Arzneiform häufigster Grund für pharmazeutische Bedenken |
Daniela Hüttemann |
03.04.2023 07:00 Uhr |
Neben der Wirtschaftlichkeit und Lieferfähigkeit müssen Apotheken bei jeder Rezeptbelieferung beachten, ob der Patient ein ausgetauschtes Medikament auch richtig anwenden würde. / Foto: Getty Images/Luis Alvarez
Das Deutsche Arzneiprüfungsinstitut (DAPI) hat untersucht, wie häufig und bei welchen Wirkstoffen im Jahr 2021 bei Abgaben von Fertigarzneimitteln zulasten der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) pharmazeutische Bedenken dokumentiert wurden. Dies ist möglich, wenn eigentlich ein rabattiertes oder eines der vier preisgünstigsten Präparate abgegeben werden müsste (und der Arzt kein »aut idem« angekreuzt hat), pharmazeutische Gründe jedoch dagegen sprechen.
Das DAPI wertete nun alle abgerechneten Rezeptzeilen aus dem Jahr 2021 aus, bei denen die Anmeldung von pharmazeutischen Bedenken gemäß Rahmenvertrag theoretisch möglich gewesen wäre. Diese Verordnungen machten 76 Prozent aller zulasten der GKV abgegebenen Fertigarzneimittel aus. »Bei insgesamt 1,1 Prozent dieser Abgaben gab es gemäß der diesbezüglichen Dokumentation pharmazeutische Bedenken gegen die Abgabe eines rabattbegünstigten oder eines preisgünstigen Fertigarzneimittels«, berichtet das DAPI und kürt die 1,1 Prozent zur Zahl des Monats April.
Welche Gründe im Einzelfall zu den Bedenken geführt hätten, sei anhand der Abrechnungsdaten der DAPI-Datenbank nicht ermittelbar, schränkt das Institut ein. Die zehn häufigsten Wirkstoffe, bei denen pharmazeutische Bedenken angebracht wurden, ließen aber darauf schließen, »dass es sich in aller Regel um fachlich plausibel begründbare Fälle handelte«.
So meldeten Apotheken vor allem bei Arzneimitteln mit speziellen Arzneiformen pharmazeutische Bedenken an, zum Beispiel Lorazepam-Täfelchen und Ondansetron-Schmelztabletten. In diesen Fällen sei das abgegebene Präparat häufig nicht gegen die rabattierte oder preisgünstigere Darreichungsform Tablette oder Filmtablette ausgetauscht worden.
Ebenfalls häufig nicht ausgetauscht wurden Inhalativa, also zum Beispiel Asthmasprays und Inhalatoren für Patienten mit chronischer obstruktiver Lungenerkrankung (COPD). Das DAPI nennt hier die Wirkstoffe Ipratropiumbromid und Beclometason sowie das Wirkstoffduo Salmeterol/Fluticason. Pharmazeutische Bedenken sind hier angebracht, wenn die Präparate unterschiedlich gehandhabt werden müssen und trotz Schulung Anwendungsfehler wahrscheinlich sind.
Auch Methotrexat-Fertigspritzen zählen zu den Top Ten, denn sie können unterschiedliche Konzentrationen enthalten, was unterschiedliche Injektionsvolumina zur Folge hat. Gerade bei einem solchen Wirkstoff mit geringer therapeutischer Breite ist daher das Anmelden von pharmazeutischen Bedenken eine sinnvolle Intervention.
Neben der Arzneiform könne auch die Art der Erkrankung pharmazeutische Bedenken begründen. Dies kann laut DAPI der Fall sein bei schwerwiegenden Erkrankungen, bei denen eine mögliche Verunsicherung des Patienten oder der betreuenden Person durch einen Präparatewechsel vermieden werden soll, wie neurologische oder psychiatrische Erkrankungen. Das DAPI nennt hier das in seiner Wirkung oft fluktuierende Levodopa bei Morbus Parkinson, das Opioid Tapentadol und das Immunsuppressivum Mycophenolsäure, das Patienten nach Organtransplantation erhalten.
Ebenfalls häufig wurden pharmazeutische Bedenken bei parenteral zu applizierenden Vitaminen geltend gemacht. Bei der parenteralen Ernährung von Patienten im häuslichen Umfeld müssen zum Teil die verschiedenen Komponenten der Ernährungslösung sorgfältig aufeinander abgestimmt und die physikochemische Stabilität der Mischung beachtet werden, erklärt das DAPI und schließt: »Die Beispiele zeigen, dass pharmazeutische Bedenken ein wichtiges Instrument darstellen, um die Arzneimittelversorgung von GKV-Versicherten in begründeten Fällen abweichend von der aus Krankenkassensicht ökonomisch sinnvollen Pflicht zur Substitution mit Rabattarzneimitteln und preisgünstigen Arzneimitteln auf unbürokratische Weise sicherzustellen.«