Apotheken sterben jetzt! |
Tausende Apothekerinnen und Apotheker haben in Stuttgart gegen die Gesundheitspolitik der Bundesregierung demonstriert. / Foto: PZ
Als erste Rednerin forderte Tatjana Zambo, Präsidentin des Landesapothekerverbands Baden‐Württemberg (LAV), von Bundesgesundheitsminister Professor Karl Lauterbach (SPD), endlich mit den Apothekern ins Gespräch zu kommen und von seinen Liberalisierungsplänen abzulassen. Ein Alleingang des Ministeriums sei nicht hinnehmbar. »Herr Minister, reden Sie mit uns und nicht über uns«, so Zambo und erntete dafür lautstarken Applaus. Der Platz vor der Bühne auf dem Stuttgarter Schlossplatz glich einem Meer aus weißen Westen, Plakaten und Bannern. Mit Trillerpfeifen und Rasseln machten die Teilnehmenden bei sehr kühlen Temperaturen lautstark auf ihre Belange aufmerksam. »Wir haben kalte Füße, aber heiße Herzen«, rief Moderator Frank Eickmann in die Menge.
Es sei höchste Zeit, dass der Gesundheitsminister schnell und effektiv für die Apotheken tätig werde, fuhr Zambo fort. Lediglich 3 Prozent Honorarzuwachs hätten die Apotheken in 20 Jahren erhalten und müssten seit 11 Jahren sogar Stillstand erdulden. »Es muss Schluss sein mit dem Kaputtsparen, mit dem Raubbau an unseren Apotheken«, so Zambo.
400 Apotheken hätten im vergangenen Jahr geschlossen, in diesem Jahr würden es voraussichtlich 600 Apotheken sein. Als Zambo über die »1000 Apotheken weniger in zwei Jahren« sprach wurde der viel zitierte Slogan »Apotheken stärken. Jetzt!« kurzerhand umgedichtet: »Apotheken sterben jetzt«, skandierten die Demonstrierenden.
Hans-Peter Hubmann, Vorsitzender des Deutschen Apothekerverbands (DAV) sowie des Bayerischen Apothekerverbands (BAV), erinnerte daran, wie die Apotheken während der Pandemie die Versorgung gesichert und immer wieder neue Aufgaben übernommen hätten. »Und was ist der Dank? Ein warmer Händedruck, aber kein Geld.«
Dass zu wenig Geld für die Forderungen der Apotheken da sei, bezweifelte Hubmann. Es sei merkwürdig, dass für Kürzungen das Rasenmäherprinzip gelte, »aber zum Wiederaufforsten die Gießkanne angeblich ungeeignet sei«, so Hubmann. Seit der Kassenabschlag im Februar erhöht wurde, sei die Verbitterung und Wut der Apotheken noch einmal gewachsen. »Das kann so nicht weitergehen.«
Als »modernes Raubrittertum« bezeichnete der BAV-Chef die Retax-Praxis der Krankenkassen. Die Apotheken warnten seit Jahren vor Arzneimittellieferengpässen, stellten sich tagtäglich vor neue Herausforderungen. Die eklatante Mangellage sei in einem modernen Land wie Deutschland kaum erklärlich.
Hubmann freut sich über die politische Unterstützung, will die Union aber auch in die Pflicht nehmen, wenn diese künftig wieder in Regierungsverantwortung sein sollte. »Die versprochene Unterstützung haben wir jetzt schwarz auf weiß«, sagte Hubmann der PZ. Die Bundespolitik müsse endlich aufwachen – wenn nicht Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach, dann seine Parteigenossen. »Karlchen, mach was anders!«, sollten sie ihm zurufen, forderte Hubmann.
Ein Grußwort als Video-Botschaft schickte Judith Gerlach (CSU), neue Bayerische Staatsministerin für Gesundheit, Pflege und Prävention. Sie stellte sich hinter die Forderungen der Apothekerschaft. Die Vergütung der Apotheken müsse an die gestiegenen Kosten angepasst werden. Gerlach forderte Lauterbach auf, die Unabhängigkeit der Apotheke zu bewahren. »Bayern steht fest an der Seite der Apothekerinnen und Apotheker«, versprach Gerlach.