Tetrahydrocannabinol und Cannabidiol|Sativex®|64|2011 |
Almirall Hermal
Spray zur Anwendung in der Mundhöhle: Ein Sprühstoß (100 Mikroliter Spray) enthält 2,7 mg Delta-9-THC, 2,5 mg CBD und 40 mg Alkohol
Sativex ist zugelassen als Add-on-Therapeutikum für erwachsene Multiple-Sklerose-Patienten mit mittelschwerer bis schwerer Spastik, die nicht angemessen auf eine andere antispastische Arzneimitteltherapie angesprochen haben und die während eines Anfangstherapieversuchs mit dem Spray erheblich davon profitierten.
Warum wirken Cannabinoide bei MS? Als Teil des menschlichen Endocannabinoid-Systems sind Cannabinoid-Rezeptoren an den Nervenenden zu finden, wo sie an der Regulation der synaptischen Funktion mitwirken. Schon seit Längerem weiß man, dass das körpereigene Cannabinoid-System bei spastischen Störungen verändert ist, offenbar fehlt es an Endocannabinoiden. Mit den Inhaltsstoffen aus der Hanfpflanze lässt sich dieses Defizit wieder ausgleichen. THC und CBD binden an die Cannabinoid-Rezeptoren. Das verbessert die Regulation von Nervenimpulsen, was letztlich eine Verringerung der Spastik bewirkt. Beispielsweise linderten Cannabinoid-Rezeptor-Agonisten bei tierexperimentellen Modellen von MS und Spastik die Steifigkeit der Gliedmaßen und verbesserten die Motorik.
Die in Sativex enthaltenen Cannabinoide werden schnell über die Mundschleimhaut aufgenommen. Nach vier Sprühstößen sind sowohl THC als auch CBD innerhalb von 15 Minuten im Plasma nachweisbar. In einer Titrationsphase ist zunächst die optimale Dosis zu ermitteln. Diese sollten die Patienten in der Erhaltungsphase beibehalten und je nach individuellem Ansprechen und Verträglichkeit über den Tag verteilen. In klinischen Studien betrug die mittlere von MS-Patienten benötigte Dosis acht Sprühstöße pro Tag. Mehr als zwölf Sprühstöße pro Tag werden in der Fachinformation nicht empfohlen.
Generell sollten die Patienten das Spray an verschiedenen Stellen des Mundhöhlenbereichs anwenden und bei jeder Verwendung den Ort der Anwendung wechseln. Das pharmazeutische Personal sollte zudem den Hinweis geben, dass es bis zu zwei Wochen dauern kann, bis die optimale Dosierung gefunden wird und dass Nebenwirkungen während dieser Zeit auftreten können.
Die Wirkstoffe in Sativex werden über das Cytochrom-P450-System verstoffwechselt. Inhibitoren und Induktoren insbesondere von CYP3A4 und CYP2C19 können die Wirkung von Sativex beeinflussen.
Zu einer additiven Wirkung kann es kommen, wenn Sativex zusammen mit Hypnotika, Sedativa oder Arzneimitteln, die sedierende (Neben-)Wirkungen entfalten, verwendet wird. Sedierende und muskelrelaxierende Effekte können so verstärkt werden.
Auf Alkoholgenuss sollte während der Dauer der Therapie mit Sativex verzichtet werden. Dies gilt in besonderem Maße für den Beginn der Therapie und bei Dosisänderungen.
Am häufigsten traten in den Zulassungsstudien zu Sativex Schwindel und Müdigkeit auf. Diese Nebenwirkungen sind in der Regel aber nur schwach und klingen nach einigen Tagen ab. Laut Fachinformation ist die Entwicklung einer Abhängigkeit von Sativex unwahrscheinlich. Es wurde keine Erhöhung der täglichen Dosierung bei Langzeitanwendung beobachtet. Zudem hat das abrupte Absetzen nicht zu einem einheitlichen Muster oder Zeitprofil von Entzugserscheinungen geführt.
Sativex ist in der Stillzeit kontraindiziert, da die Cannabinoide in die Muttermilch übergehen. Kontraindiziert ist das Spray unter anderem auch bei einer bekannten oder vermuteten Anamnese oder Familienanamnese von Schizophrenie. Die Anwendung von Sativex wird auch bei Patienten mit schweren Herz-Kreislauf-Erkrankungen nicht empfohlen.
Bei Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der sonstigen Inhaltsstoffe ist das Arzneimittel kontraindiziert.
In Phase-III-Studien hat man herausgefunden, dass nicht alle Patienten auf die Behandlung mit Sativex ansprechen. Von 572 Patienten sprachen im ersten Abschnitt einer zweiteiligen Phase-III-Studie insgesamt 241 Patienten nach vier Wochen auf die Therapie an. Response war definiert als Reduktion von mindestens 20 Prozent auf der numerischen Ratingskala (NRS) für das Spastiksymptom mit einer durchschnittlichen Veränderung gegenüber dem Beginn der Behandlung von minus 3 Punkten. Auf dieser Skala von 0 (= keine Beschwerden) bis 10 (= schwerstmögliche Beschwerden) Punkten geben die Patienten das durchschnittliche Niveau ihrer mit der Spastik in Verbindung stehenden Symptome an. Die genannten 241 Patienten verbesserten sich von 7 auf 3,8 Punkte und qualifizierten sich damit auch für den zweiten Teil der Studie. Über zwölf Wochen erhielten sie darin doppelblind und randomisiert entweder weiterhin Sativex oder Placebo. Die Patienten der Verumgruppe behielten die Verbesserung der Spastiksymptome bei. Im Gegensatz dazu verschlechterten sich die Patienten unter Placebo wieder zum Zustand vor der vierwöchigen Anfangsbehandlung.
Schon seit 1998 ist es Ärzten möglich, Patienten auf Betäubungsmittelrezept den Cannabis-Hauptwirkstoff Tetrahydrocannabinol zu verordnen. Die Kassen mussten die Kosten dafür aber nicht übernehmen. Eine Änderung des Betäubungsmittelgesetzes hat es möglich gemacht, dass Fertigarzneimittel auf Cannabis-Basis eine Zulassung erhalten und die Kassen die Kosten jetzt übernehmen müssen.
Sativex ist bis zum Anbruch im Kühlschrank bei 2 bis 8 °C (Kühlschrank) zu lagern. Sobald die Sprühflasche geöffnet und verwendet wird, ist dies nicht mehr notwendig. Der Patient kann das Spray dann bei Temperaturen bis maximal 25 °C lagern. Nach Anbruch ist die Sprühflasche noch 42 Tage verwendbar.
Sativex ist ein Betäubungsmittel.
Tetrahydrocannabinol (oben) und Cannabidiol (unten)
In der Schwangerschaft sollte Sativex nicht zum Einsatz kommen, es sei denn, die Vorteile der Behandlung überwiegen die möglichen Gefahren für den Fötus beziehungsweise Embryo. In der Stillzeit ist Sativex kontraindiziert.
Letzte Aktualisierung: 20.02.2017