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Graue zum Apothekensterben
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Apotheken sind angeschlagen, aber noch nicht geschlagen

»Wir befinden uns in der schwersten Strukturkrise seit Apothekengedenken«, warnt Dr. Jörn Graue, Vorstandsvorsitzender des Hamburger Apothekervereins. Den aktuellen Referentenentwurf zur Apothekenreform nannte er »systemvernichtend«. Jetzt gelte es, zu kämpfen.
AutorKontaktDaniela Hüttemann
Datum 19.11.2025  11:00 Uhr

Bei der gestrigen Mitgliederversammlung des Hamburger Apothekervereins hat Vorstandsvorsitzender Dr. Jörn Graue ein düsteres Bild der Aussichten für die Apotheken gezeichnet und die geplante Reform des Bundesgesundheitsministeriums als »hanebüchen« bezeichnet. In seiner ausführlichen Rede verband Graue historische Rückblicke mit einer Analyse der ökonomischen Realität und einem deutlichen Appell an die Politik.

Graue erinnerte an das Jahr 1958, als das Bundesverfassungsgericht die Bedarfsplanung für Apotheken aufhob und die Niederlassungsfreiheit einführte. Seitdem hat jeder Apotheker das Recht, eine Apotheke zu gründen. Die Zahl der Apotheken stieg von 7442 im Jahr 1957 (bei 54,7 Millionen Einwohnern) auf einen Höchststand von 21.602 im Jahr 2008 bei 82 Millionen Einwohnern. »Diese wundersame Vermehrung wird durch die seinerzeit gültige staatlich reglementierte Arzneimittelpreisverordnung sichergestellt. Ein Sättigungsgrad bei knapp 4000 zu Versorgenden war dann wohl erreicht«, kommentierte Graue, der sich seit Jahrzehnten berufspolitisch engagiert.

Mit der Preisregelung von 2004 und ausbleibenden Honoraranpassungen seit 2013 habe sich die Entwicklung jedoch umgekehrt. Heute seien es kaum noch 16.000 Apotheken, »morgen sicher noch wenige«. Die Politik nehme diesen Rückgang »nicht als Ereignis, sondern als willkommene Neuigkeit« wahr, so Graue.

Das untermalte Geschäftsführer Dr. Georg Zwenke mit den aktuellen Zahlen: Hamburg habe seit 2016 14,3 Prozent seiner Apotheken verloren – von 414 auf 353 Betriebe. Gleichzeitig stieg die Bevölkerungszahl von 1,81 auf 1,97 Millionen in der Hansestadt. 

Apotheken hängen an der Preisbindung

Die Preisbindung, ursprünglich eingeführt »um die Bevölkerung vor überhöhten Preisen zu schützen«, sichere heute die wirtschaftliche Basis der Apotheken. Doch der Europäische Gerichtshof (EuGH) habe bereits in seiner ersten DocMorris-Entscheidung Zweifel an der Rechtfertigung geäußert. Ökonomen wie Justus Haucap und Stephan Neumeier stellten schon vor mehr als zehn Jahren fest, dass viele Betriebe mit Gewinnen unter 75.000 Euro kaum noch investieren könnten. »Das System fester Arzneimittelpreise verhindert eine optimale räumliche Allokation«, zitierte Graue die Wirtschaftswissenschaftler.

Zwenke ergänzte aktuellen Zahlen der Treuhand, nachdem ein Drittel der Apotheken bundesweit aktuell nur noch ein Betriebsergebnis von 10.000 Euro oder weniger einfahren, etwa ein zweites Drittel liegt unter 68.000 Euro. Damit sind diese Apotheken nicht mehr (lange) lebensfähig. 43 Prozent der ertragsschwachen Betriebe liege in Großstädten, 28 Prozent auf dem Land. 

Statt einer Preisfreigabe setze der Gesetzgeber auf »unspektakuläre Minimierung«, indem er die Fest-Taxe nicht anpasse. Damit erreiche er auf unspektakuläre Weise das gleiche Ziel. Hinzu komme der Referentenentwurf für das Apothekenversorgung-Weiterentwicklungsgesetz (ApoVWG) mit »systemvernichtenden Duktus«. Kommt dieser so durch, werde es den Apotheken das Genick brechen.

Die geplante Reform des Bundesgesundheitsministeriums bezeichnete Graue als »ein einziges Fiasko«. Besonders kritisierte er die geodatenbasierte Honorierung für Landapotheken, denn auch in den Städten geht es vielen Apotheken nicht gut und sie sind wichtig für die Versorgung. Mit der Strategie »divide et impera« unterstellte er der Politik, die Apothekerschaft spalten zu wollen. Auch die vorgesehene Vertretung durch approbierte PTA sei zwiespältig und rüttle am Werteverständnis des uralten Berufs.

»Das Glück, dem Gesetzgeber in die Zügel zu fallen, ward noch keinem sterblichen Apotheker zuteil«, kommentierte Graue sarkastisch. Er versicherte jedoch, dass man nicht untätig sei und viele (vielleicht die wichtigsten) Gespräche im Hintergrund liefen. Auch verwies er auf die alte Weisheit »kein Gesetz kommt aus dem Bundestag raus, wie es reinkommt«.

Graue bereitet Apotheken auf Eskalation vor

Nachdem Graue in seiner Rede in großen Teilen ein düsteres Bild gemalt hatte, zeigte er sich am Ende kämpferisch: »Wir sind angeschlagen, aber noch lange nicht geschlagen. Wer in die Enge getrieben wird, kann gefährlich werden.« Die Politik glaube, die Menschen werden sich daran gewöhnen, dass es bald nur noch wenige Apotheken geben wird. Medienberichte über das Apothekensterben würden da nur stören.

»Aber keine Apotheke ist eine Insel. Wenn sie weggespült wird, versiegt die gute Versorgung. Jeder Apotheke Tod ist ein Verlust«, mahnte Graue. Die Proteste der Apothekerschaft hätten Eindruck gemacht, doch Staatssekretär Georg Kippels habe ihnen »Bräsigkeit« attestiert. »Ruft er uns damit etwa zum Generalstreik auf?«, fragte Graue rhetorisch.

Graue schloss die Sitzung mit einem Appell an die Hamburger Apothekerinnen und Apotheker, alle Kräfte zu aktivieren, wenn der Kabinettsentwurf zum Apothekenversorgung-Weiterentwicklungsgesetz voraussichtlich Mitte Dezember präsentiert wird. Es müsse etwas geschehen, damit die Apotheken überleben können. »Wir müssen kämpfen – wie weit die Eskalation gehen muss, wird der Dezember zeigen.«

Auch Dr. Georg Zwenke, Apotheker und Jurist, kommentierte die kritischen Passagen im ApoVWG und warnte vor den dramatischen Folgen. Der Geschäftsführer konnte aber einen positiven Jahresabschluss des Hamburger Apothekervereins mit einem Plus von rund 90.000 Euro vorstellen und auch von einigen Erfolgen des Verbands vor Gericht und bei Vertragsverhandlungen berichten. Er endete auch mit positiven Zahlen: Immerhin seien in Hamburg in diesem Jahr 20 Apothekenübernahmen gelungen und eine Neugründung sei zu verzeichnen.

Im Anschluss wurde turnusgemäß ein Teil des Vorstands neu gewählt. Graue wurde zum Vorstandsvorsitzenden wiedergewählt. Mehr dazu lesen Sie hier.

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