Arzneimittel machen große Stapfen |
Christina Hohmann-Jeddi |
19.09.2022 09:00 Uhr |
Die Produktion ist ein wichtiger Punkt, der zum ökologischen Fußabdruck von Arzneimitteln beiträgt. / Foto: Getty Images/Sigrid Gombert
»60 Prozent der Treibhausgas-Emissionen in der Primärversorgung gehen auf Arzneimittel, Dosieraerosole und Betäubungsgase zurück«, berichtete die PTA und Apothekerin Esther Luhmann von Pharmacists for Future, einer Arbeitsgruppe des Vereins demokratischer Pharmazeutinnen und Pharmazeuten (VdPP). Das zeige eine Analyse der National Instituts of Health in Großbritannien. Somit hinterlassen Arzneimittel einen relevanten ökologischen Fußabdruck, für den verschiedene Bereiche eine Rolle spielen: Forschung und Entwicklung, Zulassung, Produktion, Distribution und Lagerung, die Abgabe an den Patienten und die Entsorgung von Arzneimitteln.
Schon bei der Entwicklung von neuen Wirkstoffen könne die Nachhaltigkeit mitberücksichtigt werden und nach dem Konzept »Benign by design« Substanzen schon gleich zu Beginn der Entwicklung auf ihre Abbaubarkeit geprüft werden. Entsprechende Daten zur Umweltverträglichkeit würden auch für die Zulassung schon erhoben und eingereicht, sie seien aber bei Humanarzneimitteln anders als bei Tierarzneimitteln nicht zulassungsrelevant. Ein weiterer Aspekt ist die Arzneimittelproduktion, die zum Teil recht ressourcenintensiv ist. Hier werde bislang vor allem auf die Kosten und weniger auf Sozial- oder Umweltstandards geachtet, kritisierte Luhmann.
Auch bei dem Transport und schließlich der Lagerung von Arzneimitteln würden Ressourcen verbraucht, berichtete die Apothekerin aus Valencia. Gerade die Klimaanlagen in Apotheken, aber auch Kühlschränke und Kommissionier-Automaten verbrauchten Strom. Beim Einsatz von Arzneimitteln könnten ebenfalls Umweltverträglichkeit berücksichtigt werden. Dies gelte für problematische Substanzen, Antibiotika und vor allem für Dosieraerosole, die eine erhebliche Menge an Treibhausgasen freisetzten. Manche Dosieraerosole führten zu Emissionen, die auch bei einer Autobahnfahrt von mehreren Hundert Kilometern freigesetzt würden, berichtete die Pharmazeutin. Hier könne zum Teil ein Umstieg auf Pulverinhalatoren helfen .
Häufig vergessen werde der Aspekt der Entsorgung von Arzneimitteln, die auch zu Umweltproblemen führen könne, wenn sie nicht richtig erfolge. Wirkstoffe könnten bei falscher Entsorgung ins Grund- und Trinkwasser gelangen, berichtete Luhmann. »Immerhin die Hälfte der 2300 zugelassenen Arzneimittel wird vom Umweltbundesamt als umweltrelevant eingestuft.« Die Apothekerin riet dazu, die richtige Entsorgung, die nicht bundeseinheitlich geregelt ist, schon bei der Beratung der Patienten anzusprechen. Informationen hierzu seien auf der Website arzneimittelentsorgung.de zu finden.
Luhmann zufolge reagierten die Patientinnen und Patienten in der Offizin, wenn sie auf Umweltproblematiken in Zusammenhang mit der Arzneimitteltherapie und -einnahme angesprochen würden, recht unterschiedlich. Einige seien für diese Themen sensibilisiert, andere fühlten sich mit diesen zusätzlichen Informationen belastet. Insgesamt sei es wichtig, sowohl auf Seite des Apothekenpersonals als auch auf Patientenseite die Aufklärung zu diesen Themen noch zu verstärken, sagte Luhmann. Erfolge könnten Apothekerinnen und Apotheker vor allem in der interkollegialen Zusammenarbeit mit der Ärzteschaft erreichen.
Sie wünschte sich für ihre eigene Arbeit in der Offizin, dass mehr Ökopharmakovigilanz-Daten erhoben und diese systematisch bereit gestellt würden – etwa in Warenwirtschaftssystemen. Ein entsprechender Antrag, diese Daten in der ABDA-Datenbank zu integrieren, war in der Hauptversammlung der deutschen Apothekerinnen und Apotheker am Vortag in einen Ausschuss verwiesen worden.