Apothekenteams sehen für Erkältungssaison schwarz |
Cornelia Dölger |
18.10.2023 14:00 Uhr |
Die Angst der Apotheken vor dem spärlich gefüllten Regal ist auch in dieser Infektionssaison da. / Foto: Imago Images/Eibner Europa
Das eine wirkt noch nicht, das andere gibt es noch nicht: Wirft man einen Blick auf die Gesetze und Gesetzespläne, die die bestehenden und weiter drohenden Arzneimittel-Lieferengpässe mildern sollen, tut sich ein Vakuum auf. Mit dem seit Ende Juli geltenden Lieferengpassgesetz (ALBVVG) will die Ampelkoalition mittel- und langfristig über Entrabattierungen und ausgesetzte Festbeträge die Lücken bei Kinderarzneien schließen. Bis dies Wirkung zeigt, dauere es aber noch eine Weile, hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) jedoch vorsorglich allzu hohe Erwartungen gebremst.
Etwas kurzfristiger soll ein weiterer Hebel aus dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) greifen: der Mitte September vorgestellte Fünf-Punkte-Plan. Ihm zufolge soll der Austausch von Kinderarzneimitteln ausgeweitet und weiter erleichtert werden. Das klingt nach kurzfristigem Effekt, allerdings befindet sich der Plan einerseits noch im Endspurt des Gesetzgebungsverfahrens, zudem wird er wohl in der Praxis nicht viel bringen, wie die Apotheken von vornherein kritisierten. Denn die flexiblen Austauschmöglichkeiten bei Kinderarzneien werden wohl weiter auf einer Art Dringlichkeitsliste beruhen, die sich im Apothekenalltag nur schwer umsetzen lasse. Bis dato will die Ampel an dieser Liste jedenfalls festhalten.
Zu dieser Uneinigkeit in Sachen Lieferengpässe von Arzneimitteln passen die Ergebnisse einer Umfrage, die der Informationsdienstleister Marpinion im Auftrag der PZ durchführte. Die knapp 3250 erreichten Befragten aus dem ganzen Bundesgebiet sind demnach mehrheitlich (knapp 46 Prozent) der Meinung, dass die bisher ergriffenen politischen Maßnahmen Lieferengpass-Szenarien wie in der vergangenen Herbst- und Wintersaison keinesfalls verhindern werden. Nur knapp fünf Prozent glauben, dass es damit schon klappen wird.
Entsprechend düster skizzieren die Befragten die Lage angesichts der anbrechenden kalten Jahreszeit: Mehr als die Hälfte (fast 57 Prozent) ist überzeugt, dass die Lieferengpässe in diesem Herbst und Winter mindestens so gravierend werden wie vor einem Jahr. Damals standen viele Apothekenteams immer wieder vor der Frage, wie sie besorgte Eltern mit wichtigen Arzneien für ihre Kinder versorgen können, wenn die Regale in Offizin und Großhandel nunmal leer sind.
Ähnlich sieht es in Apotheken derzeit aus: Dass sie auch in dieser Saison mehrmals täglich ihre Kunden wegen Lieferengpässen nicht zeitnah mit Arzneimitteln versorgen können, gaben fast 80 Prozent der Befragten an. »Mehrmals wöchentlich« meldeten etwa zwölf Prozent. Keine einzige befragte Person gab an, dass sie niemals mit Lieferengpässen zu kämpfen habe.
Und was fehlt am häufigsten, dieses Jahr ebenso wie im vergangenen? Antibiotikasäfte für Kinder – das gaben 72 Prozent der Befragten an. Dicht darauf folgen verschreibungspflichtige Augentropfen und -salben (71 Prozent), auch bei Antibiotika für Erwachsene (57 Prozent), bei Cholesterinsenkern (53 Prozent) und Antidiabetika/Insulinen (52 Prozent) stellen viele Apothekenteams Lücken fest. Häufig fehlen demnach auch Codeinpräparate (36 Prozent), Blutdrucksenker (31 Prozent) oder Protonenpumpenhemmer/Magenschutzmittel (22 Prozent). Ein Befragter brachte es in der Freitextauswahl auf den Punkt, indem er kommentierte: »Fast nix, was nicht betroffen ist, was soll ich dazu sagen?«
Auf eine schnelle Verbesserung durch bessere Rahmenbedingungen ist also nicht zu bauen. Die Apothekenteams sorgen dennoch vor. Sie bereiten sich auf die kommende Erkältungssaison vor, indem sie sich bestmöglich bevorraten, das gaben fast 90 Prozent der Befragten an. Die Möglichkeit, mehr direkt zu bestellen, ergreift fast die Hälfte (45 Prozent).
Wo so viel Druck von außen herrscht, wird nach innen näher aneinandergerückt: Fast ein Drittel der Befragten (29 Prozent) gab an, sich über die anstehende Infektionssaison verstärkt mit Kolleginnen und Kollegen innerhalb der eigenen Apotheke auszutauschen. Etwas weniger (21 Prozent) setzen auf Austausch mit Kolleginnen und Kollegen aus anderen Apotheken. Über einen Vertrag mit einem zusätzlichen Großhändler wollen etwa neun Prozent die Lage in den Griff bekommen.
Befragt wurden bundesweit fast 3250 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus 980 Apotheken. Zu zwei Dritteln gaben PTA die Antworten, knapp ein Drittel kam von Approbierten, etwa sechs Prozent von Apothekeninhaberinnen und -inhabern.