Attacken auf die Preisbindung abwehren |
| Cornelia Dölger |
| 13.11.2025 15:00 Uhr |
Die Apothekerschaft fordere eine Soforthilfe in Form einer Honoraranpassung sowie »eine echte Verhandlungslösung«. Zudem müssten die PTA-Vertretungsidee zurückgenommen und die Rx-Preisbindung gesichert werden, so AVWL-Chef Thomas Rochell. / © AVWL
Anlass für eine Revue der vergangenen und aktuellen Rechtsprechung zu Arzneimittelwerbung gibt es reichlich, erst vor Kurzem hatte der Bundesgerichtshof (BGH) dazu geurteilt. Hinzu kommen die laufenden Rechtsverstöße der EU-Versender mit ihren Rabattaktionen. Einen entsprechenden Rück- und Überblick gab der Apothekenrechtsexperte Professor Elmar Mand am Mittwoch bei der Mitgliederversammlung des Apothekerverbands Westfalen-Lippe (AVWL) in Münster.
Dabei nahm § 7 des Heilmittelwerbegesetzes (HWG), der regelt, wann Arzneimittelwerbung in Deutschland verboten und wann sie erlaubt ist, zentralen Raum in Mands Vortrag »Arzneimittelpreisverordnung und Fremdbesitzverbverbot auf dem Prüfstand?« ein.
Geradezu berüchtigt ist dieser Paragraph unter Juristen, weil er etliche Ausnahmen und wiederum Gegenausnahmen zulässt. Mand bemerkte in Münster, auch wenn man diesen Paragraphen in Ruhe lese, »dann wissen Sie danach sicherlich genauso viel als wie zuvor, wie es so schön heißt«. Diese Vorschrift sei selbst für einen Juristen »eigentlich nicht lesbar und nicht verständlich«, so Mand.
Grob fasste Mand die wesentlichen Aussagen dennoch zusammen. Über das kleinteilige Werberecht – und nicht über das Preisrecht, das für EU-Versender nicht gilt – nähere sich die Rechtsprechung den Knackpunkten zur Arzneimittelwerbung, das hätten die beiden letzten Entscheidungen des BGH deutlich gezeigt. Das Werberecht sei das Instrument, das allgemein genutzt werde, »um die schlimmsten Umtriebe ausländischer Versandapotheken ein bisschen einzudämmen«.
Rechtsexperte Professor Elmar Mand gab einen Überblick über die Regelungen zum Werbe- sowie zum Preisrecht. Er rechnet in den nächsten fünf Jahren mit einem »Frontalangriff« auf das Boniverbot in §129 Sozialgesetzbuch (SGB) V . / © PZ
Mit §7 HWG sowie §129 Sozialgesetzbuch (SGB) V bestünden zwei Ansatzpunkte, um gegen Wertreklame vorzugehen. Die Regelung im SGB V, in das das Rx-Boni-Verbot umgezogen wurde, sieht der Rechtsexperte aber in Gefahr. Zwar ist die Sozialgesetzgebung dem EU-Recht weitgehend entzogen, wenn es um die Vereinbarkeit mit Unionsrecht geht. Mit der Berufung auf die EU-Warenverkehrsfreiheit hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) aber schon die seinerzeit noch im Arzneimittelgesetz geregelte Preisbindung gekippt. Mand geht davon aus, dass die Regelung unter diesem Gesichtspunkt »demnächst unter Beschuss« stehen werde. Er rechne innerhalb der nächsten fünf Jahre mit einem »Frontalangriff«.
Daher gelte es, die vom BGH geforderten »profunden Beweise« für die Erforderlichkeit der Preisbindung zusammenzutragen, appellierte der Rechtsexperte. Der AVWL sei in dieser Sache sehr engagiert. Dessen Vorstandsvorsitzender Thomas Rochell ging in seinem Bericht ebenso auf die Attacken gegen die Preisbindung ein.
Auch wenn die Regelung mittlerweile Teil der Sozialgesetzgebung sei, werde sie vor Gerichten landen, das sei »so sicher wie das Amen in der Kirche«, prognostizierte Rochell. Nun müssten »Zahlen, Daten, Fakten« geliefert werden, die die Gerichte davon überzeugten, dass die Preisbindung erforderlich für eine flächendeckende Versorgung sei. »Der gesamte Berufsstand muss bundesweit geschlossen und mit Hochdruck an Lösungen arbeiten.« Denn wenn die Preisbindung kippe, spiele auch eine Honorarerhöhung keine Rolle mehr.
Dass diese trotz anderslautender Ankündigung im Koalitionsvertrag vorerst nicht komme, stellte Rochell als einen der zentralen Kritikpunkte an den aktuellen Reformplänen heraus. Die Apothekerschaft fordere eine Soforthilfe in Form einer Anpassung sowie »eine echte Verhandlungslösung«. Zudem müsse die PTA-Vertretungsidee zurückgenommen werden. Elementar sei die Absicherung der Rx-Preisbindung.
Mit der geplanten Verhandlungslösung rücke eine tatsächliche Dynamisierung des Honorars »in weite Ferne«. Es sind bekanntlich nur »regelmäßige« Verhandlungen vorgesehen, einen Turnus geben die Pläne nicht vor. Überdies dürften die Verhandlungen laut Rochell kompliziert werden, denn die Kassen verhandelten aufgrund des strukturellen Ungleichgewichts nicht mehr, sondern sie diktierten die Bedingungen.
Die geplante PTA-Vertretung säge an dem Ast, auf dem man sitze, warnte Rochell. Er wolle nicht missverstanden werden; Inhaber wüssten die Fähigkeiten der PTA »absolut zu schätzen, ohne sie würde es keine Apotheke vor Ort geben«. Aber die Vertretung könne nicht die Lösung sein, denn zu befürchten sei »eine juristische Kettenreaktion«, an deren Ende die Präsenzpflicht des Apothekers komplett abgeschafft sei. Denn wie solle sie am Ende verteidigt werden, wenn sie jetzt zeitweise freigegeben würde? Die Abschaffung der Präsenzpflicht zöge mithin die Aufhebung des Fremdbesitzverbots nach sich, so Rochell. Auch Rechtsexperte Mand warnte eindringlich vor einem solchen Vorstoß, der ein gefährlicher Türöffner sei. Der vermeintliche – geringe – Nutzen sei das Risiko für das Gesamtgefüge nicht wert.
»Zum Erhalt der flächendeckenden Arzneimittelversorgung fällt der Politik nur ein, Leistungen abzubauen und Kosten zu drücken«, kritisierte Rochell weiter. Billige Politik mache es am Ende aber für alle teurer. Apotheken müssten hingegen finanziell besser ausgestattet werden. Die anstehende Mindestlohnerhöhung müsse durch höhere Honorare auch bezahlbar sein. »Die Erhöhung muss kommen, und zwar jetzt.«
Am 17. Dezember sollen die Reformpläne im Kabinett beraten und beschlossen werden. Wenn sich der Kabinettsentwurf am Ende nicht wesentlich von dem Referentenentwurf unterscheide, dann seien deutliche Aktionen in der Öffentlichkeit nötig, so Rochell. Bis dahin gelte: »Jetzt ist die Zeit fürs Reden, die Zeit zum Handeln kommt noch.« Dabei gelte es, bundesweit geschlossen aufzutreten. Es brauche Flexibilität, um auf politische Veränderungen reagieren zu können, zudem dürfe man die Patienten nicht verlieren.
Gabriele von Elsenau Overwiening, Kammerpräsidentin in Westfalen-Lippe, ergänzte aus dem Plenum, dass jetzt der Zeitpunkt »unbedingt geeignet« sei, »um den Kabinettsbeschluss anders hinzukriegen«. Die laxe Verhandlungslösung sowie die PTA-Vertretungsbefugnis müssten »da raus«, das sei essenziell.
Aus dem Plenum kamen teils enttäuschte Reaktionen auf die Rede Rochells und den Plan, zunächst »auf Sicht zu fahren«. Einige drangen darauf, dass nicht mehr abgewartet werden dürfe. Möglicherweise müsse die Strategie geändert werden, so ein Vorschlag. Gespräche mit Politikern – gut und schön. Aber die Apothekenthemen müssten »die Masse« erreichen. »Wir müssen endlich anfangen, zweigleisig zu fahren«, die meisten wüssten nicht, »wie schlecht es um uns bestellt ist«.