Apotheker fordern Bewegung beim Honorar |
Daniela Hüttemann |
22.06.2022 15:30 Uhr |
Der Vorstand der Apothekerkammer Hamburg mit Präsident Kai-Peter Siemsen (Mitte) und Geschäftsführerin Ena Meyer-Bürck stand den Hamburger Apothekerinnen und Apothekern bei ihrer halbjährlichen Vollversammlung Rede und Antwort. / Foto: PZ/Daniela Hüttemann
Mit den pharmazeutischen Dienstleistungen können die Apotheken erstmals (neben dem Impfen) selbst eine honorierte Leistung auslösen – das begrüßte Kai-Peter Siemsen, Präsident der Apothekerkammer Hamburg, bei deren turnusgemäßer Vollversammlung am Montagabend. Die Proteste der Ärzteschaft dagegen nannte er ein »choreografisches Schauspiel«, bei dem er sich entspannt zurücklehne. Den ausgehandelten Verteilungsmodus für die jährlich verfügbaren 150 Millionen Euro bezeichnete der Kammerpräsident als eine beachtenswerte Idee, die allen Apotheken gleiche Chancen einräume.
Gleichwohl hält er die angesetzten Preise für nicht ausreichend, zumindest nicht, um die vielfältigen Leistungen der Apotheken quer zu finanzieren oder generell die wirtschaftliche Lage der Betriebe zu verbessern. Der kalkulierte Aufwand von 1,17 Euro netto pro Apothekerminute und 70 Cent netto für eine Minute Arbeitskraft einer PTA liege immer noch deutlich unter dem Arbeitslohn, den er heute in der Autowerkstatt bezahlen musste, kritisierte Siemsen. »Es bleibt bei einer massiven Unterfinanzierung der Apotheken und die Schließungswelle wird weitergehen, was ich sehr bedaure«, so der Inhaber der Neuen Eilbeker Apotheke.
Die Mehrumsätze aus der Corona-Pandemie seien mehr als schwer erarbeitet und den Apotheken nicht einfach zugeflogen. Dabei gab es nicht einmal eine Corona-Prämie, obwohl auch das Apothekenpersonal bis zur und über die Erschöpfungsgrenze hinaus gearbeitet habe. »Ich gönne es wirklich jeder Pflegekraft, aber die Politik scheint die Apotheker, PTA und PKA vollkommen aus dem Blick verloren zu haben«, so Siemsen.
Zwar übertönten sich Politiker jeder Couleur mit Wertschätzung in Worten, es brauche aber auch eine dauerhafte wirtschaftliche Honorierung. Doch das Gegenteil könnte sogar der Fall werden, schaue man auf die Sparpläne von Bundesgesundheitsminister Professor Karl Lauterbach (SPD). »Die Luft wird immer dünner«, betonte Siemsen und forderte die Standesvertretung in Berlin auf, hier »endlich in die Puschen zu kommen«.
Überall explodieren die Kosten, die Inflation ist so hoch wie seit 30 Jahren nicht mehr – und seit fast zwei Jahrzehnten hätten die Apotheken beim Packungshonorar nicht einmal einen Inflationsausgleich erhalten. Es gab und gebe immer Gründe und Ausflüchte, warum es jetzt gerade mit der Erhöhung nicht passe, so Siemsen, aber das Thema könne wirklich nicht länger warten. Man höre immer, es brauche ein Gesamtkonzept für eine Neugestaltung der Apothekenvergütung, aber es passiere nichts, weil man es sowieso für aussichtslos halte, damit bei der Politik vorzusprechen. »Doch wer nichts fordert, wird auch nichts erhalten.«
Ähnliches gilt für die Ausweitung von Pharmaziestudienplätzen an der Universität Hamburg, denn wie bundesweit spitzt sich auch der Personalmangel in den Hamburger Apotheken immer weiter zu. »Die Uni Hamburg behandelt diesen Studiengang sehr stiefmütterlich«, kritisierte Siemsen. Es sei der zweitkleinste Pharmazie-Studiengang bundesweit – und das in der zweitgrößten Stadt Deutschlands. »Leider verweigern sich alle politisch Verantwortlichen jedem Gespräch zu dem Thema«, berichtete Siemsen. Die zuständige Senatorin Katharina Fegebank verschiebe einen gemeinsamen Gesprächstermin immer wieder. »Pharmazie ist für die selbsternannte Life-Science-Stadt Hamburg wohl kein Thema – das ist kein Ruhmesblatt«, so der Kammerpräsident.
Thematisiert wurden auch die vielfältigen und immer weiter steigenden bürokratischen Anforderungen an die Apotheken, zum Beispiel die eigentlich schon für das Papierrezept gültige Mitwirkungspflicht zur Chargen-Nachverfolgung, falls Qualitätsmängel bei Medikamenten auftreten – auch dies ein Mehraufwand ohne Honorar, und das für eine Angelegenheit zwischen Pharmaindustrie und Krankenkassen. Darüber hinaus fürchten die Apotheken Retaxationen, wenn die Krankenkassen diese Daten verschärft beim E-Rezept abfragen.
Beim diesjährigen Deutschen Apothekertag Mitte September in München will die Hamburger Apothekerkammer mehrere Anträge zum Thema Nachhaltigkeit einbringen, darunter auch einen zur Abschaffung der Bonpflicht – wenn schon nicht aus Vernunft, dann dem Klima zuliebe. Auch wenn die Stimmung am Montagabend insgesamt eher pessimistisch war – Kampfgeist zeigten die Hamburger Apothekerinnen und Apotheker.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.