Armut in der Apotheke begegnen |
Daniela Hüttemann |
18.12.2024 18:00 Uhr |
Es reiche nicht, einfach nur ein Arzneimittel abzugeben und zu beraten, ohne das Rundherum des Patienten zu berücksichtigen, meint auch Hauls Kollege, Apotheker Christoph Ossolinski. »Anfangs war es auch für mich schwierig zu erkennen, ob und was für Hilfe ein Patient noch zusätzlich braucht.« Er wünscht sich mehr entsprechende Fortbildungen für Apotheken.
»Mittlerweile frage ich mich stets: Wer steht da eigentlich vor mir?« Erst letzte Woche habe er eine Kundin gehabt, eher schlecht gekleidet und mit amputierten Gliedmaßen an der Hand, die wiederholt Wundmittel verlangt hatte. Ihre Wunde war offensichtlich bereits länger entzündet. »Ich hätte ihr auch einfach eine antiseptische Salbe mitgeben können, doch man merkte, dass hier etwas nicht stimmte«, so der Apotheker.
Er vermittelte den Kontakt zum LGZ und gemeinsam fand man heraus, dass die Dame eigentlich von einer anderen Apotheke in einem anderen Stadtteil versorgt werden sollte. Dort lagen bereits nicht nur eine ärztlich verordnete antibiotische Salbe, sondern auch ihre Psychopharmaka bereit. Offensichtlich war es hier zu einer Reihe von Missverständnissen gekommen, gepaart mit der eingeschränkten Mobilität und Grunderkrankung der Patientin. Ein Anruf von Apotheke zu Apotheke veranlasste schließlich, dass sie ihre Medikamente mit dem Botendienst bekam.
Ein Problem sei auch die zunehmende Vereinsamung. Manche Menschen, die eigentlich Unterstützung bräuchten, fielen da nicht auf. Vermutet man eine unmittelbare Gefährdung des Patienten und scheint dieser sich nicht allein Hilfe zu holen, kann die Apotheke den Stadtteilpolizisten bitten, bei einem Patienten zu Hause vorbeizugehen, um nach dem Rechten zu sehen. Ab und zu hat die Elefanten-Apotheke auch schon das Amtsgericht informiert, dass jemand einen rechtlichen Betreuer braucht. »Bei Gefahr im Verzug sind wir von unserer Schweigepflicht entbunden«, erinnert Haul. Für die Kooperation mit anderen Hilfestellen könne man auch den Patienten um gegenseitige Schweigepflichtentbindung bitten. So sind auch gemeinsame Fallbesprechungen möglich.
Angehörige von Patienten im Heim erlebten manchmal eine böse Überraschung, wenn die Praxis zusätzliche Medikamente auf grünem Rezept verordnet und die Rechnung dafür von der Apotheke kommt. »Die Ärzte müssen sich dafür interessieren, ob sich ein Patient die verordnete Therapie auch leisten kann«, fordert Haul. »Wir versuchen trotzdem immer, die Patienten bestmöglich zu versorgen und schlagen uns auch mit den Krankenkassen rum. Doch das kostet viel Zeit und Energie.« Gerade deshalb sei die Weiterleitung bedürftiger Patienten an Pflegestützpunkte und soziale Dienste auch eine Entlastung für die Apotheken.