Apotheker befürchten »heilberuflichen Konflikt« |
Im Fall einer Freigabe von Cannabis in Deutschland warnen Apotheker und Ärzte vor allem vor gesundheitlichen Risiken für Jugendliche. / Foto: Getty Images/Mayara Klingner/EyeEm
Das Bundeskabinett hat gestern Eckpunkte zur Einführung einer kontrollierten Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken verabschiedet. Die PZ hat darüber ausführlich berichtet. Demnach sollen Cannabis und Tetrahydrocannabinol (THC) in Deutschland künftig rechtlich nicht mehr als Betäubungsmittel eingestuft werden. Über-18-Jährige sollen 20 bis 30 Gramm straffrei kaufen und konsumieren dürfen, unabhängig vom THC-Gehalt. Der private Eigenanbau soll in begrenztem Umfang erlaubt sein. Anbau und Vertrieb sollen einer strikten staatlichen Kontrolle unterliegen. Geplant ist die Abgabe an Erwachsene ab 18 Jahren in lizenzierten Fachgeschäften, gegebenenfalls auch in Apotheken. Für Minderjährige bleiben Anbau, Erwerb und Genuss auch künftig verboten.
Mit der Legalisierung will die Bundesregierung den Cannabiskonsum entkriminalisieren und einen verbesserten Jugend- und Gesundheitsschutz erreichen, betonte Bundesgesundheitsminister Professor Karl Lauterbach (SPD) bei der Vorstellung der Eckpunkte. Ob es wirklich dazu kommt, ist allerdings noch offen. Bevor das Bundesgesundheitsministerium einen Gesetzentwurf auf den Weg bringen kann, muss zunächst die EU-Kommission den Plänen zustimmen. Sollte sie grünes Licht geben, kann Cannabis für Erwachsene frühestens 2024 legal werden.
Die Pläne der Bundesregierung sind umstritten. Insbesondere bei Apothekern und Ärzten stoßen sie auf Kritik bis hin zu Ablehnung. Die Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK) hat sich bereits im Februar gegen die Freigabe von Cannabis zu Genusszwecken ausgesprochen und vor gesundheitlichen Folgen gewarnt. Mit Blick auf aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse sollte »jeglicher Cannabisgebrauch im Kindes- und Jugendalter vermieden werden«.
Thomas Preis, Chef des Apothekerverbands Nordrhein, sieht sich sowie seine Kolleginnen und Kollegen künftig »in einem heilberuflichen Konflikt«. Einerseits seien Pharmazeuten wegen ihrer fachlichen Expertise bestens geeignet, die notwendigen hohen Qualitätsstandards bei der Abgabe und Beratung zu erfüllen. »Andererseits sind Apothekerinnen und Apotheker Heilberufler«, sagte er der Rheinischen Post. Zudem behagt Preis nicht, dass bei einer Abgabe von Cannabis in Apotheken Pharmazeuten künftig mit Drogenhändlern konkurrierten: »Besonders kritisch wird auch eine mögliche Wettbewerbssituation mit rein kommerziellen Anbietern gesehen.«
ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening kritisiert ebenfalls, dass Apotheker als Heilberufler in einen »Zielkonflikt« gerieten, wenn sie an der Abgabe von Cannabis beteiligt wären. »Wegen der Nebenwirkungen lehnen wir den Verkauf zu Genusszwecken grundsätzlich ab«, machte Overwiening gegenüber der PZ deutlich. Sollte Cannabis aber ohnehin legal werden, würden die Apotheker ihre Hilfe anbieten, »um bei Qualität und Beratung ein Höchstmaß an Verbraucher- und Jugendschutz zu gewährleisten«, so Overwiening.
Der Berliner Apotheker-Verein geht im Moment nicht davon aus, dass seine Mitglieder nach einer möglichen Legalisierung Cannabis als Genussmittel vertreiben. Geschäftsführerin Susanne Damer sieht Apotheker ebenfalls in einem Zielkonflikt. Denn Apotheken seien für die Arzneimittel- und Gesundheitsversorgung zuständig und nicht für den Verkauf von Genussmitteln.
Vertreter der Ärzteschaft warnen im Fall einer Cannabis-Legalisierung vor Gesundheitsgefahren. »Uns als Kinder- und Jugendärzten wäre es lieber, wenn die Cannabis-Legalisierung nicht kommt«, sagte Thomas Fischbach, Präsident des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte, und forderte eine Nachbesserung der vorgelegten Pläne. Fischbach kritisierte unter anderem, es sei noch keine Lösung erkennbar, wie die Weitergabe von legal erworbenem Cannabis an Jugendliche unter 18 unterbunden werden könne. «Mit einer Legalisierung würde das viel häufiger passieren, mit dramatischen Folgen für die Gesundheit der Jugendlichen», so der Ärztevertreter. Die Bundesärztekammer (BÄK) lehnt die Pläne ebenfalls ab. Es gebe keinen Grund, neben den beiden legalen Drogen Tabak und Nikotin eine dritte einzuführen, sagte BÄK-Präsident Klaus Reinhardt und warnte vor den gesundheitlichen Gefahren des Cannabis-Konsums.
Große gesundheitliche Risiken insbesondere für junge Leute befürchtet auch die bayerische Landesregierung. Das Eckpunktepapier sei »keine geeignete Grundlage, um den Gefahren durch eine Cannabisfreigabe zu begegnen«, sagte Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU). CDU-Generalsekretär Mario Czaja übte ebenfalls scharfe Kritik an den Pläne der Ampel-Koalition zur Cannabis-Freigabe. «Mit dieser Debatte wird vor allem jungen Menschen der Eindruck vermittelt, es handele sich um eine harmlose Droge. Das Gegenteil ist der Fall.« Czaja appellierte daher an die Ampel-Koalition, das Vorhaben fallen zu lassen.
Hingegen vertritt die Bundestagsabgeordnete Kirsten Kappert-Gonther (Bündnis 90/Die Grünen) die Ansicht, dass mit der Legalisierung der Jugend- und Gesundheitsschutz besser durchgesetzt werden könne. »Mit der Legalisierung wird die Kriminalisierung von Millionen Konsumierenden beendet«, zeigte sich die Abgeordnete, die auch Mitglied im Gesundheitsausschuss ist, überzeugt. Sie begrüßte, dass für die über 21-Jährigen die THC-Obergrenze gestrichen worden sei, wofür sich die Grünen eingesetzt hätten. Denn zu restriktive Bedingungen für den legalen Markt förderten nur den Schwarzmarkt für besonders starkes Cannabis, sagte Kappert-Gonther.
Der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) befürwortet nach Angaben des Vorsitzenden Dirk Peglow grundsätzlich »eine Entkriminalisierung von Konsumentinnen und Konsumenten aller Betäubungsmittel«. Bei den Eckpunkten zur Cannabis-Legalisierung seien aber noch viele Fragen offen. »Wenn Kolleginnen und Kollegen zum Beispiel bei einer Kontrolle Cannabis finden, woher wissen sie, ob das legal gekauft wurde?«, fragte Peglow. Unklar sei auch, wie generell Jugendschutz garantiert werden könne. Illegale Händler würden sich zunehmend auf Jugendliche als Kunden konzentrieren, wenn Erwachsene legal kaufen könnten, warnte der BDK-Vorsitzende.
Noch nicht weit genug gehen die Pläne der sucht- und drogenpolitischen Sprecherin der FDP-Fraktion, Kristine Lütke. »Das Eckpunktepapier ist immer noch zu restriktiv, zu zögerlich und zu zurückhaltend«, kritisierte sie. Eine Besitzobergrenze sei »falsch, denn wir regulieren ja auch nicht, wie viel Wein und Bier jemand besitzen darf«. Stattdessen schlägt Lütke vor, eine Erwerbsmenge festzulegen, die pro Kauf und Kopf gelte. Alles andere seien »Bürokratiemoster«, die Polizei und Justiz weiter belasteten.