Apotheker lernen impfen |
Daniela Hüttemann |
18.01.2022 16:00 Uhr |
Chefarzt Professor Dr. Andreas Gross erklärt an PZ-Redakteurin Daniela Hüttemann, wie man die beste Einstichstelle findet. / Foto: PZ/Hüttemann
Einen (weiteren) Beitrag dazu zu leisten, diese Pandemie schnellstmöglich zu beenden – das gaben alle befragten Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Samstagmorgen im Asklepios-Klinikum Hamburg-Barmbek als Motivation an, warum sie den Vorabend mit Theorie und den halben Samstag mit den Praxismodulen 4 und 5 verbracht haben.
Die gleichen Beweggründe hatte auch Professor Dr. Andreas Gross, Chefarzt der Urologie am Klinikum, der als ärztlicher Leiter der Schulung zunächst noch einmal die Theorie schulte und anschließend die Praxisübungen beaufsichtigte. »In Zeiten der Not müssen wir zusammenhalten«, erklärte er. Gross betonte, wie wichtig es sei, den Patienten ausführlich aufzuklären und seine Impffähigkeit festzustellen: »Ich habe keine Zweifel, dass auch Apotheker dies gewissenhaft tun können, aber es kostet Zeit und die Gesprächsführung muss geübt werden.« Er betonte aber auch: »Da kommt eine große Verantwortung auf Sie zu.«
Neben der Aufklärung über mögliche Nebenwirkungen und das Verhalten nach der Impfung gehöre es, Alternativen zur Behandlung aufzuzeigen – das ist das derzeit hohe Infektionsrisiko mit all seinen Folgen. Eine mündliche Aufklärung ist Pflicht. Gross empfahl, den Patienten bereits vorab die Aufklärungsmerkblätter des Robert-Koch-Instituts (RKI) zukommen zu lassen.
Und wenn es tatsächlich zu einer anaphylaktischen Reaktion kommt? »Haben Sie einen Notfallplan« – das betonten sowohl Gross als auch Ralf Bloß, Dozent für Erste Hilfe vom Deutschen Roten Kreuz. »Sobald es einem Patienten schlecht geht, rufen Sie einen Arzt dazu und wählen gegebenenfalls auch den Notruf – besser einmal zu viel als einmal zu wenig.« Der impfende Apotheker sollte nicht allein mit dem Patienten sein und das Vorgehen bei einem Notfall mit dem gesamten Team durchgehen.
Im Praxisteil brachten sich die Teilnehmenden gegenseitig in die stabile Seitenlage und übten die Herzdruckmassage an Dummys. »Nicht zimperlich sein – und nicht aufhören, bis der Notarzt da ist«, mahnte Rettungssanitäter Bloß. »Haben Sie keine Bedenken, etwa eine Rippe zu brechen – bei einem Herzstillstand gibt es keine Alternative zur Reanimation.«
Die Anatomie der Impfregion erklärte Mediziner Gross: Die geeignete Impfstelle sei zwei bis drei Finger unter dem Akromion, dem höchsten Punkt des Schulterblatts, der auch bei Adipösen gut tastbar sei. Es seien keine wichtigen Nervenstränge in der Nähe. Falls man zu tief einsteche und auf den Knochen treffe: Ruhig bleiben, die Nadel etwas zurückziehen und dann injizieren. Das merke der Impfling gar nicht.
Geübt wurde die intramuskuläre Injektion zunächst an Orangen, um ein Gefühl für die Impfung zu bekommen. / Foto: PZ/Hüttemann
Geübt wurde die intramuskuläre Injektion zunächst an Orangen, um ein Gefühl zu bekommen, wie weit und mit wie viel Druck die Nadel eingestochen werden muss. Anschließend impften sich die Kursteilnehmer gegenseitig mit Kochsalzlösung.
Der Arzt riet, die freie Hand auf die Schulter des Impflings zu legen, um mehr Stabilität in die Impfhand zu bekommen. Die Nadel werde zunächst ein bis zwei Zentimeter vor der Injektionsstelle platziert, bevor senkrecht zur Hautoberfläche eingestochen wird. Danach wird sie nicht mehr bewegt und der Impfstoff ruhig (nicht als Bolus) injiziert und die Nadel zügig herausgezogen. »Strahlen Sie Kompetenz und Gelassenheit aus«, empfahl Schulungsleiter Gross. Wichtig sei auch eine gute Vorbereitung des Impfplatzes (Tupfer und Pflaster griffbereit?), die einzelnen Schritte vorher durchzugehen (rechtzeitige Desinfektion) und ein sicherer Umgang mit den Nadeln, auch aus Selbstschutz.
»Wir wollen helfen, dass so viele Menschen wie möglich geimpft werden können«, erklärte Kristina Beverungen, angestellte Approbierte der Apotheke zur Post in Hamburg-Schnelsen, ihre Motivation. Sie hofft, auch bislang Ungeimpfte erreichen zu können – »vor allem diejenigen, die uns schon kennen und sich bei uns in der Apotheke wohlfühlen.« Es habe auch bereits einige Nachfragen gegeben, ob und wann man sich in der Apotheke boostern lassen könne. Wenn alle organisatorischen und rechtlichen Fragen geklärt sind, hofft man in Schnelsen, ab Anfang Februar an ein bis zwei Tagen pro Woche Corona-Impfungen anbieten zu können. Das finden auch die Ärzte in der Umgebung gut, berichtete Beverungen.
In Hamburg-Rahlstedt seien die Ärzte sogar mit an Bord, berichtete Dr. Ingrid Vogg, Inhaberin der dortigen Drive-in-Apotheke. Impfen will sie selbst, jedoch nicht per Drive-in, sondern sonntags im Beratungsraum ihrer Apotheke, immer in Anwesenheit kooperierender Ärzte. »Viele Apotheker haben beim Impfen Angst vor einem Notfall, aber das dürfen wir nicht auf die Patienten übertragen«, daher sei ihr die Erste-Hilfe-Schulung, auch des ganzen Apothekenteams, wichtig. Vogg erinnerte daran, dass diese Kenntnisse auch im normalen Apothekenbetrieb nötig sein können. Sie selbst habe bereits einmal in der Offizin reanimieren müssen.
Gut vorbereitet fühlen sich nach der Schulung auch Eilika Zorn und Nils Burmeister, die derzeit promovieren und nebenbei in der Vita-Apotheke in Hamburg-Eimsbüttel arbeiten. Beide haben im vergangenen Jahr bereits im Hamburger Impfzentrum bei der Zubereitung der Impfstoffe mitgeholfen und freuen sich, nun bald selbst Hand anlegen zu dürfen.
Stefanie Eckard, Zweite Vizepräsidentin der Apothekerkammer, nahm am Sonntag an der Schulung teil und freute sich über die hohe Resonanz – auf die erste Ankündigung der Kammer hätten gleich fast 200 Apothekerinnen und Apotheker reagiert. »Wir wollen allen Interessierten zeitnah eine Schulung anbieten«, versprach Eckard.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.