstandssprecher der Bio Deutschland und Vorstandsvorsitzende der MagForce Nanotechnologies, Dr. Peter Heinrich, stellte die Ergebnisse der Umfrage vor. Die befragten Biotech-Unternehmer erwarten im neuen Jahr zu 47 Prozent eine günstigere Geschäftslage, im Vorjahr waren es 33 Prozent. Lediglich sieben Prozent rechnen mit einer ungünstigeren Entwicklung (2008 waren es 18 Prozent). 2010 wollen viele Firmen Mitarbeiter einstellen. 55,6 Prozent der Befragten gaben an, ihr Personal aufstocken zu wollen (Vorjahr: 50,3 Prozent), Entlassungen planen 4,6 Prozent (10,7 Prozent). Rückläufig ist dagegen die Bereitschaft, künftig in Forschung und Entwicklung (F&E) zu investieren. 38,5 Prozent wollen dieses Jahr mehr Geld für F&E ausgeben als 2009. Im Jahr 2008 waren noch 40,7 Prozent zu höheren Investitionen bereit.
Bio Deutschland erklärt diese Zurückhaltung damit, dass die Biotech-Branche 2009 viele Wagniskapitalinvestoren verloren hat, sodass die Unternehmensfinanzierung einbrach.
2009 setzten die Biotech-Unternehmen nach Verbandsangaben 2,19 Milliarden Euro um und steckten 1,06 Milliarden Euro in Forschung und Entwicklung. Je nach Unternehmen sind das mindestens 25 Prozent, oft sogar mehr als 50 Prozent der Ausgaben. Die forschenden Pharmaunternehmen insgesamt investieren in Deutschland etwa 13 Prozent ihres Umsatzes in F&E-Aktivitäten, ein im Vergleich zur restlichen Industrie immer noch sehr hoher Anteil. Problematisch war auch die Unternehmenssteuerreform, die die steuerliche Nutzung von Verlustvorträgen erschwert. Bio-Geschäftsführerin Dr. Viola Bronsema erläuterte, dass die oftmals kleinen Biotech-Firmen viel Geld in Forschung stecken und lange Anlaufphasen überbrücken müssen, bis sie ihre Produkte zur Marktreife entwickelt haben und das investierte Geld wieder hereinbekommen. Sie rechnet damit, dass sich diese anfänglichen Verluste durch das Anfang Dezember vom Bundestag beschlossene Wachstumsbeschleunigungsgesetz der neuen Regierungskoalition nicht mehr so gravierend auswirken werden. Deshalb begrüßt der Verband das Gesetz. Es werde die Diskriminierung gegenüber großen Pharmakonzernen, die Verluste durch Forschungsausgaben sofort verrechnen können, verringern.
Trendumkehr in den USA
Vorstandssprecher Heinrich lobte die »Überwinterungstaktik« der deutschen Biotech-Branche. Statt massenhaft Insolvenz anmelden zu müssen, hätten viele Firmen sich auf Wert schaffende Projekte konzentriert und ihre Dienstleistungsaktivitäten ausgebaut und so der Krise standgehalten. Er empfahl den Blick in die USA, wo im vierten Quartal 2009 auf dem Kapitalmarkt eine »klare Trendumkehr« der Biotech-Branche die Investoren aus ihrer Lethargie geweckt habe. Diese positive Entwicklung werde auf Deutschland überschwappen, hofft Heinrich. Deutsche Firmen müssten aber ihrerseits »aggressiver rausgehen« und in den USA anklopfen, um ihre innovativen Entwicklungen auf den Markt zu bringen.
Nach Berechnungen von Bio Deutschland standen der Biotech-Branche 2009 gut 300 Millionen Euro Kapital zur Verfügung – 217 Millionen Euro über Wagniskapital (Venture Capital) oder reiche Privatinvestoren und 94 Millionen durch Kapitalerhöhungen börsennotierter Unternehmen. Seit sich die Biotechnologie Mitte der 90er Jahre in Deutschland kommerzialisiert hat, wurden Hunderte von diagnostischen Produkten auf den Markt gebracht, aber nur sieben innovative Medikamente. Der Grund: Die Entwicklung von biotechnologischen Therapeutika dauert am längsten und verschlingt am meisten Kapital. Die deutschen Biotech-Therapeutika sind Epidex zur Wundbehandlung, ATG-Fresenius 5 (Transplantation), Firazyr (hereditäres Angioödem), Eligard (Prostatakarzinom), Veregen (Genitalwarzen), Ratiograstim (Neutropenie) und Removab (maligner Aszites), der erste in Deutschland hergestellte trifunktionale Antikörper. /