Apothekenreform könnte »kurzlebig« werden |
Juliane Brüggen |
05.09.2024 12:30 Uhr |
Thomas Preis, Vorsitzender des AVNR, zeigte sich in seiner Ansprache entsetzt über die Wahlergebnisse in Thüringen und Sachsen. Diese spiegelten vor allem Eines: Die Unzufriedenheit der Menschen mit der Arbeit der Ampelkoalition. Das gelte auch für das Thema Gesundheit. »Die Realitätsferne dieser Bundesgesundheitspolitik zum Versorgungsalltag ist gigantisch, die Rahmenbedingungen für uns und unsere Teams immer mehr unzumutbar«, so Preis, vor allem fehle es an »Wertschätzung in Form einer angemessenen und im wahrsten Wortsinne verdienten und berechtigten Honorierung der öffentlichen Apotheken«.
Thomas Preis ging unter anderem auf die schwierige wirtschaftliche Lage der Apotheken ein. / Foto: AVNR/Alois Müller
Als »Schließungs-Tsunami« bezeichnete er die aktuelle Entwicklung. 2023 mussten ihm zufolge rund 500 Apotheken schließen – der größte Verlust seit Gründung der Bundesrepublik. Und der Trend beschleunige sich: In diesem Jahr lägen die Schließungszahlen im Vergleich zum Vorjahr noch einmal 50 Prozent höher. Auch Filialapotheken seien vermehrt betroffen, Neugründungen fast gar nicht mehr zu verzeichnen. Die wirtschaftliche Situation sei alarmierend: Über 30 Prozent der selbstständigen Apotheker hätten ein Einkommen, das unter dem eines angestellten Apothekers liege. »10 Prozent schreiben rote Zahlen und werden über kurz oder lang schließen müssen«, so Preis.
Diese Nöte zeugten keinesfalls von Unvermögen der Apotheker, sondern von einer Vernachlässigung seitens der Politik. Denn den stetigen Kostensteigerungen, etwa Lohnkosten und Inflation, sei in den vergangenen zwei Jahrzehnten nahezu nichts entgegengesetzt worden. »Diese betriebswirtschaftliche Rechnung kann nicht aufgehen«, so Preis. Die mit dem aktuellen Gesetzesentwurf geplante Umverteilung werde auch nicht helfen. Es müsse endlich mehr Geld in das System.
Grundsätzlich begrüße er, dass die Politik ins Handeln komme und Apotheken stärken möchte. Aber der jetzige Entwurf überschreite rote Linien. Daher seine Botschaft an Karl Lauterbach (SPD): »Apotheken ohne Apotheker sind mit uns nicht zu machen«, so Preis. »Bürgerinnen und Bürger haben nämlich einen Anspruch darauf, dass da, wo Apotheke drauf steht, auch ein Apotheker oder eine Apothekerin drin ist!« Die Leidtragenden seien nicht zuletzt die Patienten, die, sollte das Gesetz in der jetzigen Form kommen, in Filialen nur selten einen Apotheker anträfen und Betäubungsmittel nur noch an bestimmten Tagen erhielten. »Zustände, die unseren Bürgern nicht zuzumuten sind«, so Preis.
Dass Apotheken mehr Verantwortung übernehmen wollen und können, zeigten die Impfleistungen und die pharmazeutischen Dienstleistungen (pDL), so Preis. Das Gesundes-Herz-Gesetz, das Apotheken in flächendeckende Präventionsmaßnahmen einbeziehen will, begrüße er vor diesem Hintergrund, ebenso wie das Vorhaben, pDL fest als pharmazeutische Tätigkeit in die Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) aufzunehmen. Die Apotheke wolle zusätzlich zur Kernkompetenz »Arzneimittel« als gut erreichbarer, primärer Gesundheitsversorger für alle Altersgruppen da sein, besonders auch für Pflegende und pflegende Angehörige.