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Arzneimittel-Flohmärkte

Apotheker reagieren entsetzt, BÄK rudert zurück

Die Standesvertretung der Apotheker reagiert verärgert über die Äußerungen von Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer. Reinhardt hatte vorgeschlagen, dass auf lokalen Flohmärkten Arzneimittel gehandelt werden sollen. So würde das Problem der Lieferengpässe nicht gelöst, sagte ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening. Der BÄK-Präsident versucht indes zurückzurudern.
AutorKontaktBenjamin Rohrer
Datum 19.12.2022  11:45 Uhr

Die Apothekerschaft hat kein Verständnis für die Äußerungen von Bundesärztekammer-Präsident Klaus Reinhardt. In einem Interview mit dem »Tagesspiegel« hatte Reinhardt die Bevölkerung dazu aufgerufen, sich gegenseitig mit Medikamenten aus der Hausapotheke auszuhelfen. »Jetzt hilft nur Solidarität. Wer gesund ist, muss vorrätige Arznei an Kranke abgeben«, sagte Reinhardt. »Wir brauchen so was wie Flohmärkte für Medikamente in der Nachbarschaft.« Der Mediziner hält es auch für möglich, dass dabei Medikamente infrage kommen, deren Mindesthaltbarkeitsdatum schon abgelaufen ist. Man könne solche Medikamente gefahrlos verwenden, so Reinhardt.

ABDA: BÄK-Vorschlag ist gefährlich

In einer Pressemitteilung reagierte ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening »mit großer Bestürzung« auf den BÄK-Vorschlag. So treibe man Menschen in gefährliche Arzneimitteleinnahmen, löse aber keine Lieferengpässe, heißt es seitens der ABDA. Auch Thomas Benkert, Präsident der Bundesapothekerkammer, reagierte mit Unverständnis. »Arzneimittel gehören in Apotheken, nicht auf den Flohmarkt – schon gar keine abgelaufenen Arzneimittel. Es schockiert mich, dass der Präsident der Bundesärztekammer Derartiges öffentlich vorschlägt. Verfallene Arzneimittel können die Gesundheit der Patientinnen und Patienten massiv gefährden, ganz abgesehen von haftungsrechtlichen Fragen. Zudem steht die Gesetzeslage dem klar entgegen und die aktuelle Situation eignet sich nicht für Populismus. Zur Sachlage: Derzeit gibt es schlicht zu wenig Fiebersäfte. Der Vorschlag von Herrn Reinhardt geht völlig an der Realität vorbei. Die Apotheken stehen aktuell unter enormem Druck, das Fehlen von lebenswichtigen Arzneimitteln zu managen. Es wäre wünschenswert, wenn sich auch Repräsentanten der Ärzteschaft verantwortungsvoll an Lösungsansätzen beteiligen würden«, so Benkert.

BÄK-Sprecher rudert zurück

Auf Nachfrage der PZ meldete sich die Bundesärztekammer inzwischen relativierend zu den Äußerungen ihres Präsidenten zu Wort. Ein BÄK-Sprecher teilte mit, dass nur originalverpackte OTC-Arzneimittel von den »Flohmärkten« betroffen sein sollten. Wörtlich sagte der Sprecher: »Der Bundesärztekammer-Präsident hat mit seinen pointierten Äußerungen im Berliner Tagesspiegel auf die derzeit angespannte Versorgungslage mit Arzneimitteln aufmerksam gemacht. Aktuell besteht ein Lieferengpass für mehr als 330 Medikamente. Engpässe bestehen unter anderem auch bei fiebersenkenden Mitteln. Vor dem Hintergrund der aktuellen Infektionswelle und der daraus mitverursachten Arzneimittelknappheit sollten sich Menschen im Familien- und Freundeskreis mit nicht-verschreibungspflichtigen, originalverpackten Arzneimitteln aushelfen. Selbstverständlich ist damit kein ›Flohmarkt‹ im wörtlichen Sinne gemeint, sondern ein Akt der Solidarität der Gesunden mit ihren erkrankten Mitmenschen. Solche Formen der Nachbarschaftshilfe sollten in schwierigen Zeiten eine Selbstverständlichkeit sein.«

Zambo: Absurde Idee

Mit Entsetzen hat inzwischen auch der Landesapothekerverband Baden-Württemberg reagiert. »Ein solcher Vorschlag ist fahrlässig, verantwortungslos und heilberuflich nicht zu vertreten! Ich bin wirklich absolut entsetzt!«, so Tatjana Zambo, Präsidentin des LAV. Selbstverständlich sei die Situation der Lieferengpässe bei einem gleichzeitig hohen Krankenstand besorgniserregend, so Zambo. »Dass man allerdings auf so eine absurde Idee kommt, dass die Menschen nun die in den Haushalten gelagerte Medikamente ohne jedweden fachlichen Rat munter fröhlich miteinander tauschen sollen, grenzt schon fast an Absurdität. Das gilt umso mehr, wenn dieser Vorschlag von einem Arzt kommt und noch dazu von einer durch sein Amt so herausgestellten Persönlichkeit«, so Zambo weiter.

Auch für den Vorschlag Reinhardts, bereits seit mehreren Monaten abgelaufene Medikamente hier einzubeziehen, hat Zambo kein Verständnis. »Mit einer solchen Idee tritt der Präsident der Bundesärztekammer die wichtige Errungenschaft der Arzneimittelsicherheit und gleichzeitig das Patientenwohl mit Füßen!« Ihr sei auch kein Fall bekannt, bei dem in Arztpraxen abgelaufene Medikamente im Sprechstundenbedarf eingesetzt würden. »Ich kann mir keine Ärztin und keinen Arzt vorstellen, der hier Kompromisse machen würde«, meint Zambo. Die LAV-Präsidentin fordert die Bundesärztekammer und die weiteren ärztlichen Standesvertretungen auf, sich unverzüglich von diesen Vorschlägen zu distanzieren. »Es ist selbstverständlich, dass in der derzeitigen Situation in den Haushalten keine Medikamente gehortet werden sollten. Aber in die Beliebigkeit darf man die Medikation von kranken Menschen nicht setzen.«

Ähnlich äußerte sich auch Thomas Rochell, Vorsitzender des Apothekerverbandes Westfalen-Lippe. »Ein solcher Vorschlag, unterbreitet vom obersten Vertreter der Ärzteschaft, ist der Offenbarungseid des deutschen Gesundheitssystems.« Dass Patienten Arzneimittel, die womöglich auch noch abgelaufen seien, wie abgelegte Kleider auf dem Basar tauschten, sei höchst riskant. »Je nach Vorerkrankung kann die Einnahme eines Mittels gesundheitliche Risiken haben. Auch können problematische Wechselwirkungen mit anderen Substanzen auftreten. Ohne eine vernünftige Beratung dürfen Arzneimittel daher nicht eingenommen werden«, betont Rochell, zumal, wenn Beipackzettel vielleicht gar nicht mehr vorhanden seien.

Martin Braun, Präsident der Landesapothekerkammer Baden-Württemberg (LAK), hält die Vorschläge des BÄK-Präsidenten für »völlig verfehlt«. »Arzneimittel werden aus gutem Grund von Ärzten verschrieben und von Apotheken an die Patienten abgegeben«, teilte Braun mit. Unkontrollierbare Distributionswege, die Arzneimittelfälscher auf den Plan riefen, stünden dem diametral entgegen. Der LAK-Präsident warnte, dass es zu schweren Intoxikationen kommen könne, wenn sich Menschen auf einem Arzneimittel-Flohmarkt versehentlich falsche oder bereits verfallene Arzneimittel besorgten. In der Folge müsse mit mehr Krankenhauseinweisungen gerechnet werden. Braun forderte zudem, dass Problem der Lieferengpässe umgehend anzugehen, da es für Apotheken immer schwieriger werde, akut erkrankte Patienten adäquat zu versorgen. »Wenn wir nicht schnell handeln, wird das Kapazitätsproblem auch in die Notaufnahmen und die Krankenhäuser verlagert, da sich dort immer mehr unterversorgte Patienten einfinden dürften«, warnte Braun.

Mit deutlichen Worten richtete sich auch Ursula Funke, Präsidentin der Landesapothekerkammer Hessen, an die Patienten: »Zwar haben wir derzeit in Deutschland ganz massive Lieferengpässe bei Arzneimitteln, aber ein Tausch in der Nachbarschaft, wie er vom Präsidenten der Bundesärztekammer empfohlen wird, ist aus heilberuflicher Sicht verantwortungslos und kann für den einzelnen Patienten gefährlich enden. Lassen Sie die Finger davon!«, appelliert Funke. Die LAK-Präsidentin fordert alle Erkrankten auf: »Vertrauen Sie Ihrer Apothekerin und Ihrem Apotheker, denn sie sind die Arzneimittelfachleute und helfen Ihnen auch in der derzeitigen Situation der Lieferengpässe Fachleute für Arzneimittelsicherheit. Lassen Sie sich nicht verunsichern durch populistische Empfehlungen!«

Overwiening bedankt sich bei Apothekenteams

In der ABDA-Mitteilung äußerte sich Overwiening auch kritisch zu den Äußerungen von SPD-Gesundheitspolitikerin Heike Baehrens, die in einem TV-Interview Apotheken dazu aufgerufen hatte, Arzneimittel nicht zu horten. Baehrens bezog sich dabei auf die Empfehlungen des beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) angesiedelten Beirates für Lieferengpässe. Overwienings Kommentar dazu: »Wir helfen, die Engpässe zu lösen, wir produzieren sie nicht. Von der Politik ist für diesen Einsatz längst ein spürbarer Dank überfällig!«.

In der ABDA-Mitteilung heißt es weiter, dass die 160.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den 18.000 Apotheken die unzähligen Lieferengpässe von Arzneimitteln managen. Nur durch dieses kreative und verantwortungsbewusste Management von Lieferengpässen könnten die wirkungsvollen Arzneimitteltherapien von akut und chronisch erkrankten Kindern, Frauen und Männern noch sichergestellt werden.

Bei einem Besuch in einer Berliner Apotheke bedankte sich Overwiening bei allen Apothekenteams für ihren zeitaufwendigen, unermüdlichen und nervenaufreibenden Einsatz. »Herzlichen Dank für Ihren Einsatz beim Bewältigen der Lieferengpässe! Es ist Wahnsinn, was Sie geleistet haben und weiterhin leisten. Ich möchte mich bei allen Apothekenteams in Deutschland für ihren engagierten, kompetenten und verantwortungsvollen Einsatz bedanken«, sagte Overwiening, die sich stellvertretend für alle Apothekenteams in Deutschland mit einem Blumenstrauß bei dem Apothekenteam bedankte.

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