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Arzneimittelversorgung
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Apotheker zentral für Risikobewertung von Engpässen

Den Überblick bei den Lieferengpässen von Arzneimitteln zu behalten, war insbesondere während der Coronavirus-Krise eine Herausforderung. Ihr Risiko vorauszusagen, ist eine noch größere Kunst. Eine Aufgabe, die niemand besser als die Apotheker meistern könnte. Darauf wiesen zwei Wissenschaftler beim diesjährigen Kongress des Weltapothekerverbands FIP – Fédération Internationale Pharmaceutique in Sevilla hin.
AutorKontaktJennifer Evans
Datum 21.09.2022  10:45 Uhr

Insbesondere während der Coronavirus-Pandemie sahen sich die Apotheker auf der ganzen Welt mit den Herausforderungen von Arzneimittel- und Impfstoff-Lieferengpässen konfrontiert. Der Einsatz der Pharmazeuten milderte die Situation in vielen Fällen zwar ab und die angespannte Lage eröffnete ihnen vielerorts bald erweitere Zugangsmöglichkeiten zu wichtigen Medikamenten. Doch das war Fluch und Segen zugleich. Denn jede Substitution, die ein Apotheker vornehmen musste, war ebenfalls mit neuen Gefahren verbunden. Eine große Verantwortung also, die Offizin-Apotheker genauso wie Krankenhausapotheker zu tragen hatten – zusätzlich zur logistischen Organisation und der Aufklärung der Patienten rund um das Coronavirus.

»Die Apotheker sind also prädestiniert dafür, bei der Entwicklung und Überwachung von Strategien gegen Arzneimittel-Lieferengpässe mitzuwirken«, so die Professorin für Klinische Pharmazie Nadia Al Mazrouei von der Universität Sharjah (Vereinigte Arabische Emirate), die auch im Bereich Gesundheit und Medizininformation beim FIP tätig ist. Ihrer Ansicht nach bilden die Vor-Ort-Apotheken eine wichtige Schnittstelle zwischen Ärzten, Pflegekräften und Kliniken. Außerdem seien sie es gewöhnt, mit Gesundheitsbehörden oder Herstellern zu kommunizieren und dabei den nötigen Papierkram im Blick zu behalten. In manchen Regionen der Welt ist es ihnen zudem erlaubt, Medikamente nach eigenem Ermessen selbst zu verschreiben sowie die Behandlung im Nachgang zu überwachen. »Und zwar so lange, bis ein Engpass vorüber ist«, so Al Mazrouei. Das gelinge auch deshalb, weil die Patienten den Apotheken vertrauten und sie sich dort ausreichend über ihre Arzneimitteltherapie aufgeklärt fühlten.

Auf ethisches Urteil vertrauen

Für die Zukunft rät sie, dass Apotheker sich mit anderen Akteuren im Gesundheitssystem zusammenschließen und ihre Daten austauschen sollten. In ihren Augen sollten sie auch überall dauerhaft die Befugnis bekommen, gemäß ihres ethischen Verständnisses Verordnungen zu priorisieren. Etwa dann, wenn für einen bestimmten Patienten keine Versorgungsalternative existiert. Vor dem Hintergrund der fachlichen und heilberuflichen Expertise sieht sie die Pharmazeuten künftig vorne in der ersten Reihe der Gesundheitsversorger. Geht es nach Al Mazrouei gibt es daher auch für die Entscheidungsträger weltweit keine andere Option, als den Berufstand auf seinem Weg dorthin bestmöglich zu unterstützen.

So euphorisch die Pharmazieprofessorin auch über die Kompetenz der Apothekerschaft berichtete, in der Praxis sieht es manchmal etwas anders aus. Das geht aus Untersuchungen von Nenad Miljković aus Serbien hervor. Er arbeitet bei der European Association of Hospital Pharmacists und hat das Risikomanagement bei Lieferengpässen in verschiedenen Krankenhäusern in Europa unter die Lupe genommen, darunter waren Kliniken in Spanien, Griechenland und Serbien.

Struktur gibt Sicherheit

Seiner Auffassung nach ist »eine strukturierte Herangehensweise das Wichtigste«. Denn ohne Kommunikation und entsprechende Protokolle herrscht offenbar viel Unsicherheit im Alltag, wenn es um die Risikoeinschätzung geht. Demnach funktioniert die Beurteilung besser, wenn es Richtlinien gibt, an die sich die Krankenhausapotheker halten können. Miljković zufolge müssen die Mitarbeiter nämlich genau wissen, an wen sie ihre Ergebnisse melden müssen – ob Behörden, Berufsorganisationen oder an die Politik. Mithilfe nachvollziehbarer Monitorsysteme und einem guten Datenaustausch, der derzeit noch zu oft an rechtlichen Hürden scheitere, fühlten sich die Krankenhausmitarbeiter deutlich besser auf Engpässe vorbereitet.

Im Zuge seiner Studie kam darüber hinaus zu Tage, dass allein durch die Bewusstseinsschärfung und damit einer veränderten Einstellung zur Lieferengpass-Problematik, nachweislich mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung der Kliniken entstanden ist. Er hatte keine Zweifel daran, dass mit strukturierten Prozessen in Zukunft enorme Verbesserung möglich sein werden.

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