Pharmazeutische Zeitung online
Polysaccharide und Phospholipide

Auch die Schleimhaut braucht Pflege

Nicht nur unsere Haut will gehegt und gepflegt werden. Auch die Schleimhäute in Mund- und Rachenraum sowie an Augen und Nase profitieren von einer Therapie-Unterstützung. Für Wirkstoffe hat man Anleihe aus der Natur genommen.
Elke Wolf
08.11.2022  16:00 Uhr

Genauso wie unsere Haut erfüllt auch die Schleimhaut in Nase, Rachenraum und Kehlkopf verschiedene Aufgaben. Eine wesentliche ist die Barrierefunktion gegenüber Krankheitserregern sowie deren Abtransport. Um dies zu gewährleisten, liegt der Schleimhaut ein feuchter Schutzfilm auf, der es zum Beispiel Viren erschwert, die Epithelzellen zu infizieren.

Diese natürliche Filmauflage kann freilich durch so manche Faktoren beeinträchtigt werden. Dazu gehören allen voran Krankheitserreger, darunter auch Allergieauslöser wie Pollen, die in der Schleimhaut für lokale Entzündungsreaktionen sorgen. Aber auch eine Überbeanspruchung durch lautes und häufiges Sprechen sowie verschiedene Medikamente wie Antihistaminika, Antihypertensiva oder Antidepressiva lassen die Mundschleimhaut austrocknen. Das schränkt deren Barrierefunktion ein. Eine ausgetrocknete Schleimhaut ist rau, wund, hypersensibel und fühlt sich deshalb unangenehm an.

Präparate mit Schleimstoff-haltigen Drogen wie Isländisch Moos (zum Beispiel Isla® Halspastillen), Eibisch (zum Beispiel Phytohustil®) oder Primelwurzel (zum Beispiel Ipalat® Halspastillen) befeuchten die Schleimhäute, indem sie den Speichelfluss anregen und mucilaginös wirken. Die in den Schleimstoffen enthaltenen Polysaccharide bilden mit dem Speichel eine Art Schutzfilm, der sich über die Schleimhaut legt. Entzündete Epithelzellen werden so vor weiteren Reizen geschützt. Ein Wirkprinzip, das schon lange bekannt ist und der Apotheker Karl Friedrich Engelhard vor mehr als 150 Jahren zum ersten Mal in einer definierten Arzneiform genutzt haben dürfte: 1868 führte er die Isla Moos Pasta ein, die den gleichen Spezialextrakt enthielt, der auch heute noch den Isla® Halspastillen ihre Konsistenz gibt.

Eine befeuchtende Wirkung versprechen zudem Rachentherapeutika mit Hyaluronsäure (zum Beispiel Isla® med, GeloTonsil®, GeloRevoice®). Eine schleimhautstärkende Wirkung wird auch Ectoin zugeschrieben, einer Substanz, die einst aus Mikroorganismen in der Nähe von Geysiren gewonnen wurde. Es stabilisiert auf physikalischem Wege die Zellmembranen, indem es einen Hydro-Komplex bildet und so die Zellstrukturen vor weiteren Virenattacken schützt (Osmoregulation). In Kombination mit Eibischwurzel-Trockenextrakt und Honig (Naturalis® Mund- und Rachenspray) schützt es das Epithel. Die so mögliche Rehydratisierung und die Abschirmung der peripheren Sensorikrezeptoren führt zu einer signifikanten Symptomlinderung bei einer vorliegenden akuten Pharyngitis.

Surfactant als Vorbild

Das Atemwegsepithel wird durch eine oberflächliche hochvisköse Mukusschicht – auch als Gelphase bezeichnet – und eine direkt den Epithelzellen anliegende wässrige Flüssigkeitsschicht (Solphase) bedeckt, in der die Zilien der Flimmerepithelzellen schlagen. An der Luft-Mukus-Grenze ist die Gelphase von einem Surfactant-Film überzogen, der zu 90 Prozent aus Phospholipiden, zu 10 Prozent aus Proteinen besteht. Unter den Phospholipiden bilden gesättigte und ungesättigte Formen des Phosphatidylcholins (Lecithin) mengenmäßig den größten Anteil.

Es stabilisiert diese zweilagigen Schleimschichten und reduziert im Bereich der gesamten respiratorischen Schleimhaut dessen Oberflächenspannung und Viskosität. Surfactant agiert quasi als Spülmittel der Atemwege, was nicht nur die Zilien-Schlagfrequenz erhöht, sondern die gesamte mukoziliäre Clearance verbessert. Partikel, Bakterien und Viren können dadurch leichter abtransportiert werden. Zudem hemmt Surfactant die Zytokin-Freisetzung aus Makrophagen und reguliert den Flüssigkeitseinstrom aus dem Gewebe auf die Luft-Schleim-Grenzfläche der Atemwege. Auch eine direkte regulierende Wirkung bei respiratorischen Virusinfektionen konnte nachgewiesen werden. Dieses natürliche spezifische und unspezifische Abwehr- und Selbstreinigungssystem wird durch jede Beeinträchtigung des Surfactants gestört.

Bis heute ist es nicht gelungen, Surfactant synthetisch herzustellen. Eine Option der Stabilisierung des Surfactants und damit zur Schleimhautpflege bietet dagegen die inhalative Substitution durch Phospholipid-Liposome, also Vesikel des Phosphatidylcholins als in sich abgeschlossene Lipidmembran-Lamellen. Für Augen, Nase, Mundhöhle und Atemwege stehen unterschiedliche Applikationsformen zur Verfügung.

Liposomen-Pflege

Dabei gehen die Effekte dieser Liposomen-Pflege über die Linderung der Heiserkeit bei professionellen Vielrednern und Sängern und eine Symptombesserung bei Asthmatikern sowie COPD-Patienten hinaus. Bei allergischer Rhinopathie konnten Liposom-haltige Nasensprays (wie Liponasal®) eine ebenso signifikante Reduktion des Rhinoconjunktivalen Scores und Lebensqualitätsverbesserung erreichen wie die Leitlinien-empfohlene Kombinationstherapie topischer Antihistaminika und Glucocorticoide, und das bei sehr guter Verträglichkeit.

Beim primären Sjögren-Syndrom wurde nicht nur die Sicca-Symptomatik in Mund und Rachen, im Nasen- und konjunktivalen Bereich deutlich reduziert, auch der Surrogatparameter für Autoimmunerkrankungen, die Interleukin-6-Konzentration, ließ sich signifikant senken.

Studiengesicherte Ergebnisse liegen für Phospholipid-Liposomen-haltige Nasensprays weiter vor zu therapieresistenten Krankheitsbildern wie Rhinitis sicca und chronischer Sinusitis. Patienten mit Kopf-Hals-Tumoren häufig quälende Geruchs- und Geschmacksstörungen ließen sich mit liposomalen Sprays lindern. Sogar die sinunasalen Symptome bei ANCA-assoziierten Vaskulitiden konnten mit dem zusätzlichen Einsatz liposomaler Sprays besser reduziert werden als unter alleiniger immunmodulierender Therapie. Phospholipid-Liposomen-Inhalationen (wie Lipoaerosol®, Liposaliva®) konnten bei tracheotomierten Patienten die funktionelle Integrität des Tracheobronchialsystems aufrechterhalten und eine starke Reduktion des IL-6-Wertes im Sekret induzieren.

Auch zur Wirksamkeit bei Covid-19 und anderen Atemwegsvirusinfektionen liegen Ergebnisse aus In-vitro- und In-vivo-Studien vor. Phospholipide scheinen bevorzugt an den am Nasendach gelegenen Riechrezeptoren anzudocken, über welche Viren wie SARS-CoV-2 Anosmie auslösen. Damit könnten diese blockiert und Riechstörungen – zumindest teilweise – verhindert werden. Positive Praxiserfahrungen gibt es bei der Behandlung Post-Covid-19-bedingter Riechstörungen mit solchen Liposomen-Präparaten.

Auch Sicca-Patienten, deren trockene Augen aufgrund einer Meibomdrüsen-Dysfunktion bestehen, profitieren von einem Tänenersatzmittel mit Lipidzusatz. Phospholipide können nicht nur getropft, sondern auch aufgesprüht werden. Und zwar mit Sprays, in denen die Phospholipide in Liposomen verpackt vorliegen (wie Polyeye® Comfort, Tears Again®, Ocuvers® Spray, Liponit® Augenspray). Sie werden auf das geschlossene Augenlid gesprüht. Die Liposomen wandern über die Lidränder nach und nach ins Auge und werden in den Lipidfilm der Tränenflüssigkeit integriert, was zu einem normalen Verdunstungsschutz führen soll.

 

Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
 
FAQ
SENDEN
Wie kann man die CAR-T-Zelltherapie einfach erklären?
Warum gibt es keinen Impfstoff gegen HIV?
Was hat der BGH im Fall von AvP entschieden?
GESAMTER ZEITRAUM
3 JAHRE
1 JAHR
SENDEN
IHRE FRAGE WIRD BEARBEITET ...
UNSERE ANTWORT
QUELLEN
22.01.2023 – Fehlende Evidenz?
LAV Niedersachsen sieht Verbesserungsbedarf
» ... Frag die KI ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln. ... «
Ihr Feedback
War diese Antwort für Sie hilfreich?
 
 
FEEDBACK SENDEN
FAQ
Was ist »Frag die KI«?
»Frag die KI« ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums versehen, in denen mehr Informationen zu finden sind. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung verfolgt in ihren Artikeln das Ziel, kompetent, seriös, umfassend und zeitnah über berufspolitische und gesundheitspolitische Entwicklungen, relevante Entwicklungen in der pharmazeutischen Forschung sowie den aktuellen Stand der pharmazeutischen Praxis zu informieren.
Was sollte ich bei den Fragen beachten?
Damit die KI die besten und hilfreichsten Antworten geben kann, sollten verschiedene Tipps beachtet werden. Die Frage sollte möglichst präzise gestellt werden. Denn je genauer die Frage formuliert ist, desto zielgerichteter kann die KI antworten. Vollständige Sätze erhöhen die Wahrscheinlichkeit einer guten Antwort.
Wie nutze ich den Zeitfilter?
Damit die KI sich bei ihrer Antwort auf aktuelle Beiträge beschränkt, kann die Suche zeitlich eingegrenzt werden. Artikel, die älter als sieben Jahre sind, werden derzeit nicht berücksichtigt.
Sind die Ergebnisse der KI-Fragen durchweg korrekt?
Die KI kann nicht auf jede Frage eine Antwort liefern. Wenn die Frage ein Thema betrifft, zu dem wir keine Artikel veröffentlicht haben, wird die KI dies in ihrer Antwort entsprechend mitteilen. Es besteht zudem eine Wahrscheinlichkeit, dass die Antwort unvollständig, veraltet oder falsch sein kann. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung übernimmt keine Verantwortung für die Richtigkeit der KI-Antworten.
Werden meine Daten gespeichert oder verarbeitet?
Wir nutzen gestellte Fragen und Feedback ausschließlich zur Generierung einer Antwort innerhalb unserer Anwendung und zur Verbesserung der Qualität zukünftiger Ergebnisse. Dabei werden keine zusätzlichen personenbezogenen Daten erfasst oder gespeichert.

Mehr von Avoxa