Apotheken sagen häufig Praktikumsplätze ab |
Zum PTA-Praktikum gehört die Arbeit im Labor. Allerdings leiden die praktischen Erfahrungen zurzeit unter den Sparmaßnahmen der Apotheker. / Foto: ABDA
Nach einem anfänglichen Kundenansturm verzeichnen die Apotheken in Deutschland ab Ende März 2020 einen erheblichen Umsatzverlust, da viele Kunden aus Angst vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus nicht mehr in die Apotheke vor Ort gehen wollten. Anderen Apotheken, insbesondere in Innenstadtlagen, fehlt schlichtweg die Laufkundschaft. Um unter anderem diese verpassten Umsätze wiedergutzumachen, sind einige Apotheken aktuell auf Sparmaßnahmen angewiesen. Allerdings betreffen diese offenbar auch den pharmazeutischen Nachwuchs.
Sandra Barisch, Lehrerin für pharmazeutisch-technische Assistenten (PTA) an der Kerschensteiner-Schule in Stuttgart und gleichzeitige PTA-Botschafterin von Avoxa berichtet, dass einigen PTA-Schülern mitten in der Prüfungszeit der bis dato sicher geglaubte Praktikumsplatz »aus betrieblichen Gründen« vonseiten der Apotheken abgesagt und der bereits geschlossene Vertrag aufgelöst wurde. Dies betrifft laut Barisch nicht nur PTA-Schüler, sondern auch angehende pharmazeutisch-kaufmännische Angestellte (PKA). Die Konsequenz, dass einige PKA deshalb ohne Ausbildungsplatz dastehen und dass auch die PTA, die den ersten Teil ihrer Ausbildung mit den Abschlussprüfungen erst ablegten, ihre Ausbildung aber dann nicht mit dem vorgeschriebenen Praktikum beenden können, kritisiert Barisch scharf.
Auch die Apothekerin und PKA-Lehrerin an der Alexander Fleming Schule in Stuttgart, Franziska Steeb, berichtet von aktuellen Problemen bei der PKA-Ausbildung: »Aufgrund der Berufsschulschließung und dem erhöhten Arbeitsbedarf in der öffentlichen Apotheke wurden Auszubildende vor allem in der Anfangszeit als volle Arbeitskraft eingeplant. Leider bekamen viele PKA-Azubis keine Lernzeit oder freie Tage vom Betrieb zur Verfügung gestellt, um ihre Arbeitsaufträge von der Schule zu bearbeiten.« Sie kritisiert, dass einige Apothekenleiter ihren Ausbildungsauftrag demnach nicht ernst genug genommen hätten und die angehenden PKA oft noch spätabends oder am Wochenende ohne Arbeitszeitausgleich ihren schulischen Pflichten nachkommen mussten.
Barisch appelliert ebenfalls an die Apothekeninhaber und ihre bisher sehr hohe Ausbildungsbereitschaft. Diese müsse auch in Zukunft beibehalten werden, ansonsten würden die Apotheken selbst den pharmazeutischen Nachwuchs gefährden. »Wir bitten daher alle Apothekenleiter eindringlich, trotz corona-bedingter finanzieller Defizite ihrer Apotheke die Ausbildungs- und Praktikumsverträge einzuhalten und weiter auszubilden. Nur so schaffen wir es, den pharmazeutischen Nachwuchs dauerhaft zu sichern«, fordert Barisch die Apotheken auf.
Der Vorstandsvorsitzende der Apothekengewerkschaft Adexa, Andreas May, mahnt die Apothekeninhaber, in dieser angespannten Lage weiterhin auszubilden. Im Gespräch mit der PZ erinnert er an die Lockdown-Einschränkungen, die auch die Auszubildenden zu spüren bekommen haben: »PTA-Schülerinnen und -schüler trifft es gleich doppelt: bei der Fachschulausbildung und beim anschließenden Praktikum.« In manchen Regionen, beispielsweise in Augsburg und Ellwangen, gebe es zwar gar keine Schwierigkeiten. Und auch in Mannheim berichtet die Sekretärin der Eberhard-Gothein-Schule von keinen außerplanmäßigen Rücktritten der PKA-Ausbildungsverträge. Andernorts haben die Praktikanten aber laut May viele Absagen bekommen. Die Stuttgarter Lehrerin Steeb berichtet zudem von einer erhöhten Anzahl an Azubis, die die Apotheke wechselten oder ihre Ausbildung sogar abbrachen. May betont jedoch: »Adexa warnt alle angehenden PTA davor, auf einen Teil der Praktikumsvergütung zu verzichten. Das wäre – gerade in Zeiten des Fachkräftemangels – absolut ein falsches Signal.«
Problematisch ist laut May auch, dass die Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für PTA vorschreibt, dass das Praktikum inklusive des Urlaubs für maximal vier Wochen unterbrochen werden darf. »Der tarifliche Urlaubsanspruch liegt bei 17 Werktagen. Muss die Apotheke schließen, weil etwa eine Kollegin oder ein Kollege positiv auf SARS-CoV-2 getestet worden ist, kann die Ausbildung auf Antrag der Schülerin verlängert werden, wenn das Ausbildungsziel nicht erreicht werden kann«, erklärt May. Zudem weist er darauf hin, dass dies auch passieren könne, falls Apotheken ihren Betrieb auf zwei Schichten umstellen würden, um das Infektionsrisiko zu minimieren. Außerdem sei das Instrument der Kurzarbeit nicht in den Tarifverträgen geregelt, noch werde dies normalerweise in den Praktikumsverträgen vereinbart, so May. Zudem sei es angesichts des sehr kurzen Praktikumszeitraums dringend notwendig, dass der Apothekenleiter alle Möglichkeiten nutzt, »um den dringend benötigten Berufsnachwuchs auszubilden«, betont May.
Hier könnte eine Ausnahmeregelung, ähnlich wie die für die Pharmaziestudierende helfen, die angespannte Situation zu entschärfen. Im Juni hatte das Bundesgesundheitsministerium in einem Referentenentwurf vorgeschlagen, dass die angehenden Apotheker im Praktikum unter bestimmten Voraussetzungen zum Teil auch Aufgaben übernehmen könnten, die die Anwesenheit in der Apotheke nicht unbedingt erfordern.
Ein weiteres Problem schockiert Barisch: Insbesondere junge Frauen mit Kopftuch finden oftmals keinen Praktikumsplatz. »Viele muslimische Frauen mit Kopftuch entscheiden sich häufig für einen zunächst schulischen Ausbildungsberuf, weil sie sich dafür ja nur an einer Schule bewerben müssen«, erklärt Barisch. Allerdings würden die PTA-Schülerinnen in den zur Ausbildung gehörenden Praktika oft lediglich im Backoffice eingesetzt oder erhielten erst gar keine Praktikumszusage. »Es sind immer noch fünf Damen aus einer Klasse mit Kopftuch, die noch keinen Platz haben«, mahnt sie.
Trotz all der Kritik berichtet Steeb aber auch von positiven Erfahrungen in der Coronavirus-Krise. Einige Apotheken ermöglichten PKA-Azubis in der stressigen Zeit am Online-Unterricht der Berufsschule aus der Apotheke heraus teilzunehmen. Andere angehende PKA erhielten hilfreiche Nachhilfe durch erfahrene PKA in der Offizin.
Alle Apotheken, die aktuell einen PTA-Praktikumsplatz oder einen Ausbildungsplatz für PKA anbieten, können diesen auf der Website der jeweiligen Landesapothekerkammer oder des Landesapothekerverbands inserieren, bittet Barisch. So könne allen angehenden PTA und PKA eine gute Übersicht über aktuell verfügbare Plätze ermöglicht werden.
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