Auf leisen Sohlen und wenig beachtet |
Auch wer so sportlich ist, muss die Fußgesundheit im Blick behalten – dies gilt für alle Menschen mit Diabetes mellitus. / Foto: Adobe Stock/pressmaster
Es gibt verschiedene Begriffe: diabetischer oder neuropathischer Fuß, Diabetisches Fußsyndrom (DFS) oder Diabetiker-Fuß. Gemeint ist in jedem Fall eine krankhafte Veränderung des Fußapparats, die sich mit schlecht heilenden chronischen Wunden manifestiert und so erst für den Patienten sichtbar wird. Schmerzen verspürt er als erstes Warnsignal häufig nicht, da die Nervenschädigung (Polyneuropathie) das Schmerzempfinden reduziert oder ausschaltet.
Zum Krankheitsbild zählen bereits präulzeröse Läsionen, die sich zum Beispiel in abnormen Hornhautschwielen zeigen. Unbeachtet und nicht richtig behandelt, kann sich der diabetische Fuß zum Charcot-Fuß oder zur Gangrän entwickeln. Dann kann nur noch eine langwierige Therapie eine Amputation verhindern, jedoch ist keine vollständige Heilung zu erwarten.
Umso wichtiger ist es, Frühzeichen in der Apotheke zu erkennen und anzusprechen. Fragen Diabetes-Patienten zum Beispiel nach Präparaten gegen Hornhautschwielen an den Füßen oder gegen Fußpilz, können dies erste Hinweise sein. Ein Warnzeichen ist auch das Gefühl von »Ameisenlaufen« oder Kribbeln an den Füßen. Mitunter ist es erhellend, wenn das Apothekenteam aktiv nach solchen Symptomen oder dem Zustand der Füße fragt. Die ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände hat 2010 eine Arbeitshilfe »Beratung zum Thema Fuß von Menschen mit Diabetes« mit den wichtigsten Punkten für die Beratung erstellt.
Jährlich entwickeln etwa 2 bis 4 Prozent der Diabetes-Patienten ein akutes DFS. Das Risiko eines Patienten, im Lauf des Lebens ein DFS zu entwickeln, liegt bei 19 bis 34 Prozent (1, 2).
Das DFS ist eine Folge des dauerhaft erhöhten Blutzuckers, der zu chronischen Schäden an Augen, Nieren und auch den Füßen führt. Infolge der Hyperglykämie (primäre Ursache) kommt es zur Schädigung der großen und kleinen Blutgefäße mit fehlender Regulation des Gefäßtonus, auch als diabetische Angiopathie bezeichnet. Durch die fehlende Regulation entstehen Durchblutungsstörungen in den Extremitäten, insbesondere den Füßen.
Eine weitere Ursache liegt in der diabetischen Neuropathie. Diese Nervenschädigung entsteht ebenfalls infolge dauerhafter Hyperglykämien. Durch die Polyneuropathie ist die Schmerzempfindung reduziert und im fortgeschrittenen Stadium gar nicht mehr vorhanden. Dadurch geht ein wichtiges Warnsignal für tiefe Wunden, die als Folge der Durchblutungsstörungen entstehen, verloren. Für viele Patienten ist das gravierend: Was nicht schmerzt, wird als nicht so bedrohlich eingeordnet.
Die Warnzeichen sind in der jeweils isolierten Form typisch für die Angiopathie und Neuropathie (Tabelle 1). Manchmal sind auch nur einzelne Anzeichen zu beobachten, was die Diagnose erschwert.
Organ, Sensorik | Diabetische Angiopathie | Diabetische Neuropathie |
---|---|---|
Haut |
blass, bläulich verfärbt. dünne pergamentartige Haut, die trocken und glänzend aussieht. Druckstellen als rötliche Flecken, die durch Wegstreichen nicht verschwinden |
rosig, warm, trocken häufig stärkere Hornhautbildung am Fuß |
Temperatur | kalt | Gefühl von kalten Füßen (obwohl warm) |
Behaarung | Verlust der Behaarung an Unterschenkeln und Zehen | |
Zehennägel | verlangsamtes Wachstum, teilweise verdickte Nägel | häufig Nagelpilz |
Sensibilität, Schmerzen | Wadenkrämpfe und Schmerzen in den Beinen beim Gehen, die sich durch Stehenbleiben bessern (Claudicatio intermittens) |
Taubheitsgefühl, Brennen, Kribbeln im gesamten Fußbereich. Gefühl, wie auf Watte zu gehen. Schmerzen in Ruhe und häufig nachts, Besserung durch Gehen. Verminderung oder Verlust der Empfindung von Vibration, Temperatur und Schmerz |
Das DFS kann allein durch die Polyneuropathie ausgelöst werden (etwa 40 bis 60 Prozent der Fälle). Bei etwa 40 bis 50 Prozent der Patienten kommt eine periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK) hinzu, deren Symptome (Ruheschmerzen, Claudicatio intermittens) durch die Polyneuropathie verschleiert sind (1). Nur ein kleiner Anteil der Fußulzera ist rein ischämischer Ursache und führt dann auch zu starken Schmerzen. Die diabetische Mikroangiopathie ist vermutlich nicht die Hauptursache für Ulzera und verzögerte Wundheilung (3).
Durch eine gestörte Reizweiterleitung in den Nerven kommt es gehäuft zur Muskelatrophie besonders an den kleinen Fußmuskeln, wodurch sich Krallen- und Hammerzehen ausbilden.
Je länger ein Diabetes mit unzureichender Stoffwechseleinstellung besteht, desto höher ist das Risiko für eine Neuropathie und ein diabetisches Fußsyndrom. Kommt im höheren Lebensalter eine pAVK hinzu, ist das Quartett komplett und das DFS-Risiko maximal. Zudem gibt es weitere Faktoren, die das Gesamtrisiko für ein DFS erhöhen (5) (Kasten). Diese zu kennen und individuell zu bewerten ist essenziell, um sie durch therapeutische Maßnahmen zu reduzieren. Umso wichtiger ist die regelmäßige gründliche Kontrolle der Füße beim Arzt.
Foto: Adobe Stock/Kletr
Entscheidend für den Patienten ist die Kenntnis der Zusammenhänge zwischen den Risikofaktoren und weiteren begünstigenden Faktoren, damit er durch regelmäßige Selbstkontrollen Veränderungen am Fuß schnell erkennen und umgehend ärztliche Hilfe suchen kann. Zudem kann er das persönliche Risiko durch eigene Intervention minimieren.
Wunden, die als Folge der Polyneuropathie entstehen, treten an Stellen auf, die hohem Druck ausgesetzt sind. Das sind Fußballen und die Fußunterseite; daher werden sie von den Patienten nur schwer selbst entdeckt. Wunden, die durch die pAVK bedingt sind, sind eher an den Zehen und Zehenspitzen zu finden, da dort die Durchblutung am schlechtesten ist. Kommen beide Auslöser zusammen, ist das Ulzerationsrisiko (Geschwürbildung) deutlich erhöht und die Heilungschancen entsprechend niedriger.
Ohne Behandlung werden die Ulzerationen größer, dringen tiefer in den Fuß ein und es siedeln sich zum Teil resistente Keime an. Das kann zu Infektionen, Ausbreitung über die Lymphgefäße oder die Blutbahn bis hin zur Sepsis führen. Dies ist auch der Grund für die hohe Morbidität und Mortalität beim DFS.
Eine weitere Spätfolge der neuropathischen Schäden ist der sogenannte Charcot-Fuß, korrekt: die diabetisch-neuropathische Osteoarthropathie. Durch Fehlstellungen und Überlastungen am Fuß kommt es zum Ermüdungsbruch einzelner Fußknochen, der durch eine häufig bestehende Osteopenie befeuert wird und infolge der Neuropathie nicht oder nur wenig schmerzhaft empfunden wird. Die Patienten belasten den gebrochenen Fuß teilweise wochenlang weiter.
Gravierende Schäden: Hornhaut- und Ulkusbildung an den Füßen / Foto: Adobe Stock/troyanphoto
Das einzige erkennbare Zeichen ist, dass der betroffene Fuß warm wird und im Vergleich zum anderen Fuß rot-geschwollen erscheint. In dieser Phase könnte eine MRT (Magnetresonanztomografie) ein Knochenmarködem zeigen. Erkannt wird der Zusammenbruch des Fußgewölbes zumeist erst im Spätstadium beim Arzt, wenn auffällige Deformationen sichtbar sind.
Hier hilft nur die sofortige komplette Entlastung des Fußes (nur durch Bettruhe möglich) und anschließend eine Teilentlastung durch »Gehgipsverbände«. Diese Orthesen werden individuell angepasst. Patienten mit derart deformierten Füßen können/sollten nach der Mobilisierung nur noch orthopädische Maßschuhe tragen.
Eine weitere Spätfolge von angiopathisch bedingten Wunden ist das Gangrän (Gewebsnekrose). Wenn Wunden durch das fehlende Schmerzempfinden nicht erkannt und behandelt werden, breiten sich Bakterien in tieferen Gewebeschichten aus. Die bakterielle Besiedelung kann schließlich Weichteile, Gelenke und Knochen befallen und zum Absterben von Gewebe (Gangrän) führen. Das Gangrän zeigt sich gehäuft an Fußzehen und dem Fersenbereich. Vorstufen sind erkennbar durch blasse, trockene pergamentartige Haut, die bläulich verfärbt und kalt ist.
Bei allen Diabetes-Patienten sollten Füße und Schuhwerk regelmäßig untersucht werden. Die Regelmäßigkeit der Untersuchung richtet sich nach dem individuellen Risiko (1) (Tabelle 2).
Risikokategorie | Körperlicher Status | Intervall der Untersuchung |
---|---|---|
keine periphere Neuropathie | jährlich | |
1 | periphere Neuropathie | sechs Monate |
2 | periphere Neuropathie mit pAVK und/oder Fußdeformität | drei bis sechs Monate (Facharzt) |
3 | periphere Neuropathie und Ulkus oder Amputation in der Vorgeschichte | ein Monat bis drei Monate (Facharzt) |
Die regelmäßige Fußuntersuchung beim Arzt ist ein Muss für Diabetes-Patienten. / Foto: Adobe Stock/Bernhard Schmerl
Die Fußuntersuchung sollte ein selbstverständlicher Teil der regelmäßigen Kontrollen bei Diabetes-Patienten sein. Sie umfasst die Anamnese nach Symptomen (brennende, stechende Schmerzen, Parästhesien, Taubheitsempfinden, fehlendes Empfinden), die manuelle Fußuntersuchung (auf Hautstatus, Muskulatur, eventuell Deformitäten, Beweglichkeit, Temperatur), die Prüfung der Drucksensibilität (mit 10 g Monofilamenten oder Stimmgabel) und der Fußpulse sowie weitere Untersuchungen zur Diagnose einer potenziellen pAVK, zum Beispiel Dopplersonografie, farbkodierte Duplexsonografie und Angiografie.
Ein diagnostiziertes DFS wird nach Ausmaß und Ursachen weiter klassifiziert. Durchgesetzt hat sich die kombinierte Wagner-Armstrong-Klassifikation (Tabelle 3). Ebenfalls weit verbreitet ist die PEDIS-Klassifikation, die von der International Working Group on the Diabetic Foot (IWGDF) 2003/2004 erarbeitet wurde (3). Der Begriff »Pedis« ist nicht nur vom Lateinischen (pes: Fuß, Genitiv Singular pedis) abgeleitet, sondern klassiert die Faktoren rund um das DFS:
Je nach Schweregrad und Stadium sollten die Patienten von Teams versorgt werden, denen im besten Fall Internisten, Diabetologen, Chirurgen, Gefäßchirurgen, Orthopäden, auf Wundbehandlung spezialisierte Pflegefachkräfte Orthopädieschuhmacher und Podologen angehören. Da sich die Behandlung über einen sehr langen Zeitraum hinziehen kann, ist eine möglichst wohnortnahe und gut erreichbare Praxis oder ein Praxiszentrum von großem Vorteil.
Armstrong-Stadium | Wagner-Grad 0 | Wagner-Grad 1 | Wagner-Grad 2 | Wagner-Grad 3 | Wagner-Grad 4 | Wagner-Grad 5 | |
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A | prä- oder postulzeröser Fuß | oberflächliche Wunde | Wunde bis zur Ebene von Sehnen oder Kapseln | Wunde bis zur Ebene von Knochen und Gelenken | Nekrose von Fußteilen | Nekrose des gesamten Fußes | |
B | mit Infektion | mit Infektion | mit Infektion | mit Infektion | mit Infektion | mit Infektion | |
C | mit Ischämie | mit Ischämie | mit Ischämie | mit Ischämie | mit Ischämie | mit Ischämie | |
D | mit Infektion und Ischämie | mit Infektion und Ischämie | mit Infektion und Ischämie | mit Infektion und Ischämie | mit Infektion und Ischämie | mit Infektion und Ischämie |
Eine wichtige Rolle bei der Sensibilisierung für das Thema und Informationen rund um die Therapie spielt die Apotheke. Die Apothekenmitarbeiter sollten Diabetes-Patienten bei der Abgabe der Medikamente möglichst immer fragen, wie es ihnen geht und ob sie irgendwo Veränderungen oder eine Verschlechterung des allgemeinen Zustands verspüren. Sobald sie mit dem Patienten ins Gespräch kommen, können sie gezielter nachfragen. Sie sollten dem Patienten zumindest die einmal jährliche Kontrolluntersuchung (der Füße) beim Facharzt ans Herz legen (Tabelle 2). Diese erfolgt in erster Linie nicht invasiv, sodass der Patient davor keine Bedenken haben sollte.
Die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) hat einen »Fußpass« entwickelt, der kostenlos bei der DDG, der Deutschen Diabetes Hilfe, der Deutschen Gesellschaft für Angiologie oder der Deutschen Gesellschaft für Gefäßchirurgie angefordert werden kann (diabetesfusspass@ddg.info). Dieser zeigt das individuelle Risiko nach dem Ampelsystem farblich an und weist prägnant auf die Untersuchungsfrequenz hin.
Foto: Adobe Stock/Kzenon
Das Ziel einer Behandlung eines DFS ist immer die Vermeidung von Amputationen. Ganzheitliche Maßnahmen zielen auf die nachhaltige Verbesserung des Grundzustands ab und sind unbedingt parallel erforderlich. Dazu gehören Stoffwechseloptimierung, Behandlung internistischer Grunderkrankungen, Therapie von Gefäßerkrankungen und bei Bedarf die fußchirurgische Korrektur von Deformitäten und Fehlstellungen.
In der Beratung kann das Apothekenteam bei der Arzneimittelabgabe beispielsweise die Notwendigkeit und Bedeutung einer strengeren Blutzuckereinstellung oder Blutdrucksenkung unterstreichen. Damit die Akzeptanz für die monatelange Behandlung erreicht wird, ist die Patientenschulung außerordentlich wichtig. Die Apotheke kann einzelne Inhalte gut im Gespräch wiederholen und damit unterstreichen.
Wird ein DFS diagnostiziert, ist die erste (Sofort-)Maßnahme die Druckentlastung des betroffenen Areals. Das bedeutet für den Patienten: Bettruhe, Gehstützen oder Rollstuhl. Anschließend kann die Behandlung der Wunde beginnen, die gegebenenfalls von einer antibiotischen Therapie begleitet wird. Die effektive Druckentlastung des Fußes muss über den gesamten Behandlungszeitraum beibehalten werden.
Die Behandlung der Wunden beginnt mit dem Débridement abgestorbener Gewebeteile. Avitale infizierte Gewebe und Fremdköper werden entfernt, damit der Wundgrund für die nachfolgende feuchte Wundbehandlung gut vorbereitet ist. Das Débridement kann chirurgisch-mechanisch (Skalpell), Ultraschall-assoziiert (auch eine mechanische Form), biomechanisch durch Fliegenlarven oder enzymatisch durch Fibrin- und Kollagen-spaltende Enzyme erfolgen. Unterstützt wird das autolytische Débridement durch sterile feuchtigkeitsspendende Gele. Ein Abstrich oder eine Probe aus tiefer liegendem Gewebe ist essenziell, um über die richtige antibiotische Therapie entscheiden zu können.
Die Phasen der Wundheilung sind immer gleich; nur ihre Dauer ist individuell sehr unterschiedlich. Die erste Phase ist die Exsudationsphase: Durch viel Sekretbildung sollen Fremdkörper und Keime aus der Wunde geschwemmt werden. Hier können Spüllösungen und aufsaugende Wundauflagen unterstützen. Liegt eine klinisch infektfreie Wunde vor, folgt die feuchte Wundbehandlung ohne Antibiotika-Therapie.
Eine Sonderform ist die sogenannte VAC-Therapie (vacuum assisted closure), die besser als Unterdruck-Wundtherapie übersetzt wird, da natürlich kein richtiges Vakuum angelegt wird. Mit einem Vakuumverband und einer Vakuumpumpe wird ein leichter, auf die Wunde begrenzter Unterdruck angelegt, sodass durch einen Schlauch ständig Wundexsudat abfließen kann und eine aktive Wundreinigung gefördert wird. Der Verband samt Schlauch kann mehrere Tage auf der Wunde verbleiben; dies erspart dem Patienten schmerzhafte Verbandwechsel und verringert Komplikationen durch von außen eingetragene Keime. Der Sog fördert die Zellmigration und die weiteren Phasen der Wundheilung schließen sich schneller an. Die VAC-Therapie wird daher positiv bewertet. Grundsätzlich gilt, dass eine Reinigung der Wundoberfläche bei jedem Verbandwechsel erfolgt.
Es folgen die Granulations- (Phase 2) und die Epithelisierungsphase (Phase 3). Diese können sinnvoll durch die patientenindividuelle Auswahl von Wundverbänden unterstützt werden. Es gibt diverse Produkte in den Gruppen Folien, Polymerschäume, Hydrokolloide, Alginate und Hydrogele. Entscheidend für die Auswahl ist, dass neben einer guten Abdeckung eine feuchte Wundumgebung erhalten und gegebenenfalls noch austretendes Sekret abtransportiert wird.
Blutet oder exsudiert eine Wunde stark, kommen Alginate oder Hydrogelfasern zum Einsatz, die sekundär durch einen saugenden PU-Schaum ergänzt werden können. Dadurch wird viel Exsudat aufgenommen, aber direkt auf der Wunde bleibt ein feuchtes Milieu bei guter Abdeckung erhalten.
In der Granulationsphase wird Gewebe neu gebildet, indem sich ein Stützgerüst und Gefäße ausbilden. Wichtig sind der Schutz der sehr empfindlichen Wunde, die Aufrechterhaltung eines feuchten Milieus und dennoch ein ausreichender Gasaustausch. Hierfür sind Hydrokolloid-Verbände gut geeignet, deren Saugkraft nach Exsudatbildung ausgewählt wird. Ziel ist es, den Hydrokolloidverband drei bis sieben Tage auf der Wunde zu belassen.
In Phase 3 bildet sich ein Teil des Granulationsgewebes in wasserärmeres Gewebe um und es wird Narbengewebe durch den Einbau von Kollagenfasern gebildet. Das neu gebildete Narbengewebe hat keine Haar- und Schweißdrüsen und ist damit später auch deutlich anfälliger für einen Dekubitus (cave: Ferse bei bettlägerigen Patienten). Geeignete Wundauflagen für diese Phase sind dünne sterile Hydrokolloid-haltige Auflagen, die möglichst transparent und wasserfest sind, damit die Wundheilung ohne Verbandwechsel gut kontrolliert werden kann. Die Phase 3 kann bis zu sechs Monate dauern; die Apotheke sollte den Patienten zum Durchhalten motivieren.
Ziel jeder Therapie des DFS ist die Vermeidung einer Amputation. / Foto: Adobe Stock/Choo
Eine besondere Form stellt die Wundversorgung mit einer künstlich konstruierten Extrazellulärmatrix dar, in die Fibroblasten eingelagert sind. Diese Therapie wird bisher nur in spezialisierten Kliniken angewendet.
Eine andere Option sind mesenchymale Stromazellen (MSC), die die Bildung von neuen Zellen und Blutgefäßen stimulieren. Das Fertigarzneimittel Obnitix® kann zurzeit nur off Label bei schlecht heilenden Wunden eingesetzt werden. Mit weiteren Studien wird jedoch eine Indikationserweiterung angestrebt. Die MSC haben immunmodulierende Eigenschaften, wodurch die Proliferation von B- und T-Lymphozyten und natürlichen Killerzellen gedrosselt wird. Auf der anderen Seite wird die Differenzierung von T-Zellen angeregt und dadurch Gewebe neu gebildet.
In allen Wundheilungsphasen findet eine antibiotische Therapie nur bei eindeutigem Keimnachweis im Abstrich statt. Je nach Schweregrad erfolgt eine systemische Antibiose, in sehr schweren Fällen auch zeitweise parenteral im Krankenhaus. Die parenterale Antibiose wird individuell nach Zustand über Tage bis Wochen oral weitergeführt.
Da die Behandlung des DFS sehr langwierig ist und begrenzte Erfolgsaussichten hat, kommt der Prävention eine herausragende Bedeutung zu. Die International Working Group on the Diabetic Foot (IWGDF) hat fünf Eckpunkte der Prävention festgesteckt:
Diese Eckpunkte der Prävention zielen darauf ab, eine Verschlechterung eines DFS zu vermeiden. Die Nationale Versorgungsleitlinie (NVL, Version 2.8.) zum Typ-2-Diabetes setzt mit den Empfehlungen zur Prävention früher an – bevor sich erste Anzeichen eines DFS zeigen – und setzt klar auf Vermeidung (5).
Die Schulung ist der erste Schritt zur Vermeidung von Fußläsionen und schweren Stadien des DFS bis hin zur Amputation. Sie erfolgt am besten in praxisnaher Form und ist Teil der sogenannten »Diabetiker-Schulung«, wenn der Patient sich schon in einem solchen Programm befindet. In der Schulung werden Kenntnisse über Prophylaxe, optimale Fußpflege und richtiges Schuhwerk vermittelt, möglichst immer verbunden mit praktischen Übungen, zum Beispiel wie man mithilfe eines Spiegels die Füße untersuchen kann. Das Problembewusstsein der Betroffenen und der Angehörigen ist zu schärfen. Da praktische Übungen den besten Effekt bringen, sind Einzelschulungen optimal. Nachschulungen nach einem bis zwei Jahren können eventuell in Kleingruppen stattfinden.
Jedoch haben längst nicht alle Diabetes-Patienten Zugang zu einer strukturierten Schulung gemäß NVL. Hier kann die Apotheke wichtige Hinweise zur Prävention und Fußpflege (Kasten) geben und mit Informationsmaterial die weitere Auseinandersetzung mit dem Thema fördern. Das »Diabetes-Informationsportal« (www.diabinfo.de; Suchwort Diabetischer Fuß) bietet aktuelle Informationen, die frei von Werbung und kommerziellen Interessen sind. Einen Überblick liefert die downloadfähige Informationsschrift »Was kann ich selber in meinem Alltag tun, um Folgeerkrankungen vorzubeugen«. Darin sind in alphabetischer Reihenfolge mögliche Folgeerkrankungen genannt und stichwortartig die Maßnahmen zur Vermeidung in verständlicher patientengerechter Form aufgelistet. Diese Übersicht ist bestens geeignet, dem Patienten die in der Beratung empfohlenen Maßnahmen schriftlich mit nach Hause zu geben. Zur Vorbeugung des DFS gibt das PDF alle wichtigen Informationen auf einen Blick.
Ebenfalls hilfreich sind die Informationen der Deutschen Diabetes Gesellschaft (www.deutsche-diabetes-gesellschaft.de) und der DDG-Arbeitsgemeinschaft Diabetischer Fuß (www.ag-fuss-ddg.de).
Die Apotheke kann den Zugang zur podologischen Behandlung erleichtern, indem sie eine lokale Liste von Podologen mit Adressen und Kontaktinformationen erarbeitet und bereithält.
Foto: Adobe Stock/Ivan Traimak
Sinnvolle Hilfsmittel und Pflegeartikel
Prävention ist die beste Strategie gegen ein DFS. Dabei kann die Apotheke einen entscheidenden Beitrag leisten und laufende Therapien durch Bestätigung der Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit unterstützen. Die Patienten benötigen bei diesem Dauerbrennerthema eine regelmäßige Motivation, Bestätigung und Lob für die eigenen Bemühungen. Dies kann ihre Compliance oder besser noch Adhärenz wirksam unterstützen.
Ilsabe Behrens studierte Pharmazie in Braunschweig und Hamburg und erhielt 1990 die Approbation als Apothekerin. Nach Tätigkeiten in der öffentlichen und der Krankenhausapotheke arbeitete sie an ihrer Promotion, die sie 1996 abschloss. Während ihrer mehr als 20 Jahre langen Beratungstätigkeit in der Offizin war die Betreuung von Menschen mit Diabetes ein inhaltlicher Schwerpunkt, ergänzt durch direkte Erfahrung im familiären Bereich. Parallel widmete sich Dr. Behrens den Themen Qualitätsmanagement und Qualitätssicherung, zunächst in einer großen Apotheke in Hamburg, dann in pharmazeutischen Unternehmen. Derzeit übt sie in einem Pharmaunternehmen die Tätigkeit als Qualified Person gemäß § 14 AMG aus und leitet die operative Qualitätssicherung.