Arzneimittelverkauf über Amazon beschäftigt EuGH |
Der BGH hat sich mit Fragen zum Arzneimittelverkauf über Amazon und einen damit zusammenhängenden datenschutzrechtlichen Vorwurf an den EuGH in Luxemburg gewandt. / Foto: picture alliance/dpa
Seit heute Morgen ist klar, dass der BGH, bevor er ein Urteil in dieser Sache fällt, zunächst die Luxemburger Richter mit einbeziehen möchte. Das wurde in einer entsprechenden Mitteilung des BGH deutlich. Dreh- und Angelpunkt dabei ist die Frage, ob die europäische Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) in diesem Fall wettbewerbsrechtlich relevant ist und wer genau gegen Verstöße gegen die DSGVO vorgehen darf.
Konkret geht es um einen bereits seit 2017 währenden Streit zwischen zwei Apothekenparteien aus Deutschland. Darin klagt ein Apotheker gegen zwei Berufskollegen, die über den Amazon-Marktplatz apotheken-, aber nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel vertreiben. Aus Sicht des Klägers verstoßen sie dabei einerseits gegen eine ganze Reihe von apothekenrechtlichen Vorschriften, nämlich gegen Bestimmungen des Arzneimittelgesetzes (AMG), des Heilmittelwerbegesetzes (HWG), der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) sowie der Berufsordnung für Apotheker. Zudem würden hierbei auch datenschutzrechtliche Bestimmungen verletzt. (Az. I ZR 222/19) Speziell zweiterer Vorwurf trat an dieser Stelle seinen Weg durch die Instanzen an.
Zunächst wies 2019 das Landgericht (LG) Magdeburg die Klage ab mit der Begründung, es lägen keine Verstöße gegen apothekenrechtliche Bestimmungen vor. Was den Vorwurf des Verstoßes gegen den Datenschutz betreffe, sei der Kläger nicht klagebefugt. Dieser ging daraufhin in Berufung und erwirkte beim OLG Naumburg die Abänderung des Magdeburger Urteils. Das OLG gab der Klage teilweise statt. Grund dafür war demnach, dass das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) berührt sein könnte. Laut BGH-Mitteilung nahm das Gericht an, »die Regelungen der Datenschutzgrundverordnung seien in der konkreten Fallkonstellation als Marktverhaltensregelungen im Sinne von § 3a UWG anzusehen«. Der Beklagte verarbeite im Rahmen der Bestellungen Gesundheitsdaten seiner Kunden im Sinne von Art. 9 Abs. 1 DSGVO. Hierfür fehle die im Streitfall erforderliche Einwilligung, so das OLG. Verstöße gegen apothekenrechtliche Vorschriften sah das OLG wie auch das LG nicht. Beide Parteien legten Rechtsmittel gegen die Entscheidung des OLG ein.
Parallel zog ein ähnlich gelagertes Verfahren die Frage nach sich, die jetzt bei den Luxemburger Richtern landete, nämlich ob Mitbewerber wegen mutmaßlicher Verstöße gegen das Datenschutzrecht klagen dürfen. Der Kläger hatte gerügt, dass der Beklagte für die Erhebung und Verarbeitung der personenbezogenen Daten im Rahmen des Bestellprozesses auf der Amazon-Plattform keine Einwilligung eingeholt habe. Der Beklagte hingegen war sich sicher, dass der Kläger sei nicht klagebefugt sei. Das LG Dessau-Roßlau gab der Klage aber statt und wertete in diesem Fall das Datenschutzrecht als Marktverhaltensregelung im Sinne von § 3a UWG, »weil es auch dem Schutz der Interessen der Mitbewerber diene«, wie es in der BGH-Mitteilung heißt. Da sah auch das OLG Naumburg so und wies die Berufung des Beklagten zurück, der seinerseits sodann Revision einlegte.
Nachdem beide Fälle schließlich vor dem BGH gelandet waren, setzte der dortige Erste Zivilsenat beide Verfahren mit Beschluss vom 8. September 2020 bis zur Entscheidung des EuGH über sein Vorabentscheidungsersuchen vom 28. Mai 2020 aus. In diesem Ersuchen ging es um eben die Frage, ob auch Mitbewerber sowie Verbände, Einrichtungen und Kammern wegen Verstößen gegen die DSGVO ohne Auftrag einer konkret betroffenen Person klagen dürfen. Bezüglich der Verbände gab es am 28. April 2020 grünes Licht aus Luxemburg: Demnach dürften nach nationalem Recht berechtigte Verbände bei Datenschutzverstößen von Internet-Riesen anstelle der Nutzer vor Gericht ziehen - auch ohne konkreten Auftrag Betroffener. Damals ging um einen Streit zwischen dem Verbraucherzentrale-Bundesverband und Facebook. Zur Frage aber, ob auch Mitbewerber – wie im jetzigen Fall der klagende Apotheker – klageberechtigt sind, sagte der EuGH damals nichts.
Mit den jetzt vorlegten Fragen zu diesem Sachverhalt soll dies nun passieren. Außerdem soll geklärt werden, ob es sich bei den Daten, die bei der Bestellung über Amazon anfallen, überhaupt um Gesundheitsdaten im Sinne der DSGVO handle und wer für die Verarbeitung der Daten verantwortlich sei. Dies hatte der Vorsitzende des Senats, Thomas Koch, im vergangenen September bei der mündlichen Verhandlung erklärt.
Aus Sicht des Klägers durchaus: Beim Bestellvorgang werden aus seiner Sicht Gesundheitsdaten im Sinne der DSGVO erhoben, die Rückschlüsse auf den Gesundheitszustand einer Person zulassen, wie sein BGH-Anwalt Peter Rädler bei der Verhandlung gesagt hatte. Amazon habe Zugriff auf diese Daten, dort arbeite aber kein pharmazeutisches Personal. Auch greife der Apotheker nicht wie im Verkaufsraum ein, wenn Menschen über ein Produkt falsche Dinge erzählen – etwa in Kundenrezensionen.
Der Vertreter der Gegenseite, Thomas Winter, argumentierte damals hingegen, dass man durch eine Bestellung über den Amazon Marketplace gerade keine Rückschlüsse auf den eigentlichen Patienten ziehen könne. Genauso gut könne jemand für seine Kinder Nasenspray bestellen. Auch werde der Vertrag über den Verkauf direkt mit dem Apotheker und nicht mit Amazon abgeschlossen, nur er habe Zugriff auf die Produkte.