Arznei-Importeure warnen vor Engpässen bei Medikamenten |
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»Die Knappheit einzelner Medikamente hat sich durch die teilweise geschlossenen Grenzen innerhalb Europas, durch Hamsterkäufe von Verbrauchern sowie durch zu großzügige Verschreibungen von Ärzten bereits deutlich verschärft«, sagte Jörg Geller, Vorstand der Arzneimittel-Importeure Deutschlands, der «Funke Mediengruppe«. Wegen der hohen Nachfrage würden einzelne Medikamente zu höheren Preisen gehandelt als vor der Coronavirus-Pandemie. Auch die deutschen Pharmahersteller sind besorgt. »Die Preise von Wirkstoffen und die Logistikkosten sind aufgrund des Ausfalls von Zulieferern und Transportmitteln weltweit deutlich angestiegen«, erklärte ein Sprecher des Bundesverbands der Arzneimittel-Hersteller. Pharma-Unternehmen hätten ihre Kapazitäten aufgestockt.
Lieferengpässe bei Medikamenten in Deutschland gibt es unabhängig der Coronavirus-Pandemie seit Jahren. Sie verdoppelten sich 2019 auf 18 Millionen Packungen nach 9,3 Millionen im Vorjahr, heißt es seitens der ABDA. Die Corona-Krise verschärft nun die Lage: Verbraucher decken sich mit Erkältungs- und Schmerzmitteln ein. Manche Akteure bevorrateten sich übermäßig mit Arzneien, erklärte jüngst auch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM).
Um eine Ungleichverteilung zu vermeiden, hat die Behörde Pharma-Unternehmen sowie den Großhandel aufgefordert, Arzneien nicht über den normalen Bedarf hinaus etwa an Apotheken zu liefern. Das Institut weist aber darauf hin, dass aktuell nur bei 384 von 103.000 zugelassenen Arzneimitteln in Deutschland Lieferengpässe bestehen. Zudem gebe es oft alternative Arzneien zur Behandlung. Viele Wirkstoffe für Arzneien werden aus Kostengründen in Fernost hergestellt - so etwa für Antibiotika in China und Indien. Stehe dort die Herstellung zeitweilig still oder komme es wegen Verunreinigungen zu Arznei-Rückrufen, hake es in der Lieferkette. In der Corona-Krise wurden zuletzt Rufe nach einer Zurückverlegung der Wirkstoff-Produktion nach Europa lauter.
Derweil sehen die Praxisärzte im Moment keine Anzeichen für größere Medikamentenengpässe wegen der Coronavirus-Pandemie in Deutschland. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) verwies am Mittwoch darauf, dass es bei bestimmten Substanzen, wie Propofol auch schon früher Lieferprobleme gegeben habe. Der stellvertretende KBV-Chef Stephan Hofmeister sagte während einer online übertragenen Pressekonferenz, das Problem der Arzneimittelknappheit in einigen Sektoren sei eine Herausforderung, die schon vor Corona da gewesen sei. »Wir haben jetzt keine Indizien, dass sich das im Moment akut verschärft.« Hofmeister verwies darauf, dass China jetzt »wieder an den Start« gehe, wo viele der Rohprodukte für Arzneimittel herkämen. Man vermute, dass sich dadurch die Lage eher entspannen dürfte. Intensivmediziner hatten von Engpässen und enormen Preisanstiegen bei Propofol berichtet. Knapp seien auch verschiedene Antibiotika.
Im Kampf gegen Lieferengpässe bei Medikamenten können Pharmafirmen seit dem 1. April 2020 von den Behörden verpflichtet werden, über Lagerbestände, Produktion und Absatzmenge bestimmter Arzneimittel zu informieren. Bei Engpässen kann zudem angeordnet werden, dass größere Mengen dieser Präparate auf Vorrat gelagert werden müssen. Sollte es trotzdem zu Lieferschwierigkeiten kommen, dürfen Apotheken in Zukunft auch teurere Arzneimittel mit dem gleichen Wirkstoff ausgeben, ohne dass der Patient mehr dafür zahlen muss.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.