Apropos Sonnenallergie |
Um Hautirritationen zu vermeiden, sollte man der Haut Zeit geben, sich an die zunehmende Intensität der Sonnenstrahlung zu gewöhnen. / Foto: Getty Images/kieferpix
Wenn die Tage wieder länger werden, zieht es viele ins Freie. Die Haut macht das nicht immer klaglos mit und bereitet einigen Menschen unangenehme Beschwerden. Schnell ist dann von einer Sonnenallergie die Rede. »Ob bei den Betroffenen tatsächlich eine Allergie im eigentlichen Sinne vorliegt, ist noch nicht eindeutig geklärt«, sagt Professor Dr. Percy Lehmann vom Zentrum für Dermatologie, Allergologie und Dermatochirurgie am Helios-Universitätsklinikum Wuppertal, im Gespräch mit der Pharmazeutischen Zeitung. Der Fachbegriff lautet Polymorphe Lichtdermatose (PLD), eine lichtinduzierte Hauterkrankung. Die PLD stellt mit 90 Prozent die häufigste Form der Photodermatosen dar.
Die PLD entsteht, wenn die Haut im Winter von Sonnenlicht entwöhnt ist und dann wieder mit UV-Strahlung in Kontakt kommt. »Verantwortlich für die Hautveränderungen ist überwiegend die UV-A-Strahlung«, erklärt der Experte. Ob eine immunologische Reaktion vom verzögerten Typ die Symptome auslöst und welche Rolle dabei Radikale und reaktive Sauerstoffspezies spielen, ist noch unklar. Den Betroffenen macht über Jahre bis Jahrzehnte hinweg die Haut saisonal chronisch rezidivierend Beschwerden, diese bessern sich aber oft im Laufe der Zeit von selbst. Grundsätzlich können sie in jedem Alter auftreten, sind aber bei Kindern und jungen Erwachsenen am häufigsten. In Mitteleuropa ist mehr als jeder Zehnte betroffen, Frauen weitaus häufiger als Männer.
Bei der PLD handelt es sich um eine vielgestaltige (»polymorphe«) Krankheit, die individuell unterschiedliche Symptome hervorrufen kann. Die Beschwerden treten meistens zeitverzögert ein paar Stunden oder Tage nach der Sonnenexposition auf. Unbedeckte Stellen wie Dekolleté, Oberarme, Handrücken, Oberschenkel und Gesicht röten sich und jucken stark. Später können Knötchen (Papeln) oder Bläschen entstehen, bei heftigerem Verlauf entzünden sich die Hautpartien.
»In leichten Fällen verschwinden die lästigen Hautreaktionen nach ein paar Tagen wieder«, weiß Lehmann. »Ist die Dermatose hingegen hartnäckiger und dauert länger an, kann das durchaus die Lebensqualität beeinträchtigen. Wer im Frühjahr extra in den Süden geflogen ist, um die Sonne zu genießen, leidet, wenn er sie dann erst mal meiden muss.«
Eine Sonderform der PLD ist die sogenannte Mallorca- oder Sommer-Akne (Acne aestivalis). »Die Krankheit hat den Namen bekommen, da ihr Erstbeschreiber, der dänische Dermatologe Nils Hjorth, sie an Mallorca-Touristen festgestellt hat«, weiß Lehmann. »Es ist aber keine Akne im medizinischen Sinne. Dafür fehlen die für die Akne typischen eitrigen Knötchen und die charakteristischen Komedonen, also die Mitesser.« Die Krankheit entsteht daher auch nicht wie ihr Namensvetter, weil Hautporen verstopfen. »Unter Einwirkung der UV-A-Strahlung bilden sich aus dem körpereigenen Talg sowie Fett- und Emulgator-Komponenten aus Pflegeprodukten Lipidperoxide. Diese können Haarfollikel verstopfen, die sich dann entzünden«, erklärt der Dermatologe. Wenn also Patienten über rote Flecken und stark juckende Knötchen klagen und in der Apotheke versichern, sich vorbildlich eingecremt zu haben, können Apotheker und erklären, dass unter Umständen das ausgewählte Sonnenschutz- oder Pflegemittel schuld ist.
Die Acne aestivalis heilt wie andere Formen der PLD normalerweise spontan aus. Zur Erleichterung der Beschwerden können Apotheker und PTA kühlende Umschläge empfehlen. Hydrocortison-haltige Cremes, -Lotionen oder -Sprays können (wie Fenihydrocort®, Hydrogalen®, Soventol® HydroCort, Ebenol®) die Heilung beschleunigen. Orale Antihistaminika wie Cetirizin, Loratadin und Co. (wie Zyrtec®, Lorano®, Lorano® Pro) sind eine Option für hartnäckigere Hautirritationen und lindern vor allem den Juckreiz.
Bei der Selbstdiagnose »Sonnenallergie« sollte das Apothekenteam auch an phototoxische und photoallergische Dermatosen denken, die durch chemische Reaktion verschiedener Arzneimittel in Kombination mit Sonnenlicht induziert werden können. Beispiele für Medikamente, die die Haut lichtempfindlicher machen können und einen hohen Sonnenschutz erforderlich machen, sind Retinoide, einige Antibiotika wie Tetracycline und Sulfonamide, Johanniskraut, kardiovaskuläre Arzneistoffe wie Amiodaron, Nifedipin oder Captopril sowie nichtsteroidale Antirheumatika wie Naproxen, Ketoprofen oder Diclofenac.
Zu beachten ist, dass auch manche Pflanzen wie der Riesen-Bärenklau phototoxisch wirken können. Schon bei geringen UV-Dosen können schmerzhafte, sonnenbrandähnliche Hautreaktionen mit Rötung, Schwellung und Blasenbildung entstehen. Die Betroffenen sind darauf hinzuweisen, dass auslösende Medikamente nie ohne Rücksprache mit dem Arzt abzusetzen sind.
Menschen, die zu lichtbedingten Dermatosen neigen, sollten sich vor allem zu Beginn der Sommerzeit oder des Urlaubs erst wieder langsam an die Sonne gewöhnen. Am besten zunächst schattige Plätze bevorzugen und die stärkste Sonneneinstrahlung in der Mittagszeit von 11 bis 15 Uhr meiden. Ein breitkrempiger Sonnenhut schützt die Gesichtshaut.
»Bei langsamer Gewöhnung hat die Haut ausreichend Zeit, Schutzmechanismen aufzubauen. Die Hornhaut verdickt sich, es bildet sich eine absorbierende Lichtschwiele. Auch produziert die Haut mehr Melanin, das färbende Pigment kann Strahlung abhalten.« Den schützenden Effekt einer Vorpigmentierung nutzen Ärzte auch bei schweren Verläufen. Dabei kommt eine vorbeugende Behandlung etwa in Form einer Phototherapie oder Photochemotherapie zum Einsatz. »Die Haut wird dabei kontrolliert und dosisgesteuert bestimmten Wellenlängen des Lichts ausgesetzt«, informiert der Experte.
Manchen hilft es, vorbeugend Betacarotin (25 bis 50 mg täglich) einzunehmen. Allerdings ist die Wirksamkeit nicht durch Studien belegt. Zudem ist zu beachten, dass Carotinoide bei Rauchern (> 20 mg Betacarotin) die Lungenkrebsgefahr erhöhen können. Einige Patienten können der PLD auch erfolgreich vorbeugen, indem sie vier bis fünf Wochen vor dem Urlaub Calcium (500 bis 1000 mg täglich) zu sich nehmen. Aber auch hier fehlen kontrollierte Studien.
»Bei der Auswahl eines Sonnenschutzpräparats sollten Betroffene zu einem Produkt mit hohem bis sehr hohen Lichtschutzfaktor greifen. Wichtig ist, dass es auch einen hohen UV-A-Schutz bietet«, rät Lehmann. Der zusätzliche Schutz ist am UV-A-Symbol im Kreis zu erkennen. Das Apothekenteam kennt geeignete Zubereitungen wie Eucerin Sun Allergy Protect Creme-Gel LSF 25/50, Ladival® Sonnenschutz-Gel für allergische Haut 20 bis 50+, La Roche-Posay® Anthelios Sun Intolerance Creme LSF 50+ oder Daylong™ extreme SPF 50+.
Bei Mallorca-Akne sind Sonnenschutzmittel zu bevorzugen, die frei von Peroxid-bildendenden Inhaltsstoffen wie bestimmten Fetten und Emulgatoren sind. Bestenfalls enthalten sie einen hohen Anteil an Radikalfängern wie Vitamin E, α-Glucosylrutin, Ferulasäure oder Licocalchon A. Auch Körperpflegemittel wie Après-Lotionen oder Tagescremes sollten fett- und emulgatorfrei und auf die empfindliche Haut abgestimmt sein.
Menschen, die unglücklich sind, nicht gleich ausgiebig den Aufenthalt in der Sonne genießen zu können, kann das Apothekenteam an die Schattenseite des Genusses erinnern: Schmerzhafte Sonnenbrände, schnellere Hautalterung und eine erhöhte Hautkrebsgefahr gehören zu den Risiken. Oder positiv formuliert: Sonnenschutz bewahrt auch vor Falten.