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ARZNEISTOFFE

Bedaquilin|Sirturo®|80|2014

STOFFGRUPPE
80 Tuberkulosemittel
WIRKSTOFF
Bedaquilin
FERTIGARZNEIMITTEL
Sirturo®
HERSTELLER

Janssen-Cilag

MARKTEINFÜHRUNG (D)
05/2014
DARREICHUNGSFORM

100 mg Tabletten

ATC-CODE
J04AK05
ORPHAN DRUG
Ja

Indikationen

Sirturo wird bei erwachsenen und jugendlichen (ab 12 Jahren und einem Körpergewicht ab 30 kg) Patienten als Teil einer geeigneten Kombinationstherapie der multiresistenten pulmonalen Tuberkulose [multi-drug-resistant Mycobacterium tuberculosis (MDR-Tb)] angewendet, wenn ein wirksames Behandlungsregime aufgrund von Resistenz oder Unverträglichkeit nicht anders zusammengestellt werden kann.

Wirkmechanismus

Bedaquilin hemmt die mykobakterielle ATP-Synthase. Diese benötigt der Tuberkuloseerreger zur Energiegewinnung. Wird das Enzym gehemmt, stirbt das Bakterium ab. Bedaquilin wirkt bakterizid sowohl auf sich teilende als auch auf ruhende Tuberkuloseerreger.

Anwendungsweise und -hinweise

Bedaquilin darf nur in Kombination mit mindestens drei Antituberkulosemitteln gegeben werden und auch nur dann, wenn ein wirksames Behandlungsregime aufgrund von Resistenzen oder Unverträglichkeiten nicht anders zusammengestellt werden kann. Die Kombinationspartner von Bedaquilin müssen sich bei einem In-vitro-Test von Patientenisolat als wirksam erwiesen haben und nach dem Absetzen von Bedaquilin weiter gegeben werden. Sind keine In-vitro-Resistenztest-Ergebnisse verfügbar, muss Bedaquilin mit mindestens vier anderen Wirkstoffen kombiniert werden, gegen die der Erreger wahrscheinlich empfindlich ist.

 

Insgesamt dauert die Therapie mit Bedaquilin 24 Wochen. Während der ersten 14 Tage erhält der Patient einmal täglich 400 mg, ab Woche 3 beträgt die Dosierung dreimal wöchentlich 200 mg, wobei zwischen den Einnahmen mindestens 48 Stunden liegen müssen. Bedaquilin soll zum Essen eingenommen werden, da die Einnahme mit einer Mahlzeit die Bioverfügbarkeit um etwa das Zweifache erhöht.

 

Aufgrund der möglichen Nebenwirkungen am Herzen und in der Leber ist bei Patienten mit – intrinsisch oder medikamentös bedingtem – erhöhtem Risiko für eine QT-Zeit-Verlängerung und bei schwerer Leberfunktionsstörung Vorsicht geboten.

Wichtige Wechselwirkungen

Die In-vivo-Elimination von Bedaquilin ist noch nicht vollständig geklärt, läuft aber in vitro hauptsächlich über CYP3A4. Mit anderen CYP-Isoenzymen sind keine Interaktionen beschrieben. Bedaquilin hat eine extrem hohe Plasmaproteinbindung (> 99,9 Prozent) und wird nahezu nicht renal ausgeschieden. Mit Hemmern oder Induktoren von CYP3A4 besteht Interaktionsgefahr, weshalb die Kombination mit solchen Arzneistoffen zu vermeiden ist. Unglücklicherweise betrifft das mit dem Tuberkulosemittel Rifampicin und den HIV-Therapeutika Efavirenz, Etravirin (Induktoren) beziehungsweise Ritonavir (Hemmer) unter anderem Arzneistoffe, die bei Tb-Patienten häufig zum Einsatz kommen.

Nebenwirkungen

Das Nebenwirkungsprofil von Bedaqualin wurde anhand gepoolter Daten aus Phase-IIb-Studien von 335 Patienten ermittelt. Demnach traten Kopfschmerzen, Schwindel, Übelkeit, Erbrechen und Arthralgie sehr häufig auf (bei ≥ 10 Prozent der Patienten). Häufig, also bei ≥ 1 Prozent der Behandelten, kam es zu einer Verlängerung des QT-Intervalls im Elektrokardiogramm (EKG), Diarrhö, erhöhten Transaminase-Werten und Myalgie. Bei leichter bis mäßiger Leberfunktionsstörung ist keine Dosisanpassung erforderlich, ebenso wenig bei leichter bis mittelschwerer Niereninsuffizienz.

Kontraindikationen und Vorsichtsmaßnahmen

Bei Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der sonstigen Inhaltsstoffe ist das Arzneimittel kontraindiziert.

Studien

Antibakterielle Aktivität, Sicherheit und Verträglichkeit von Bedaquilin wurden unter anderem in der placebokontrollierten, doppelblinden, randomisierten Phase-IIb-Studie C208 überprüft. 160 Patienten mit neu diagnostizierter MDR-Tb, oder prä-XDR-Tb erhielten darin über 24 Wochen entweder Bedaquilin oder Placebo, jeweils in Kombination mit einer Basistherapie. Diese bestand bevorzugt aus Ethionamid, Kanamycin, Pyrazinamid, Ofloxacin und Cycloserin/Terizidon und wurde nach Abschluss der Bedaquilin-Behandlung bis zu einer maximalen Gesamtdauer von 24 Monaten fortgesetzt. Primärer Endpunkt war die Zeit bis zur Sputumkonversion, also bis zur ersten von zwei aufeinander folgenden Sputumkulturen, in denen keine Tb-Erreger mehr nachweisbar waren. Dieser Zeitraum betrug in der Bedaquilin-Gruppe median 83 Tage und in der Placebo-Gruppe 125 Tage.

 

An der noch laufenden Studie C209 nehmen 233 Patienten mit MDR-, prä-XDR- und XDR-Tb teil. Die nicht verblindete Behandlung mit Bedaquilin erfolgt hier ebenfalls über 24 Wochen, und zwar als Teil eines individualisierten Behandlungsregimes. Auch hier war der primäre Endpunkt der Zeitraum bis zur Sputumkonversion. Bezogen auf bisher 205 Patienten mit ausreichenden Daten betrug er in der Bedaquilin-Gruppe im Median 57 Tage. In Woche 24 hatte bei 163 Patienten (79,5 Prozent) eine Sputumkonversion stattgefunden. Der Anteil der Patienten mit Sputumkonversion in Woche 24 war bei denjenigen mit MDR-Tb mit 87,1 Prozent am höchsten, gefolgt von den Patienten mit prä-XDR-Tb (77,3 Prozent) und den XDR-Tb-Patienten (55,6 Prozent).

Besonderheiten

Bei der Lagerung von Sirturo sind keine besonderen Bedingungen einzuhalten.

Sirturo unterliegt der Verschreibungspflicht.

Formeln

Bedaquilin

Bedaquilin

Die dreidimensionale Strukturformel können Sie mit einem kostenlosen Zusatzprogramm aus dem Internet, zum Beispiel Cortona von Parallelgraphics, ansehen (externer Link).

Bedaquilin.wrl

Weitere Hinweise

Eine Anwendung von Bedaquilin während der Schwangerschaft ist zu vermeiden, es sei denn, der zu erwartende Nutzen überwiegt das Risiko.

 

Während der Stillzeit muss entschieden werden, ob die Behandlung mit Bedaquilin oder das Stillen unterbrochen werden soll.

Packshot

Letzte Aktualisierung: 14.06.2021

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